Frage (Angelika Kramer): Was genau wollen Sie in Ihrer neuen Funktion als Chief Innovation Officer bewirken?
Thomas Polak: Ich werde den Vorstand, die Führungskräfte und die Mitarbeiter unterstützen, Uniqa zur besten und für die Zukunft am besten aufgestellten Versicherung in Zentral- und Osteuropa zu machen. Mein Team und ich haben in den letzten Jahren international eine Vielzahl an operativen Erfahrungen in der internationalen, digitalisierten Welt gesammelt. Auf dieser Basis werden wir aktiv bei aktuellen und zukünftigen Entscheidungsprozessen mitwirken und Modelle für die Erweiterung der Datenbasis, der Interaktionsfähigkeit sowie der Transaktionsfähigkeit von Uniqa mit den relevanten Zielgruppen erarbeiten und mitgestalten. Den Wandel einer Versicherung vom Tarifanbieter hin zum umfassenden Serviceanbieter mitzugestalten und mitzuerleben, ist so ziemlich das interessanteste, spannendste und herausforderndste, was ich mir für die nächsten paar Jahre vorstellen kann.
Die Uniqa will 500 Mio. Euro in die Zukunft investieren; wie viel davon steht Ihnen für Ihre Aufgabe zur Verfügung?
Innovation und der Aufbau von neuen Marktstrategien und Business Models existiert nicht losgelöst von den anderen Projekten und Prozessen. Wir werden gemeinsam mit dem Board, den Führungskräften und neu zusammengestellten, interdisziplinären Teams die notwendigen Budgets erarbeiten. Ein großer Teil des Investitionsbudgets wird in den nächsten Jahren in die IT und in die damit verbundenen Technologien laufen. Nicht weil wir glauben, dass Innovation und Digitalisierung eine primär technische Frage sei – ganz im Gegenteil –, sondern weil es ohne die entsprechenden technischen Voraussetzungen nicht geht.
Werden Sie eher auf der Suche nach Zukäufen sein oder die Innovationskraft im eigenen Haus stärken?
Im ersten Schritt werden wir die hohe Eigen-Innovationskraft im Unternehmen weiter stärken und die dafür notwendigen Strukturen, Motivationen und vor allem auch Inspirationen schaffen. Es ist ja nicht so, dass es bei Uniqa bisher keine Innovation gegeben hat. Zukäufe oder finanzielle Engagements bei interessanten Unternehmen und Projekten sind nur eine Möglichkeit, die wir laufend und sehr genau prüfen werden. Auch Kooperationen mit Unternehmen, die bestimmte – für Uniqa interessante – Asset Strukturen oder Knowledge-Basen aufgebaut haben, sehen wir uns genau an und führen Gespräche über gemeinsame Vorgehensweisen.
Gibt es Versicherungen, die für Sie ein Vorbild in Sachen Innovation sind?
Das alleinige Vorbild gibt es aus meiner Sicht nicht! Es gibt ein paar große traditionelle Versicherungen, die in Teilbereichen sehr interessante erfolgreiche Projekte gestartet haben, aber so wirklich umfassende oder holistische Modelle sehe ich noch nicht. Innovation und Digitalisierung bedeuten ja nicht, eine zwei oder drei neue Apps zu entwickeln. Vielmehr geht es darum, Menschen in einer veränderten Zeit Unterstützung in ihren jeweiligen individuellen Lebenssituationen und Bedürfnislagen zu bieten und im richtigen Kontext und Zeitpunkt anzubieten.
Wie wird sich die Versicherungsbranche in den nächsten zehn Jahren verändern?
Auf jeden Fall gewaltig, da sind sich Brancheninsider und Trendforscher einig. Uniqa wird nicht passiv auf Veränderungen warten und nur reagieren, sondern eine aktive Rolle als Gestalter der Versicherungsbranche 2.0 einnehmen. Versicherungen haben immer schon Menschen zusammengebracht und Menschen ermöglicht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Diesen Gedanken wollen wir weiter ausbauen und Lösungen und Modelle prüfen, die dies auch im veränderten Marktumfeld für unsere Kunden sicherstellen.
Reine Online-Versicherungen – ist das für die Uniqa ein Thema?
Uniqa bietet jetzt schon zahlreiche Produkte für den Onlineabschluss an, und wir werden das weiter ausbauen. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass es in Zukunft auch Produkte geben wird, bei denen es Sinn macht, sie primär online anzubieten. Genauso gibt es aber auch Versicherungslösungen, bei denen es – auch mit viel Fantasie – schwer vorstellbar ist, dass sie vorrangig online abgeschlossen werden. Es geht auch gar nicht so sehr darum, das vorhandene Geschäftsmodell mit seinen Prozessen und Strukturen in einer Onlinewelt abzubilden. Der erfolgsversprechende Weg besteht vielmehr darin, aus
de facto unendlichen Möglichkeiten attraktive und zielgerichtete Angebote und Lösungen zu entwickeln; daran müssen wir hart und konsequent arbeiten.
Welche Start-ups im Versicherungsbereich sind für Sie besonders interessant?
Interessant sind alle, die neu Zugänge schaffen, um den Kundenbedürfnissen besser zu entsprechen. Ich möchte das aber auch gar nicht auf das Versicherungsgeschäft beschränken. Wichtig ist, intelligente Verbindungen zu schaffen, die etwas gänzlich Neues kreieren. Ich habe nichts gegen dramatische und völlig neue Lösungen, wie auch immer wir diese zusammenbauen.
Können Social-Media-Portale mit Prämienbündelungsmodellen Versicherungen à la longue ganz ersetzen?
Im Moment sehe ich das eher nicht, aber das Spannende an der Zukunft ist ja, dass sie ungewiss ist. Natürlich sind das hochinteressante Entwicklungen, und diese Lösungen werden auch einen Teil des Kuchens für sich beanspruchen, genauso wie andere neue Marktteilnehmer; auch dieses Thema haben wir sehr genau auf unseren Radaren.
Im Bankenbereich wird immer mehr weg vom Berater hin zur Digitalisierung verschoben. Wie sehr braucht es noch Versicherungsberater?
Wie viel Beratung – und damit auch wie viel Berater – es braucht, entscheiden einzig und allein und souverän die Kunden. Gute und engagierte Berater mit ausgezeichneten direkten Kundenbeziehungen sind ein riesen Asset für jedes Unternehmen; sehen Sie sich
Apple an. Wenn sich Zeiten, Technologien und damit Wünsche und Bedürfnisse ändern, ist es essenziell, nah am Kunden zu sein und gemeinsam in die neue Welt zu gehen. Die Apple Stores sind nicht zufällig entstanden, sondern aus der Überlegung, die Kunden nicht allein zu lassen, sondern als Unternehmen dorthin zu gehen, wo der Kunde es erwartet und braucht. Wir denken an einen gemeinsamen Aufbruch, bei dem der ‚vor Ort‘-Anspruch von Uniqa eine unverändert wichtige Rolle spielt. Es geht darum, unseren Kunden das Leben zu erleichtern und immer, überall und zu jeder Zeit über alle Kanäle das anzubieten, was der Kunde braucht und nicht darum, Berater durch Technologie zu ersetzen. Das ist für uns keine Kategorie, in der wir denken.
In welcher Branche ist Ihrer Meinung nach die Digitalisierung am weitesten fortgeschritten?
Digitalisierung wird oft missinterpretiert; in Summe geht es darum, dass ein Unternehmen (auch und das ist für viele neu) zum Informations-Unternehmen wird und mit dem Produktionsfaktor Information richtig umzugehen lernt. Ein auf Informationen basierendes Geschäftsmodell funktioniert fundamental anders als bekannte Geschäftsmodelle, die auf Knappheit oder ‚Trägheit‘ der Assets beruhen. Digitalisierung und die damit verbundene Ausrichtung eines Unternehmens auf einen neuen Hauptproduktionsfaktor, der unendlich oft replizierbar und verteilbar ist, erfordert auch neue Management-Kapazitäten in Unternehmen. Viele Unternehmen haben dafür die Voraussetzungen geschaffen, jetzt beginnt erst die Arbeit. Ich bin auch überzeugt, dass das Geheimnis des zukünftigen Erfolgs darin liegen wird, nicht mehr von in sich getrennten Branchen zu sprechen. Die sinnvolle Vernetzung von Branchen, Technologien und Angeboten ist das, worauf es ankommen wird. Plattformen werden auf breiter Basis geschaffen, weil sie am besten in der Lage sind, den Kundenbedürfnissen in komplexen Zeiten zu genügen und den Menschen das Leben erleichtern können. Wir prüfen zurzeit sehr genau, welche Rolle wir dabei spielen werden.
Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus Ihrer Arbeit in Medien für Ihren neuen Job mit?
In gewisser Hinsicht sind heute alle Unternehmen Medienunternehmen. Kommunikation und ein neuer, offener und authentischer Dialog eines Unternehmens mit seiner Zielgruppe sind zentrale Punkte für ein neues Kommunikationsverständnis von Unternehmen. Wir müssen lernen, in Beziehungen zu denken und nicht nur in Touchpoints, wo Geld verdient werden kann. Dazu kommt, dass Medien äußerst wertvolle Assets besitzen. Eine hohe Contact-Base und Impulskraft – wenn man es richtig macht. Wenn man dann noch versteht, dass wir in einer Real-time-Transaktionswirtschaft leben, weiß man, was man hinsichtlich Media-Technologien und im Transaktions-Design zu tun hat, um einen interessierten Rezipienten von Content in eine für ihn wertvolle Beziehung mit dem Unternehmen zu führen. Das alles muss natürlich in Daten, Algorithmen, personalisierten Angeboten und zuletzt Umsatz und Begeisterung des Kunden münden. Medienstrategien werden uns also helfen, gemeinsam mit unseren Kunden, die Welt eine Spur besser oder einfacher machen.