07.11.2024, 9007 Zeichen
Linz (OTS) - Der Winter steht vor der Tür und die
Heizsaison hat mit
Anfang November bei tiefen Temperaturen Fahrt aufgenommen. Dazu
mischt sich eine Diskussion über das seit mehr als 20 Jahren
bestehende Tarifsystem, weil es erstmals auch bei den Netztarifen zu
deutlichen Steigerungen kommen wird. Michael Haselauer,
Geschäftsführer der Netz Oberösterreich, traf beim Energiepolitischen
Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit am 7. November
2024 zwei Grundaussagen: âDie Versorgung mit Strom und Gas in der
jetzt angelaufenen Heizsaison ist gesichert. Und das Tarifsystem hat
sich über 20 Jahre bewährt, doch jetzt sind Anpassungen notwendig.
Diese sind bereits vorbereitet und müssen nur mehr umgesetzt werden.â
Für die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte
Ederer, stellt Verlässlichkeit bei der Energieversorgung, aber auch
bei den Energiekosten, eine wesentliche Forderung dar: âDie Menschen
in diesem Land brauchen die Gewissheit, dass Strom und Gas zur
Verfügung stehen, wenn sie sie brauchen. Und sie haben das Recht, im
Fall von Tariferhöhungen zu erfahren, was der Grund dafür ist und was
sie im Gegenzug dafür erhalten.â
Zwtl.: Wie funktioniert die Finanzierung der Netze?
Bei der Marktliberalisierung vor mehr als 20 Jahren wurde aus
volkswirtschaftlicher Sicht entschieden, die Energienetze für Strom
und Gas von den Energievertrieben zu trennen. Den Netzbetreibern
wurden natürliche Monopole zuerkannt, weil es volkswirtschaftlich
keinen Sinn machen würde, z.B. beim Wechsel des Energielieferanten
neue Leitungen bauen zu müssen. Die Netze müssen allen Lieferanten
offenstehen, dafür können die Entgelte für die Benutzung von den
Netzbetreibern nicht nach eigenem Ermessen festgelegt werden.
Für die Höhe der Entgelte (âNetztarifâ) ist die
Regulierungsbehörde e-Control zuständig. Diese ermittelt Jahr für
Jahr im sogenannten Kostenermittlungsverfahren, der jährlichen
âBetriebsprüfungâ der Netzbetreiber, die angemessenen Kosten. Im
Detail werden die Aufwände für den laufenden Betrieb und die
getätigten Investitionen geprüft. Erst wenn anerkannt wird, dass
sparsam und im Sinne der Konsumenten (=Netzbenutzende) gehandelt
worden ist, wird anhand dieser Kosten das Netzbenutzungsentgelt für
das Folgejahr festgelegt. Die jetzt in den vergangenen beiden Jahren
merkbar gestiegenen Aufwändungen durch die allgemeine Inflation
finden sich also auch - mit rund einem Jahr Verzögerung - in den
verordneten Entgelten wieder. Die E-Control fasst diese Erkenntnisse
zusammen und schlägt dann die Höhe der Entgelte für das Folgejahr
vor. Diese werden dann von der durch die Bundesregierung eingesetzte
Regulierungskommission geprüft und verordnet.
âJeder Netzbetreiber ist auÃerdem zur gröÃtmöglichen Effizienz
angehalten, denn die ermittelten Aufwände werden mit jenen der
anderen Netzbetreiber in ein Vergleichssystem eingebracht, in dem nur
der effizienteste Netzbetreiber 100% der Kosten refundiert bekommtâ,
erklärt Haselauer. âWer nicht ausreichend effizient ist, muss mit
prozentuellen Abschlägen rechnen.â Aktuell stellen aber die
Effizienzkriterien ausschlieÃlich auf Abgabemengen und NetzkenngröÃen
ab, Netzinvestitionen zur Erhöhung der Einspeisekapazitäten sind noch
nicht entsprechend berücksichtigt. Um auch zukünftig Anreize für
Netzbetreiber zu geben, noch besser und noch effizienter zu werden,
müssen im Regulierungsmodell der âAnreizregulierungâ
Weiterentwicklungen vorgenommen werden.
Das aktuelle Regulierungsmodell ist seit der Marktliberalisierung
vor mehr als 20 Jahren im Wesentlichen gleich geblieben: Die Kosten
für die Energienetze werden auf die verschiedenen Netzebenen verteilt
und dort auf die verbrauchten Kilowattstunden aufgeteilt. In diesem
Modell sind die Rahmenbedingungen, die sich in den vergangenen Jahren
durch den massiven Ausbau der dezentralen Erzeugungsanlagen (
vorwiegend Photovoltaik) grundlegend geändert haben (und noch weiter
verändern werden), aber nicht berücksichtigt.
Die Netzbetreiber haben bereits vor Jahren auf diese kommende
Veränderung hingewiesen und Alternativen vorgeschlagen, mit denen der
Leistungskomponente mehr Gewicht zugemessen wird. Diese
leistungsabhängigen Netztarife ermöglichen dann eine faire Aufteilung
der Kosten des Ausbaus. Nicht nur die verbrauchte Strommenge, sondern
auch die beanspruchte (Spitzen-)Leistung sollen im Netztarif
berücksichtigt werden. Weiters sollte das Tarifsystem Anreize für
Eigenproduktion und Eigenverbrauch liefern. Wenn die zahlreichen
Betreiber von privaten PV-Anlagen und âBalkonkraftwerkenâ ihren Strom
selbst verbrauchen und den Rest speichern, statt alles ins Netz
einzuspeisen, würde das die Netze entlasten.
Experten sind überzeugt, dass sich das Energiesystem in diese
Richtung weiterentwickeln wird - mit noch mehr Windenergie, noch mehr
Photovoltaik und noch mehr Batteriespeichern in den eigenen vier
Wänden oder in Energiegemeinschaften. Haselauer: âIm Sinne der
Allgemeinheit muss aber sichergestellt sein, dass alle, die das Netz
benutzen, auch einen Beitrag zu Ausbau und Erhalt der Netze leisten.
Aktuell finanzieren diejenigen, die nicht in eine eigenen PV-Anlage
investieren können, das Netz für die, die sich selbst versorgen
können. Es braucht dringend eine sozial gerechte Anpassung des
Systems, damit das Netz auch in Zukunft für alle leistbar bleibt.â
Zwtl.: Status Gasversorgung: Volle Speicher, leere Leitung?
Nachdem sich die Versorgungssituation mit Erdgas aus der
Russischen Föderation seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen
die Ukraine mehrfach verändert hat, wurden in Westeuropa zunehmend
MaÃnahmen zur Diversifizierung der Lieferketten unternommen. Nach wie
vor ist Ãsterreich aber zu einem groÃen Teil von der Versorgung mit
russischem Erdgas abhängig. Eine der GegenmaÃnahmen war die Bildung
einer strategischen Gas-Reserve in den heimischen Gasspeichern und
die direkte Anbindung eines GroÃspeichers an das oberösterreichische
Gasnetz.
Ende des Jahres droht allerdings die Pipeline-Verbindung von
Russland durch die Ukraine nach Westeuropa auszufallen. Die Pipeline-
Verträge der russischen Gazprom mit den ukrainischen Betreibern
laufen aus und aus heutiger Sicht ist anzunehmen, dass es angesichts
der kriegerischen Auseinandersetzung keine Erneuerung zwischen den
bisherigen Vertragspartnern mehr geben wird.
Haselauer: âÃsterreich hat hier MaÃnahmen getroffen, dass wir auf
jeden Fall im Winter keine Einschränkungen und keine Gefährdung der
Versorgung haben werden.â Vor allem die vollen Speicher, zusätzliche
Leitungskapazitäten in den bayrischen Raum aber auch der durch eine
abgeschwächte Wirtschaft gesunkene Inlandsverbrauch wirken hier
entspannend.
Zwtl.: Status Stromversorgung: Keine Angst vor dem Winter
Die Versorgung mit elektrischer Energie ist wie in den Vorjahren
sichergestellt. Ãber Jahrzehnte wurde die Infrastruktur sowohl auf
der Erzeugungsseite als auch auf der Seite des Stromtransportes
entsprechend leistungsfähig auf- und ausgebaut. Abhängig ist die
Versorgung trotzdem vom Dargebot und dem Bedarf.
Die Erzeugung von Strom aus Wind, Wasser und Sonne wird im Winter
regelmäÃig durch Import von Energie und Energie aus thermischen
Kraftwerken unterstützt. Hier wäre es sinnvoll z.B. die volle
Leistungsfähigkeit der installierten PV-Anlagen nutzen zu können.
Sprich: Leistungsbegrenzungen, die im Sommer für einen stabilen
Netzbetrieb erforderlich sind, wären im Winterhalbjahr durch
niedrigeren Sonnenstand und geringere -intensität in der Regel nicht
notwendig. âEs wäre sinnvoll, wenn wir im Winter den Netzzugang von
PV-Anlagen anders handhaben könnten - im Winterhalbjahr haben die
Stromnetze mit der vollen PV-Leistung eigentlich kein Problemâ, sagt
Haselauer. Es fehle allerdings der rechtliche Rahmen, diese MaÃnahmen
auch tatsächlich umzusetzen und im Sinne einer sauberen
Energiezukunft mit gröÃtmöglicher Unabhängigkeit nutzen zu können.
Ebenfalls anzudenken wäre eine rot-weiÃ-rote Speicherstrategie, um
groÃe, kleine und Heimspeicher entsprechend umzusetzen. Trotz der
Notwendigkeiten bei der Anpassung im System der Netzentgelte rät
Haselauer: âBei der eigenen PV-Anlage Sollte man den eigenen
Batteriespeicher immer mitdenken!â
Für den Umbau des (Raum-)Wärmesystems von fossilen Energieträgern
(Ãl, Gas) hin zu elektrisch betriebenen Heizungen (in der Regel sind
das Wärmepumpen), gibt es Notwendigkeiten, die Netze punktuell weiter
auszubauen. Mit diesen MaÃnahmen sollte der umfassende Wechsel hin zu
Wärmepumpen für die Stromnetze bewältigbar sein bzw. werden: Denn
moderne Wärmepumpen haben in der Regel kaum Leistungsspitzen und
verbrauchen gleichmäÃig über längere Zeiträume Energie. Haselauer:
âIm Stromnetz sind vor allem Gleichzeitigkeiten von Leistungsspitzen
problematisch.â
Das Forum Versorgungssicherheit ist die gemeinsame Plattform von
fünf Verteilernetzbetreibern: Wiener Netze, Netz Niederösterreich,
Netz Burgenland, Linz Netz und Netz Oberösterreich.
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