06.07.2022,
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Wien (OTS) - Die negativen Auswirkungen des Ukraine-Krieges treffen
die Volkswirtschaften der 23 Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas
(CESEE) unterschiedlich stark. Das zeigt die neue Sommerprognose des
Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw).
Vergleichsweise resilient zeigen sich nach wie vor die 11
EU-Mitglieder der Region. Trotz hoher Inflation, Energiekrise,
Lieferketten-Problemen und nachlassender Dynamik in der Industrie
sollten sie heuer eine Rezession vermeiden können und im Schnitt mit
3,3% wachsen. Hauptstütze der Konjunktur ist in diesen Ländern der
private Konsum, während der Export schwächelt. Auch die sechs
Westbalkan-Staaten (2,9%) und die Türkei (2,7%) wachsen 2022, wenn
auch schwächer als im Vorjahr.
Anders sieht das Bild für die Ukraine, Russland, Belarus und die
Republik Moldau aus. Besonders tief ist der Einbruch heuer in der
Ukraine, die mehr als ein Drittel ihrer Wirtschaftsleistung verlieren
dürfte. Russland kommt mit einem BIP-Minus von 7% vorerst
glimpflicher davon als in unserer Frühjahrsprognose (-9% im
Basisszenario) angenommen. In Belarus (-4,5%) manifestieren sich die
Auswirkungen der westlichen Sanktionen aufgrund der Unterstützung für
Russland. Auch die Republik Moldau leidet (-1%).
Zwtl.: Ukraine: Blockade der Schwarzmeerhäfen befeuert
Nahrungsmittelkrise
Der Krieg hat nach wie vor verheerende Auswirkungen auf die
ukrainische Wirtschaft. Die Schäden durch die Zerstörung von Gebäuden
und Infrastruktur belaufen sich auf mittlerweile rund 60% des
Vorkriegs-BIP von 2021. Während sich die Ukraine an die neue
Kriegsrealität anpasst, beginnt sich die Wirtschaftstätigkeit sowohl
im verarbeitenden Gewerbe als auch im Dienstleistungssektor langsam
zu erholen. Dennoch ist die Kapazitätsauslastung nach wie vor 40%
niedriger als vor Kriegsbeginn. Das Budgetdefizit wird in diesem Jahr
voraussichtlich 20% des BIP erreichen. Der Großteil davon wird durch
Kredite finanziert, was Risiken für die Tragfähigkeit der
Staatsverschuldung birgt. „Eines der größten Probleme ist die
Blockade der Schwarzmeerhäfen. Sie verhindert den Export eines
Großteils des ukrainischen Getreides, was die weltweiten
Lebensmittelpreise weiter in die Höhe treiben wird“, sagt Olga
Pindyuk, Ökonomin und Ukraine-Expertin am wiiw sowie Hauptautorin der
Sommerprognose. Der kürzlich gewährte EU-Beitrittskandidaten-Status
ist ein positives Signal und dürfte die Reformanstrengungen
mittelfristig voranbringen.
Zwtl.: Russland: Schock auf Raten
Russland hat die Sanktionen bisher besser verkraftet, als im
Frühjahr abzusehen war. Stark gesunkene Importe und nach wie vor hohe
Einnahmen aus dem Energieexport haben den Rubel gegenüber dem Euro
und dem US-Dollar auf ein neues Fünfjahreshoch getrieben. Russlands
Rezession wird heuer mit -7% etwas seichter ausfallen als im Frühjahr
(-9% im Basisszenario) prognostiziert. Der starke Rubel und die
Konsumzurückhaltung der Bevölkerung dämpfen auch die Inflation, die
wir für 2022 neu bei rund 16% sehen. Kurzfristig hat das Land vom
beschlossenen EU-Ölembargo über die weiter gestiegenen Ölpreise
zusätzlich profitiert. „Allerdings zeichnet sich in Russland ein
ökonomischer Schock auf Raten ab. Man konnte zwar den Einbruch
bremsen, der volle Effekt der westlichen Handelssanktionen wird aber
erst allmählich schlagend“, gibt Vasily Astrov, Senior Economist und
Russland-Experte am wiiw, zu bedenken. Die Produktionsausfälle in der
Industrie aufgrund fehlender westlicher Komponenten sind schon jetzt
dramatisch. „Dort, wo das noch nicht der Fall ist, ist es nur eine
Frage der Zeit, da sich die Lagerbestände in rasendem Tempo leeren“,
so Astrov. Auch das EU-Öl-Embargo könnte sich 2023 negativ auswirken.
Zwtl.: Hohe Inflation und Energiekrise dämpfen Wachstumsaussichten
Im Mai stieg die Inflation in allen 23 von uns beobachteten
Ländern der CESEE-Region mit Ausnahme Sloweniens im zweistelligen
Bereich. Einsamer Spitzenreiter ist die Türkei, der heuer eine
Inflation von rund 68% droht, was auf die extrem negativen Realzinsen
und die starke Rohstoffpreisinflation zurückzuführen ist. Allerdings
dürften auch die EU-Mitglieder der Region 2022 eine Teuerung von im
Schnitt rund 11% sehen. Die Lebensmittelpreise steigen trotz
regulierter Preise in einigen Ländern mit zweistelligen Raten. Ein
wesentlicher Grund dafür ist das verknappte Angebot auf den
Weltmärkten durch den Ausfall der ukrainischen und russischen
Agrarexporte. Die kriegsbedingte Verknappung von Düngemitteln könnte
die Getreideproduktion in vielen Ländern einschränken und die
Nahrungsmittelkrise weiter verschärfen.
Besorgniserregend ist der Umstand, dass mittlerweile auch die
Kerninflation (exklusive Lebensmittel und Energie) in der
CESEE-Region anzieht. Das lässt darauf schließen, dass die Teuerung
nicht nur von einem verknappten Angebot und Lieferketten-Problemen
getrieben wird. Gesamtwirtschaftlich betrachtet reduziert die immer
höhere Inflation die Wachstumsaussichten der Region, weil sie die
Realeinkommen der Bevölkerung schmälert. Sollten Öl und Gas im Winter
rationiert werden müssen, könnte Osteuropa in eine Rezession
schlittern.
Zwtl.: Österreich: Kriegsfolgen durch Verflechtung mit Osteuropa
stärker spürbar
Als kleine, offene Volkswirtschaft, die mit Osteuropa in vielen
Bereichen eng verflochten ist, wird Österreich die negativen
Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine
zunehmend spüren. Die stark steigende Inflation, die Verschlechterung
des Geschäftsklimas und die besonderen Herausforderungen, mit denen
österreichische Unternehmen in Russland, der Ukraine und Belarus
konfrontiert sind, machen dies bereits deutlich.
Während ein Großteil der CESEE-Region bisher eine beeindruckende
ökonomische Widerstandsfähigkeit gezeigt hat, wird diese Resilienz
nachlassen, auch bei wichtigen österreichischen Handelspartnern wie
Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei. Die zunehmend negativen
Aussichten für Deutschland, dem bei weitem wichtigsten Handelspartner
Österreichs, deuten außerdem darauf hin, dass der externe Gegenwind
für die österreichische Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte
stärker werden wird.
Kurzfristig besteht für Österreich die größte Herausforderung in
der hohen Abhängigkeit von russischem Erdgas. Vor allem die Industrie
würde unter einem Gaslieferstopp massiv leiden. „Russland hat Energie
bereits als Waffe eingesetzt. Für den kommenden Winter können wir
daher nichts ausschließen", sagt Olga Pindyuk.
Heikel ist auch die hohe Abhängigkeit von Erdöllieferungen aus
Kasachstan. Rund 40% und damit der Löwenanteil der österreichischen
Ölimporte stammen aus dem zentralasiatischen Land. Das kasachische Öl
wird über russisches Territorium transportiert. Russland könnte diese
Lieferungen jederzeit blockieren.
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