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Tokenisierung bietet post-Covid große Chancen für Unternehmen und Anleger

26.10.2020, 8469 Zeichen

Auch wenn sich die internationalen Börsen nach dem Schock im März 2020 zwischenzeitlich einigermaßen erholt haben, bleiben die Unsicherheiten für die Weltwirtschaft bestehen. Es ist zu deshalb erwarten, dass Investoren in Startups, Venture Capital oder Private Equity auch in den nächsten Monaten eher zurückhaltend sein werden. Auch eine andere alternative Assetklasse – Plattformen und Unternehmen, die sich auf die Finanzierung von KMU über Security Token spezialisiert haben – dürfte noch eine längere Durststrecke vor sich haben. Das ist umso bedauerlicher, da sich die Security Token-Branche just vor Covid-19 dynamisch entwickelt hat. 

Kann die Security Token-Branche diesen Dämpfer verkraften? Oder wird Covid-19 ihr sogar zusätz­lichen Schub verleihen? 

Tokenisierung bietet gerade jetzt wichtige Alternativen in der Finanzierung und Geldanlage. Aus ökonomischer Sicht sprechen zwei Argumente dafür, dass die Assetklasse weiteren Auftrieb erhält: 

Zum einen werden bestehende Unternehmen ­einen erhöhten Finanzierungsbedarf haben. Unternehmen, die als Gewinner aus der Pandemie hervorgehen, werden Wachstumskapital suchen, andere benötigen für die Aufrechterhaltung ihres Betriebs ­Liquidität. ­Große Unternehmen nutzen dafür die klassischen Kapitalmärkte oder Bankkredite, doch für KMU sind der hohe Verwaltungsaufwand, die hohen Umsetzungskosten für den Zugang zum Kapitalmarkt im Vergleich zum relativ kleinen Volumen meistens zu hoch und Bankkredite schwierig zu erlangen. Für sie bietet die Blockchain grundsätzlich die Möglichkeit, den Prozess zur Ausgabe von handelbaren digitalen Wertpapieren deutlich kostengünstiger und schneller durchzuführen. Dies macht Security Token zu einem ­attraktiven Instrument, um an Eigen- oder Fremdmittel zu gelangen. Zudem ist zu erwarten, dass der durch Covid-19 ausgelöste Digitalisierungsschub auch die Innovation fördern wird. Dadurch werden - hoffentlich - neue Projekte oder Unternehmen lanciert, die sich über „klassische“ Aktien, Anleihen, oder gar innovative neue Finanzprodukte finanzieren lassen möchten. ­Security Token bieten auch hier eine ­schnelle und prinzipiell kostengünstigere Art zur Refinanzierung an. Ein grundsätzliches Marktbedürfnis wäre also ­gegeben, wenn alle rechtlichen Voraussetzungen ­sowie die Verfügbarkeit von Kapital für solche Produkte gegeben wären. 

Der zweite Aspekt betrifft die Entstehung eines ausreichend großen Markts für Finanzierungen über Security ­Token. Eine Wirtschaftskrise ist vielleicht nicht der richtige Moment, um neue Investitionsformen auszuprobieren. Aber angesichts der anhaltenden Niedrigzinsperiode ist davon auszugehen, dass das Interesse von Anlegern an alternativen Anlagen steigen wird, sobald die weltwirtschaftliche Unsicherheit wieder abnimmt. Denn Security Token können den Prozess von der Erzeugung über die Speicherung bis hin zum Sekundärhandel auf ein komplett neues Fundament stellen und so dazu beitragen, dass Anlagen, für die der Zugang zur Finanzbranche zu teuer war, „bankable“ werden. Security Token erweitern also das Anlageuniversum für Anleger, wobei die grundlegenden Prozesse ein ähnliches Sicherheitsniveau wie die „klassische“ Finanzin­frastruktur aufweisen. 

Der Erfolg der Assetklasse hängt von einem einheitlichen Rechtsrahmen ab

Damit das auch in der Praxis umgesetzt werden kann, muss sich jedoch auch das Rechts- und Aufsichtssystem entsprechend weiterentwickeln. Liechtenstein beispielsweise hat mit dem sogenannten „Blockchain-Gesetz“ (Gesetz über Token und VT-Dienstleister, TVTG), das am 1.1.2020 in Kraft getreten ist, schon ein Instrument geschaffen, das Anlegern umfassende Rechtssicherheit gibt. Hier ist es damit nun möglich, digitale Wertpapiere direkt und ohne Umweg über ein physisches Wertpapier zu erzeugen. Für Investoren bedeutet dieser Schritt, dass sowohl der Besitz sowie die zivilrechtliche Übertragung von Security ­Token die gleiche Rechtssicherheit aufweisen kann, wie wir sie aus dem traditionellen Finanzmarkt kennen.

Ein weiterer Aspekt sind die Regeln zur Verwahrung von Security Token durch Dienstleister. Für ­einen ­Investor ist es wichtig, dass die Wertpapiere im Konkursfall des Dienstleisters auch vom Konkursvermögen getrennt werden. Mit dem Inkrafttreten des TVTG sind per Gesetz alle Token, also nicht nur ­Security ­Token, sondern auch Kryptowährungen oder ­Utility Coins, vom Vermögen des Dienstleisters separiert. ­Daneben umfasst das TVTG noch einige weitere Regeln zur Verbesserung der Rechtssicherheit rund um Blockchain-Anwendungen.

Europäische Anbieter von Security Token sehen sich jedoch nicht nur nationalen zivil- und aufsichtsrechtlichen Fragen konfrontiert. Vielmehr müssen in ­Zukunft einige essenzielle Fragen in Bezug auf die Behandlung von Security Token im Zusammenhang mit dem europäischen Finanzmarktrecht ­geklärt werden, zum Beispiel die ganz grundlegende, welcher Token genau als Finanzinstrument zu qualifizieren ist. Das ist noch nicht in allen Ländern abschließend und vor ­allem einheitlich geklärt. Gerade angesichts der innovativen Ausgestaltungsmöglichkeiten von ­Token ist das aber von sehr großer Bedeutung. Ebenfalls noch unklar sind die Regeln, ab wann eine Plattform im Umfeld von Primäremissionen von Wertpapieren sich als Finanzdienstleister qualifizieren muss. ­Solange es ­hierauf keine Antworten gibt, ist eine grenzüberschreitende Emission von ­Security Token in ­Europa mit großen Rechtsrisiken für die ­Unternehmen ­verbunden.

Dasselbe Bild zeichnet sich beim Sekundärhandel ab  

Der regulatorische Rahmen für Finanzdienstleister rund um Wertpapieremission und -handel ­wurde für den traditionellen Finanzmarkt geschaffen. Die ­Anforderungen an Finanzdienstleister sind deshalb ­relativ hoch und bilden die traditionellen, umfassenden Geschäftsmodelle ab. Für Security Token-Dienstleister, die meist nur einen kleinen Ausschnitt der ­Tätigkeiten eines traditionellen Intermediärs machen, sind diese Hürden meist viel zu hoch und mit Blick auf ihr fokussiertes Geschäftsmodell auch nicht angemessen. Sie versuchen deshalb oft, sich außerhalb des ­Finanzsektors zu positionieren, verbunden mit entsprechenden regulatorischen Risiken im europäischen Binnenmarkt. Die Abgrenzung zwischen dem regulierten und dem nichtregulierten Bereich ist angesichts der Vielfalt an Ausgestaltungsformen, die durch die Technologie ermöglicht wird, nicht wirklich einfach – weder für den Regulator noch für die Unternehmen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn diese Differenzierung in vielen Ländern immer noch unklar und ­heterogen gehandhabt wird. 

 

So lange kein rechtssicherer und gleichzeitig effizienter und kostengünstiger Sekundärmarkt für ­Security Token existiert, wird sich die ­Nachfrage ­seitens der Investoren in engen Grenzen halten. ­Security ­Token-Dienstleister waren in den letzten Monaten nicht nur aus wirtschaftlicher Perspektive ­einem Dämpfer ausgesetzt. Vielmehr ist das regulatorische Risiko in Europa für Player in diesem Sektor nicht ­geringer geworden. Teilweise hat es sich ­sogar erhöht, da viele Staaten mittlerweile eine eigene Auslegung der Finanzmarktgesetze in Bezug auf Token ­erarbeitet haben. 

Für die Entwicklung der Security Token-Branche in ­Europa ist deshalb wesentlich, dass einerseits die bestehenden Unsicherheiten in Bezug auf die Finanzmarktregulierung so schnell wie möglich beseitigt werden, und andererseits die Finanzmarktgesetze so angepasst werden, dass Dienstleister risiko- und ­tätigkeitsbezogen reguliert werden. Ohne diese beiden Schritte ist die Entwicklung der Security Token-­Branche von den etablierten Finanzdienstleistern ­abhängig, die meist nur ein eingeschränktes Interesse an der Emission von Security Token haben. Eine positive Entwicklung der Security Token-Branche ist aber im Sinne der Wirtschaft wie auch der Anleger. Es bleibt daher zu hoffen, dass die EU-Kommission ­diese Probleme rasch löst und so die Grundlage für einen prosperierenden Security Token-Sektor in Europa legt. Dann wäre die zeitliche Verzögerung durch Covid-19 gut genutzt worden.

Dr. Thomas Dünser leitet seit April 2019 die Stabs-stelle für Finanzplatzinnovation, welche für die -Unterstützung von Finanzunternehmen in Innovationsfragen zuständig ist. Kürzlich wurde sein neues Buch «Legalize Blockchain» veröffentlicht, in dem er über die staatliche Sicht auf die Regulierung von Blockchain und Token Ökonomie ausführt.

Aus dem "Börse Social Magazine #45" - 1 Jahr, 12 Augaben, 77 Euro. Ca. 100 Seiten im Monat, ca. 1200 Seiten Print A4



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1. BSM #45



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