18.01.2015, 3273 Zeichen
Rufen Sie Ihre Erinnerungen an die Dotcom-Blase wach!
Der erste Börsengang des Jahres könnte es werden, wenn der deutsche Kabelnetzbetreiber Tele Columbus nächste Woche aufs Frankfurter Parkett stürmt. Warum die Aktie eigentlich niemand braucht und warum wir alle doch darüber nachdenken, sie zu zeichnen.
Die schlechten Erfahrungen aus der Zeit als der Neue Markt daniederging und die Dotcom-Blase platzte, haben wir alle noch recht präsent im Hinterkopf. Aber auch ein anderer Trugschluss hat sich eingebrannt: Geht ein Unternehmen an die Börse und ich habe Glück und erhalte bei der Zeichnung Aktien, kann ich diese sofort mit Gewinn verkaufen. Ein gutes Geschäft – garantiert und programmiert. So was es zwar fast immer am Neuen Markt, aber das entspricht so gar nicht der sonst üblichen Realität. Und wir haben es dennoch so verinnerlicht. Doch noch einmal zur Sicherheit: Beim Börsengang wollen vor allem die alten Eigentümer Kasse machen und natürlich auch die Emissionsbanken mitverdienen. Große Investoren wie Fondshäuser versuchen sich oft bei Kapitalerhöhungen zuvor schon Anteile zu sichern. Auch typisch: Reihenweise werden Börsengänge abgesagt, wenn sich die Lage an den Finanzmärkten zu verschlechtern scheint.
Ein Blick zurück auf Börsenneulinge wie Facebook, Zalando und Hella verdeutlicht es. Wir erinnern uns, die Aktie von Marc Zuckerbergs Unternehmen kam im Mai 2012 zu 38 Dollar auf den Markt, im August desselben Jahres hatte sich der Wert halbiert. Es war dennoch der erfolgreichste Börsengang des Jahres 2012 – für Zuckerberg und alle anderen Alteigentümer, sie erlösten 16 Milliarden Dollar. Heute steht die Aktie immerhin bei rund 75 Dollar. Wer also Ruhe bewahren konnte, konnte doch noch mit Gewinn aussteigen. Der Online-Händler Zalando krebst heute knapp unter der Marke von 24 Euro herum. Zur Erinnerung: Der Emissionspreis lag bei 21,50 Euro, die Erstnotiz im Oktober 2014 bei 24,10 Euro. Der durch Medien bekannte Händler der Baader-Bank, Robert Halver, sagte seinerzeit zum Zalando-IPO, solch einen Trommelwirbel habe er zuletzt bei der Deutschen Telekom erlebt. Stimmt. Anders, bodenständiger, lief es beim deutschen Autozulieferer Hella (1899 gegründet). Der brachte seine Aktien Ende 2014 zu 25,00 und 26,50 Euro an den Mann. Heute notieren die Papiere bei rund 38 Euro.
Nun hat es Tele Columbus ziemlich eilig (erster Handelstag: voraussichtlich 23. Januar). Noch nie gehört? Das Unternehmen mit Sitz in Berlin ist der drittgrößte Kabelnetzbetreiber Deutschlands. Es gehörte mal Veba, dann der Deutschen Bank, dann Unitymedia, dann Orion Cable, dann einem Gläubigerkonsortium aus Hedgefonds und Banken, Kabel Deutschland dagegen nie, scheiterte eine Fusion doch am Kartellamt. Und jetzt gehört Tele Columbus bald Ihnen? Die Preisespanne liegt bei 8 bis 12 Euro, bis zu 37,5 Millionen Aktien aus einer Kapitalerhöhung und bis zu 15,3 Millionen alte Aktie soll es geben. Bei einem Emissionskurs von 10 Euro läge die Marktkapitalisierung bei 530 Millionen Euro. Der Umsatz von Tele Columbus betrug 2013 dagegen nur 206,2 Millionen Euro. Macht ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von 2,6. Gewinn macht das Unternehmen auch keinen – also eher eine Zalando-Aktie zum Schreien, als eine Hella zum Jubeln.
Ihr Ulrich W. Hanke, Chefredakteur boersianer.info
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