24.09.2014, 6651 Zeichen
Und wieder strebt ein Unternehmen an die Börse. Es besteht sogar eine Verbindung zu dem letzten IPO den ich hier analysiert habe: Es handelt sich um die Beteiligungs-Holding der Samwer-Brüder, die auch Zalando einst gegründet hatten.
Der Unternehmenszweck von Rocket Internet ist im Prinzip der eines Risikokapitalgebers/Incubators. Man geht Beteiligungen an jungen Unternehmen ein die im Internet tätig sind, begleitet diese eine Zeit lang und unterstützt sie mit Kapital bis man sie schließlich irgendwann veräußert.
Meistens handelt es sich bei diesen Beteiligungen um Unternehmen, die bestehende Geschäftsmodelle – meist aus den USA – kopieren und nach Europa bzw. in die restliche Welt transferieren.
Eine bekannte Beteiligung war z.B. Jamba (das sind die mit der lästigen Werbung für Handy-Klingeltöne
Auch Zalando wurde von Rocket Internet einige Jahre begleitet.
Ich muß sagen: Noch nie ist es mir so schwer gefallen eine Firma zu analysieren. Eigentlich bin ich deshalb nicht sonderlich an Beteiligungs-Holdings interessiert, da sie wirklich schwer durchschaubar sind. In diesem Falle aber habe ich mir die Arbeit angetan.
Jedenfalls strebt man bei Rocket Internet hohe Ziele an. So gibt man sich im Emmisionsprospekt eher großspurig:
“Die Emmitentin strebt danach, die größte Internetplattform der Welt außerhalb USA und Chinas zu werden.”
Bei einem Treffen mit Investoren – so schreibt Bloomberg – hat man das Geschäftsmodell von Rocket sogar mit demjenigen der Alibaba Group verglichen, die letzte Woche bekanntlich einen fulminanten IPO hingelegt hat.
Ich kann diesen Vergleich allerdings nicht ganz nachvollziehen.
Werfen wir also einmal einen Blick auf das IPO-Angebot laut Prospekt:
Das Angebot:
alte Aktien | 120.105.255,00 | 78,48% |
neue Aktien | 32.938.177,00 | 21,52% |
Preisspanne | 35,50 | 42,5 |
Preis/Aktie Mittelwert | 39,00 | |
IPO-Erlös | 1.284.588.903,00 | |
Eigenkapital 30.6.2014 | 491.500.000,00 | |
Kapitalerhöhungen seit 30.6. | 768.000.000,00 | |
Eigenkapital vor IPO | 1.259.500.000,00 | |
nach IPO | ||
Aktien gesamt | 153.043.432,00 | |
neues Kapital | 1.284.588.903,00 | |
Marktkapitalisierung | 5.968.693.848,00 | |
Eigenkapital gesamt | 2.544.088.903,00 | |
Buchwert pro Aktie | 16,62 |
Es werden 32.938.177 neue Aktien von dem Unternehmen ausgegeben, mit einer Preisspanne von EUR 35,50 bis EUR 42,50. Ich rechne – wie immer – mit dem Mittelwert.
Da kein Anteilseigner seine Aktien beim IPO verkauft, geht der gesamte Erlös in das Unternehmen.
Bezüglich des Buchwertes pro Aktie widerspricht sich der Prospekt leider: So sind Bilanzen nur bis zum 30.6.2014 abgedruckt, wo das Eigenkapital des Unternehmens noch EUR 491,5 Mio ausmachte.
In der Rubrik “Neueste Entwicklungen” wird erwähnt, daß seither insgesamt EUR 768 Mio an Kapitalerhöhungen eingebracht wurden.
Auf Basis dieser Information errechnet sich ein Buchwert pro Aktie nach IPO von EUR 16,62. Im Prospekt wird allerdings von EUR 18,62 geschrieben. Dafür müßte aber vor IPO noch mehr Eigenkapital da sein.
Ich finde es schlimm, daß der Prospekt in keinster Weise auf dieses “Problem” eingeht. Ich rechne deshalb mit den vorhandenen, bekannt gegebenen Zahlen.
Die Beteiligungen:
Rocket Internet nennt seine größten Beteiligungen “proven winners”, es sind Firmen die in der letzten Finanzierungsrunde Bewertungen von über 100 Mio EUR erzielt haben bzw. mehr als 50 Mio EUR Umsatz haben.
Interessanterweise kenne ich kaum eines dieser Unternehmen. Es handelt sich dabei um folgende 11 Firmen: Dafiti, Lamoda, Zalora, Jabong, Namshi, Lazada, Linio, Jumia, Home24, Westwing und Hellofresh
Bei den ersten drei handelt es sich um ausländische “Kopien” von Zalando. Dafiti z.B. ist in Brasillien tätig und wird mit über 700 Mio EUR bewertet.
KEINES dieser Unternehmen konnte 2012 oder 2013 einen Gewinn erzielen, wobei die meisten ein beachtliches Umsatzwachstum verzeichnen konnten (teilweise deutlich über 100%)
Interessant ist auch, daß Rocket Internet an keiner dieser Firmen (mehr) eine Mehrheit hält, d.h. bei Geschäftsentscheidungen unter Umständen nicht mitreden kann.
Von dem IPO-Erlös sollen 400 – 500 Mio EUR in diese “proven winners” investiert werden.
Es gibt dann noch eine Reihe von Beteiligungen die “emerging stars” genannt werden – hier handelt es sich um ganz junge neu gegründete Unternehmen.
Die Bewertung:
Ein sehr schwieriges Thema. Im Prospekt wurden nur Zahlen von 2013 und dem ersten Halbjahr 2014 veröffentlicht. Konkrete Ausblicke werden keine gegeben.
Ein weiteres Problem ist, Peergroups zu finden mit denen die Firma vergleichbar ist. Eigentlich ist kein Vergleich möglich, da wenige Risikokapitalgeber an der Börse vertreten sind. Ich habe deshalb hier einmal einen Überblick über die Zahlen aus dem Prospekt und die sich daraus ergebenden Bewertungen erstellt:
Gewinn | in Mio EUR |
2013 | 174,2 |
1. HJ 2014 | -13,3 |
Eigenkapital | |
2013 | 773 |
1. HJ 2014 | 491,5 |
Gesamtkapital | |
2013 | 877,4 |
1. HJ 2014 | 587,6 |
GK-Rendite | |
2013 | 19,90% |
1. HJ 2014 | -2,14% |
KGV 2013 | 34,26 |
KGV 2014 | -224,38 |
KBV | 2,35 |
Man sieht also, das Ergebnis war bereits in den letzten beiden Jahren starken Schwankungen unterworfen. 2013 konnte man einen großen Gewinn durch Veräußerung von Beteiligungen erzielen. Im ersten Halbjahr 2014 hatte man diesbezüglich offensichtlich noch kein Glück und fuhr deshalb Verluste ein.
Auch auffallend ist, daß im Jahr 2013 sogenannte “Vorabausschüttungen” von EUR 323,9 Mio in der G&V erwähnt sind. Nirgendwo im Prospekt wird darauf eingegangen was es damit auf sich hat.
Zu den Risiken:
Jedes Unternehmen muß im IPO-Prospekt die größten Risiken aufzählen. Einige die mir sehr ins Auge gestochen sind:
“Nahezu alle unsere Unternehmen weisen eine begrenzte Historie ihrer Geschäftstätigkeit auf, machen derzeit bedeutende Verluste und verfügen über einen negativen operativen Kapitalfluss, erfordern einen hohen Kapitaleinsatz und werden möglicherweise nie gewinnbringend oder zahlungsmittelgenerierend sein”
Klingt fast wie zu “New-Economy”-Zeiten, oder?
“Unsere Geschäftstätigkeit und unser Wachstum könnten beeinträchtigt oder beendet werden, wenn es uns nicht gelingt, zusätzliches Eigenkapital zu beschaffen oder Finanzierungsmittel zu günstigen Bedingungen aufzunehmen”
Hier haben wir wohl die Erklärung für den Börsegang.
Fazit:
Risikokapitalgeber sind wirklich eine schwierige Branche. Ich denke man muß selbst darin tätig sein, um sie vollständig zu verstehen. Es werden etliche Beteiligungen eingegangen um bei einem geringen Prozentsatz groß abzusahnen – so können z.B. 10 Firmen pleite gehen, wenn dafür eine richtig abhebt.
Ich persönlich finde das Geschäftsmodell von Rocket Internet – so wie es im Prospekt dargestellt wird – viel zu undurchsichtig und es gibt viel zu viele offene Fragen.
Auch das großspurige Auftreten macht nicht gerade einen sympatischen Eindruck auf mich.
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