05.07.2022,
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Wien (OTS) - Der Erneuerbaren-Ausbau könne nur zu einer
österreichischen Erfolgsgeschichte werden, wenn Politik, Wirtschaft
und Bevölkerung an einem Strang ziehen – und das in dieselbe
Richtung, sagte
Michael Strugl im Rahmen von Oesterreichs Energie
Trendforum im Belvedere 21. Neben schleppenden Verfahren bremsen
derzeit vor allem fehlende Flächen für Erneuerbaren-Projekte den
Ausbau. Die Branche ist dennoch zuversichtlich: „Wenn wir schneller
werden, haben wir gute Chancen“, sagt Strugl.
Die Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft
wollen in Kraftwerke, Speicher und Netze investieren um so die
Energiewende voranzutreiben. Voraussetzung dafür seien geeignete
Rahmenbedingungen, insbesondere die Verfügbarkeit von Flächen und
zügige Genehmigungsverfahren. Das bekräftigte Oesterreichs Energie
Präsident Michael Strugl im Rahmen eines Oesterreichs Energie
„Trendforums“ am 29. Juni im Belvedere 21. Die Veranstaltung widmete
sich den Möglichkeiten und Hürden des Erneuerbaren-Ausbaus in
Österreich.
Zustimmung zu Erneuerbaren wächst
Oesterreichs Energie Generalsekretärin Barbara Schmidt betonte den
wachsenden Rückenwind für den Erneuerbaren-Ausbau in Österreich:
„Unserer Marktforschung zeigt, dass der Rückhalt für Erneuerbare in
der Bevölkerung noch nie stärker war als jetzt. Im vergangenen Jahr
haben alle Erzeugungstechnologien an Zustimmung gewonnen, jedem
zweiten Österreicher geht der Ausbau zu langsam. Es ist an der Zeit,
dass wir jetzt ins Umsetzen kommen.“
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen, um in entsprechende Projekte
zu investieren, seien gut, betonte Strugl: „Wir müssen nur dürfen.“
In diesem Zusammenhang begrüßte Strugl die Pläne der EU-Kommission
eigene Flächen für den schnellen Ausbau von Energie-Infrastrukturen
ausweisen zu lassen. Bei Projekten, die auf diesen Flächen errichtet
werden, sollen Genehmigungen binnen eines Jahres erfolgen. „Wenn wir
das in Österreich auch nur annähernd schaffen, ist es möglich, die
Ökostromerzeugung bis 2030 um 27 Terawattstunden zu steigern, wie es
das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz vorsieht“, so Strugl.
Flächen und Verfahren sind wichtigste Hürden
Das Problem: „Zurzeit dauert ein Genehmigungsverfahren für ein
Windrad im Durchschnitt acht Jahre, für Stromleitungen sind bis zu 20
Jahre zu veranschlagen: In diesem Tempo werden wir das 2030-Ziel
nicht erreichen. Wenn wir dagegen schneller werden, haben wir gute
Chancen.“
Beim Beitrag zur Zielerreichung sieht Strugl alle
Gebietskörperschaften in der Pflicht – vom Bund über die Länder bis
hin zu den Gemeinden. Notwendig sei allerdings, dass alle „an einem
Strang – und in dieselbe Richtung“ ziehen und mit den Unternehmen der
E-Wirtschaft zusammenarbeiten würden. Die Branche bekenne sich
selbstverständlich zur Berücksichtigung berechtigter Interessen in
den Genehmigungsverfahren, so Strugl. Für „professionelle
Verhinderungsstrategien, für deren Umsetzung sich schon fast so etwas
wie eine Industrie entwickelt hat“ habe man aber kein Verständnis.
Schulterschluss bei Genehmigungsverfahren möglich
Jürgen Schneider, Leiter der Sektion Klima und Energie im
Energieministerium (BMK), der Klima- und Energieministerin Leonore
Gewessler vertrat, betonte das schwierige politische und
wirtschaftliche Umfeld in dem derzeit Klima- und Energiepolitik
stattfindet. Die Zeit sei „unendlich dynamisch“, so Schneider. „Wir
durchleben die Klimakrise und gleichzeitig die Krise in der Ukraine.
Der breite gesellschaftliche Konsens in dieser Situation massiv in
Richtung Energiewende zu steuern ist deutlich spürbar.“ Auf
europäischer Ebene sei diesbezüglich kürzlich ein umfassendes
Klimaschutzpaket mit großer Mehrheit beschlossen worden, darunter der
medial breit thematisierte Ausstieg aus Verbrennungsmotoren bei PKW.
Laut Schneider herrschte im Rat der Energieministerinnen und
Energieminister eine bis dato kaum gekannte „Aufbruchsstimmung: Wann,
wenn nicht jetzt, muss die Energiewende vorangetrieben werden?“ Eine
ähnliche Stimmung sei auch in Österreich spürbar. Bei Förderungen von
Ökostromanlagen würden ebenso „Türen eingerannt“ wie bei Förderungen
zur Umstellung auf erneuerbare Heizsysteme. „Die Menschen wollen die
Energiewende. Sie bringt ihnen Versorgungssicherheit und ermöglicht
ihnen, ihre Energieversorgung in die eigene Hand zu nehmen“,
erläuterte Schneider.
Schneider betonte, dass das BMK allerhöchstes Interesse an einer
Beschleunigung der Genehmigungsverfahren habe. Die von Ministerin
Gewessler angekündigte Novelle zum Gesetz über die
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Gesetz) befinde sich laut
Schneider in politischer Abstimmung. Nun weiter nach möglichen
Schuldigen für lange Verfahrensdauern in der Vergangenheit zu suchen
sei sinnlos. „Wir brauchen einen Schulterschluss. Und ich bin
überzeugt, wir schaffen diesen“, so Schneider.
Energie wird Sicherheitsthema
Der niederösterreichische Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan
Pernkopf erkennt bei Energie eine Entwicklung vom Klimaschutz hin zu
einem Sicherheitsthema. Die Aufgabe der Politik sieht Pernkopf dabei
im Ausgleich von gesellschaftlichen Interessen und Zielkonflikten:
„Neulich waren an ein und demselben Tag zwei Delegationen bei mir.
Die eine überreichte mir eine Unterstützungserklärung mit 2.000
Unterschriften für den Windpark, die andere 2.500 Unterschriften
dagegen.“ Die Erklärungen zugunsten des Projekts seien vor allem aus
der betroffenen Region gekommen, viele ablehnenden Stellungnahmen
dagegen auch aus ganz anderen Teilen Österreich. Einsprüche gegen
Erneuerbaren-Projekte seien zwar legitim, sie müssten aber angemessen
gewichtet werden, forderte Pernkopf, sowie eine wirkliche
Beschleunigung der UVP-Verfahren und ein Ende so mancher
Blockadehaltungen. Trotzdem ist er optimistisch: „Derzeit wird fast
wöchentlich ein neuer Windpark in Niederösterreich eröffnet, zig neue
Anlagen werden heuer noch gebaut. Bis 2030 werden wir die
Windkraft-Leistung in Niederösterreich verdoppeln und die PV-Leistung
verzehnfachen. Erst vor wenigen Wochen haben wir dazu auch eine
weitreichende Deregulierung im Raumordnungsgesetz beschlossen, wonach
Dachanlagen bis zu einem Megawatt genehmigungsfrei sind.“
Verbesserungsbedarf ortet Pernkopf bei der Abwicklung der
Investitionsförderungen im Zuge des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes.
Diese sei zu kompliziert und sollte vereinfacht werden: „Weg vom
Bittstellerprinzip, bei dem aktuell zehntausende nicht zum Zug
kommen. Besser wäre es, wenn jeder und jede, die sich eine PV-Anlage
installiert, rückwirkend einen automatischen Bonus erhält.“
Beteiligte ernst nehmen
Sigrid Stagl, Ökonomin an der Wirtschaftsuniversität Wien und
Mitglied von „Scientists for Future“, warnte davor, Entscheidungen
über den Ausbau erneuerbarer Energien auf rein technischer Basis zu
fällen. Ebenso wichtig sei die gesellschaftliche Akzeptanz. Es gelte,
vom Prinzip „Not in my backyard“ (NIMBY) zum Motto „Please in my
backyard“ (PIMBY) zu finden. Im Hinblick auf die Richtung und die
Geschwindigkeit der Weiterentwicklung des Energiesystems sieht Stagl
weitgehend Einigkeit.
Bei der Umsetzung der Energiewende müssten folgende Punkte
berücksichtigt werden: „Erstens ist die Teilhabe der Menschen
wichtig.“ Diese dürfe jedoch nicht auf Alibihandlungen hinauslaufen,
sondern müsse echte Beteiligung ermöglichen. Entsteht bei den
Beteiligten der Eindruck, dass ihre Anliegen ernst genommen werden,
„kann sehr viel gelingen“. Zweitens gelte es, mit den Menschen über
die Möglichkeiten im Rahmen der Energiewende zu sprechen,
gleichzeitig müssten sie aber auch über die damit verbundenen
Notwendigkeiten und die Konsequenzen aufgeklärt werden: „Wir brauchen
geeignete Prozesse, damit die Menschen bei der Energiewende selbst
aktiv werden können. Noch haben wir diese nicht.“ Drittens sei es
notwendig, nicht nur erneuerbare Energien auszubauen, sondern die
Energienachfrage müsse ebenfalls massiv verringert werden.
Das Nötige tun
Christian Berg, Physiker, Philosoph, Theologe und ehemaliger
Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, betonte, die
Alternativlosigkeit des Erneuerbaren-Ausbaus angesichts der
zahlreichen Krisen von der Covid-Pandemie über Inflation und
Klimawandel bis hin zum Krieg in der Ukraine. Zudem berge jede Krise
auch ihre Chancen. Deutschland beispielsweise habe nach dem
Reaktorunglück von Tschernobyl im Frühjahr 1986 sein erstes
Bundesumweltministerium eingerichtet und nach dem Unglück von
Fukushima den Atomausstieg beschlossen.
Völlig zurecht fordere nunmehr die EU-Kommission, die Energiewende
zu beschleunigen, und in diese Richtung gehe ebenso der Plan
Energieministerin Gewesslers zur Novellierung des UVP-Gesetzes.
Widerstand gegen die Wende werde man aushalten müssen. „Es gibt
einfach Dinge, die wir tun müssen“, so Berg. Angesichts der Dramatik
der Lage haben niemand mehr Verständnis für Erklärungen und Ausreden.
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