Ich stimme der Verwendung von Cookies zu. Auch wenn ich diese Website weiter nutze, gilt dies als Zustimmung.

Bitte lesen und akzeptieren Sie die Datenschutzinformation und Cookie-Informationen, damit Sie unser Angebot weiter nutzen können. Natürlich können Sie diese Einwilligung jederzeit widerrufen.






DHK Chef Thomas Gindele im Talk zu Aspekten des österreichischen Kapitalmarkts (Christian Drastil für das Börse Social Magazine)

12807 Zeichen

Thomas Gindele, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Österreich, war der Partner bei unserem Mini-
Magazine „Österreich-Tour nach Stuttgart“. Im Interview spricht er über eine magische Marke im Aussenhandel, die Industrie als Wachstumstreiber, die Bedeutung der Messen, aber auch einen fast abgefahrenen Zug.

Lieber Herr Gindele, stellen Sie doch den Magazine-Lesern bitte kurz die Schwerpunkte der Deutschen Handelskammer in Österreich vor.

Thomas Gindele: Die Deutsche Handelskammer ist die Schnittstelle, wenn es darum geht, aussenwirtschaftliche Beziehungen zwischen Österreich und Deutschland zu forcieren. Die Aufgabe ist es, die bestehenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern weiter zu verfestigen und auszubauen sowie die Kontakte zwischen den Unternehmen aus Österreich und Deutschland zum Aufbau von Geschäftsbeziehungen herzustellen. Zum anderen ist es auch unsere Aufgabe, ein Netzwerk, das insbesondere die Beziehung beider Länder widerspiegelt, zu organisieren. In dieses Netzwerk wollen wir Themen hineinbringen, die insbesondere die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen Österreichs mit Deutschland betreffen; da gehören natürlich auch Rahmenbedingungen und infrastrukturelle Themen dazu, die manchmal hinderlich sind und einer guten Entwicklung entgegenstehen. Dazu sind wir tagtäglich ein Dienstleister für Unternehmen in Deutschland und Österreich, da geht es um die gesamte Palette des Sich-Präsentierens, zb Messen.  Weiters haben wir steuerliche,  rechtliche und institutionelle Rahmen betreffende Aufgaben. Wir betreuen pro Jahr um die 10.000 Firmen, die mit Fragestellungen an uns herantreten.

Sie vertreten also ebenso die Interessen der Deutschen in Österreich?

Ja, das ist ebenso ein Bestandteil, wir vertreten sowohl die Interessen der Wirtschaftspolitik Deutschlands, wenn es übergeordnete Interessen gibt, als auch die Interessen der Mitglieder. Das sind dann Firmen aus Deutschland und Österreicher, die mit Deutschland verbunden sind. Das vertreten wir gleichermassen. Wir stellen auch ein hohes Mass an Übereinkunft fest, was die gemeinsame Interessenlage betrifft.

Ich nehme an, der Schwerpunkt liegt im industriellen Bereich ...

Ja, Schwerpunkt ist die Industrie, was schlechthin an der hohen Industriequote der beiden Länder liegt. Es ist aber auch aus der Tradition heraus gewachsen, dass Österreich in vielerlei Hinsicht Zulieferland für verschiedenste Branchen, zB Automobil oder Maschinenbau, für Deutschland ist. Das ist historisch gewachsen und bis heute bewährt. Heute freut sich jeder, dass wir in Österreich und Deutschland sehr gute Industriestandorte haben. Auf der einen Seite hat die Industrie aufgezeigt, dass sie für unser Wirtschaften als Beschäftigung/Arbeitsmarkt extrem wichtig ist und zum anderen ist sie der Innovationstreiber in beiden Ländern .

Anfang April gab es in Stuttgart eine grosse Finanzmesse, für diese haben wir ja mit Ihrer Unterstützung eine Österreich-Tour gemacht, jetzt im Mai macht ein Deutscher in Wien einen Börsentag. Spielen Sie bei Finanzmessen eine Rolle?

Wir vertreten die Messe Stuttgart, der Börsentag in Österreich ist noch neu. Es ist uns ein grosses Anliegen, österreichische Besucher und Aussteller auf eine Messe wie Stuttgart zu bringen. Generell haben wir die Situation - und das nicht nur im Finanzbereich, dass Deutschland der weltweit führende Messestandort ist: Zu rund zwei Drittel sind es Industriegütermessen, zunehmend aber auch im Bereich von eben Finanz, Versicherungen oder Immobilien bzw. auch dem Dienstleistungssektor, wo interessierte Anbieter sich austauschen. Interessanterweise - ein Plädoyer für die Messen - haben diese trotz des intensivierten Angebots über Internetplattformen nie an Bedeutung verloren. Im Gegenteil: Die Zusammenkunft auf den Messen, die Gespräche, das Ansehen der Produkte haben sogar an Wert gewonnen. Die Digitalisierung hat im Messewesen  Einzug gehalten, der Weg zur Messe, bei der Anmeldung bis zur Registrierung ist sehr digital, da wird schon viel vereinfacht, die Messe an sich ist als Anlaufstelle extremst behauptet. Wie haben Sie Stuttgart wahrgenommen?

Rundherum ein digitales Spektakel, aber die Messe selbst fand ich angenehm Old School. Haben Sie Zahlen zum Gesamtvolumen der Messen in Deutschland parat?

Wir haben in Deutschland im vergangenen Jahr Zuwächse sowohl bei den Besuchern als auch bei den Ausstellern gehabt, insgesamt sind allein 2016 mehr als 10 Millionen Ausstellungsbesucher zu deutschen Messen gekommen, 191.000 Aussteller waren präsent. Auch wir selbst stellen fest, dass gerade die österreichische Wirtschaft auf diesem Gebiet hervorragend unterwegs ist. Messen sind für Österreicher nach wie vor das wichtigste Instrument, um mit dem Kunden eine direkte Beziehung einzugehen, wir sehen eine hohe Messeaffinität und viele Österreicher in Deutschland.

Sie haben die Automobilzulieferer aus Österreich erwähnt;  voestalpine, Polytec, ich wechsle zum Stichwort Immobilien: Sieht man sich eine Buwog oder S Immo an, so ist Berlin neben Wien gleichwertig. Im Wohnimmobilienbereich ist conwert von Vonovia übernommen worden.. Welche Rolle hat die DHK im Immobilienmarkt D/A?

Wir haben hier vor allem eine informative Rolle, die Immobiliendeveloper sind extrem spezialisiert und hervorragend über die Strukturen in Österreich und Deutschland informiert, ich glaube, eine Immobilieneinschätzung wird mit Bravour gemacht. Die Portfolios wandern dorthin, wo Renditen möglich sind, das scheint in den vergangenen Jahren in den urbanen Räumen in Deutschland gut möglich gewesen zu sein, insbesondere auch auf dem von Ihnen erwähnten Standort. Wir weisen darauf hin, dass diese Geschäftsmodelle und der Informationsaustausch sehr gut entwickelt sind und es ist natürlich Kerngeschäft der Immobilienentwickler, ganz nahe am Markt dran zu sein. Wir spielen, was Projekte betrifft, keine aktive Rolle.

Wieviele aktive Mitglieder hat die DHK in Österreich?

1500 Mitglieder, wünschenswert wäre, dass alle aktiv teilnehmen, obwohl wir ohnedies eine sehr hohe Anzahl aktiver Teilnehmer haben. Ich bin froh, dass österreichische und deutsche Unternehmen dabei sind, die einfach wegen der Aussenwirkung mitmachen, weil sie die Aufgaben der Kammer beim Aufbau und der Entwicklung der bilateralen Beziehungen solidarisch unterstützen. Ich räume ein, dass wir wahrscheinlich jetzt nicht dafür verantwortlich gemacht würden, dass ein Einzelhandelsunternehmen, das bei uns Mitglied ist, im nächsten halben Jahr mehr Umsatz macht, das wäre zu hoch gegriffen. Aber auch die Einzelhandelsunternehmen wissen sehr zu schätzen, dass wir vieles unternehmen, was die Geschäftsbeziehung intensiviert, gegenseitig die Verständnislage verbessert, aber auch die kritischen Punkte anspricht. Dazu das Netzwerken.

Halten sich die 1500 Mitglieder in etwa die Waage, was Österreich und Deutschland betrifft?

Ja, fast die Waage, wir haben ca. 700 mit Sitz in Deutschland und ca. 800 Mitglieder, die in Österreich sitzen mit dem Schwerpunkt Wien, NÖ, OÖ und Salzburg. Von diesen sind sicher einige auch Tochtergesellschaften deutscher Konzerne und hier mittelgross aktiv. Wir haben pro Jahr ca. 60 Anlässe zum Austausch. Wir bieten zB die führende Plattform, wenn es um die Digitalisierung zwischen Österreich und Deutschland geht, ein deutsch-österreichisches Technologieforum mit Unternehmern und auch Wissenschaftern. Es geht darum, gegenseitig voneinander lernen zu können.

Ab welchem Jahresbeitrag ist man dabei?

Das ist überschaubar, je nach Firmengrösse beginnt das bei 400 Euro und endet bei 1050 Euro pro Jahr, für eine Kammermitgliedschaft sind das überschaubare Beiträge.

Wie sehen Sie die DACH-Region aktuell im internationalen Wettbewerb der Industrien?

Da könnte man jetzt die Fakten sprechen lassen, die DACH-Region ist natürlich eine wirtschaftlich sehr starke und auch innovative bzw. im Moment - mehr mit Deutschland/Schweiz - auch wachstumstreibende Region. Die Schwerpunkte sind wie erwähnt Maschinenbau, Automobil, Pharma, Chemie, da gibt es eine internationale Führungsrolle, weil wir eine hohe Innovationskraft innerhalb der Unternehmerschaft haben. Kritisch angemerkt werden muss, dass die Standortbedingungen nicht immer optimal sind, das würde politisch stärker unterstützt werden müssen. Neidlos muss man anerkennen, dass die wettbewerbsfähigsten Strukturen in der Schweiz vorherrschen, weil die Schweizer viel effizienter mit ihren Ressourcen umgehen und auch viel stärker auf Wettbewerbsfähigkeit schauen. Das Individuum ist in der Gesellschaft stärker als eigenverantwortlich und vorausschauend positioniert. So sehen wir, dass die Schweiz trotz der - was den Wettbewerb betrifft - nachteiligen Währung mit extrem kompetitiven Strukturen punktet. Da glaube ich, können sich Deutschland und vor allem Österreich einiges abschauen. Deutschland profitiert zweifelsohne durch verschiedenste externe Rahmenbedingungen und ist ein innovativer Standort, in den vergangenen 10 bis 15 Jahren wurden auch Anreize geschaffen. Von Haus aus waren wir immer sehr stark bei industrieller Digitalisierung und Automatisierungen. Wenn wir eine Diskussion über Amerika führen, wenn Handelseinschränkungen kommen sollten, darf Amerika auch nicht vergessen, dass ein nicht unwesentlicher Teil der herstellenden Industrie in den USA auch auf unsere DACH-Unternehmen angewiesen ist. Neben der zweifellos günstigen Euro-Situation, neben verhältnismässig günstigen Rohstoffpreisen funktioniert der Aussenhandel gut. 

Und wie gut funktioniert der Aussenhandel zwischen Österreich und Deutschland?

Der  bleibt ein Aushängeschild in der Intensität. Die Marke von 100 Mrd. Euro wurde 2016 nur ganz knapp verfehlt ...

Also muss doch für heuer ein neuer Rekord drin sein, das Q1 müsste ja eigentlich gut gelaufen sein, Stichwort Wachstumszunahme in Österreich …

Ja, wir sind zuversichtlich, dass das Ziel 100 Mrd. im Jahr 2017 erreicht werden kann, es fehlten glaube ich nur 200 Millionen, die 100 Mrd. im bilateralen Austausch wären schön.

Und das wäre natürlich auch All-time-High, richtig?

Ja, das wäre ein Höchstwert. 

Interessant, die Wiener Börse hat auch vor kurzem diese 100 Mrd. geknackt, dort bei der Market Cap. Zu Zukunftsthemen: Nokia war mal gross, bis auf eine Laufapp aus Oberösterreich in Besitz eines DAX-Unternehmens gibt es im Bereich Internet, Smartphone und Apps aber jetzt nicht allzu viel aus Europa. Wie sehen Sie das?

Man ist fast dazu verleitet, zu sagen, dass der Zug abgefahren ist. Wir sind in der DACH-Region darauf ausgerichtet, diesen Vorsprung, den wir zweifelsohne von US-amerikanischen aber auch einigen asiatischen Ländern sehen, wieder aufzuholen. Ich gebe aber zu, dass die genannten Regionen bei den Strukturen weit vorne sind auch in puncto In-

vestments. Das wird uns sehr schwer fallen. Man soll aber nicht aufgeben. Der Kernpunkt ist die Software, eine Chance sehe ich da, wenn es um industrielle Anwendungen geht, da gibt es auch in Europa starke Unternehmen wie zB SAP, die sind auch international ganz gut unterwegs. Aber das tagtägliche Innovative, etwas nicht Funktionierendes zu entwickeln und trotzdem weiterzumachen …

... also Trial and Error ...

… genau. Das funktioniert hier leider nicht, das sehen wir mit - Neid möchte ich nicht sagen -  Anerkennung. Kleine Highlights gibt es aber auch bei uns. Ich glaube nicht, dass es an der Fähigkeit mangelt, ich denke, dass wir gut ausgebildet sind, innovativen Geist  haben wir auch. Das einzige, was man gerade spezifisch für Österreich auch sagen muss: Es braucht mehr Freiräume in den Rahmenbedingungen. Die Regularien hierzulande sind schon erdrückend. Es dauert lange, bis man überhaupt anfangen kann. Genehmigungen und Gewerbeordnungen sind nicht gerade innovationsfördernd, da gehört entsorgt.

Ist Österreich da schlechter aufgestellt als Deutschland und die Schweiz?

Durch die Gewerbeordnung ja. Es wird aber auch anders argumentiert. Man sollte nur noch jene Bereiche mit einer Gewerbeordnung versehen, wo es wirklich um Fähigkeiten geht, damit keine Gefährdung anderer Menschen riskiert wird: zB bei einem Elektriker erscheint mir das logisch. Insgesamt wäre ein grober Schnitt sinnvoll, den hat Deutschland vor 10 Jahren gemacht, dort gibt es nur etwas mehr als eine Hand voll reglementierter Gewerbe. In Österreich sagt man, das ist nicht gut, weil zu Lasten der Qualität und zu Lasten der Ausbildung. Ich bin mir sicher, dass man für diese Argumente Beispiele finden kann, man darf aber im Gegenzug die internationalen Beispiele, die entwickelt werden konnten, weil die Gewerbeordnung eben keine Steine in den Weg gelegt hat, auch nicht unerwähnt lassen. Die Gewerbeordnung zu reformieren bräuchte auch mehr Input aus der Wirtschaft heraus, aber das ist ja auch Schutzmechanismus.

 

Aus dem "Börse Social Magazine #4" - 1 Jahr, 12 Augaben, 77 Euro. Ca. 100 Seiten im Monat, ca. 1200 Seiten Print A4


Seiten und Bilder aus dem Magazine (Navigieren mit Klick oder den Cursor-Tasten, Wischen am Smartphone)
„Die 100 Mrd. schaffen wir“ - DHK Börse Social Magazine #04

Sample page 1 for "„Die 100 Mrd. schaffen wir“ - DHK Börse Social Magazine #04"

„Die 100 Mrd. schaffen wir“ - DHK Börse Social Magazine #04

Sample page 2 for "„Die 100 Mrd. schaffen wir“ - DHK Börse Social Magazine #04"

„Die 100 Mrd. schaffen wir“ - DHK Börse Social Magazine #04

Sample page 3 for "„Die 100 Mrd. schaffen wir“ - DHK Börse Social Magazine #04"


Random Partner

UBM
Die UBM fokussiert sich auf Immobilienentwicklung und deckt die gesamte Wertschöpfungskette von Umwidmung und Baugenehmigung über Planung, Marketing und Bauabwicklung bis zum Verkauf ab. Der Fokus liegt dabei auf den Märkten Österreich, Deutschland und Polen sowie auf den Asset-Klassen Wohnen, Hotel und Büro.


>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner







Aus dem Börse Social Magazine #04
(April 2017)





Börse Social Magazine Abo

1 Jahr, 12 Augaben, 77 Euro.
Ca. 100 Seiten im Monat, ca. 1200 Seiten Print A4 gesamt. Das Abo endet nach Ablauf automatisch.
by the way: Die Heftrücken aneinandergereiht werden im Bücherregal den ATX TR-Chart ergeben, der rote Balken ist stets der Stand vom Monatsultimo.
>> Abo bestellen


Prime Content Magazine