23.06.2016, 5788 Zeichen
Markus Koch: Prinzipiell finde ich diese Diskussion ein wenig lächerlich. Jetzt haben sich die Prognosen um zwei Prozentpunkte Richtung „Bremain“ verschoben und alle jubeln. Ich persönlich halte mich zum einen eher an die Quoten der Wettbüros und die lassen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass die Briten bleiben. Persönlich glaube ich zum zweiten, dass es einen Unterschied zwischen dem „Tun“ und dem „Fühlen“ gibt. Auch das ist für mich ein Grund, an einen Verbleib zu glauben.
Dann können wir uns also entspannen?
Nein, auf keinen Fall. Die Diskussion um einen Brexit ist ja nur die Spitze des Eisbergs und definitiv nicht unser größtes Problem. Außerdem ist ja auch nicht gesagt, dass ein Ausstieg Großbritanniens nur negativ wäre. Aus dem UK kommt immer wieder Störfeuer. Fällt das weg, kann sich das auf die Gesamtsituation durchaus auch stabilisierend auswirken.
Sie haben die „Spitze des Eisbergs“ angesprochen. Ein Ausstieg Großbritanniens wäre schon eine ziemlich große Spitze – was lauert da unter der Wasseroberfläche?
Denken wir an das Schottland-Referendum zurück. Auch da ist für eine Beibehaltung des Status Quo gestimmt worden. Die politische Diskussion hat das aber nicht beendet. Die Finanzmärkte sind gegenwärtig generell sehr stark an politische Ereignisse gebunden, die nicht quantifizierbar sind. Sehr viele sehr smarte Menschen sind deshalb nach wie vor unentschlossen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Märkte. Außerdem gibt es weitaus schlimmere Szenarien für Europa: Beispielsweise Referenden in einem Euroland wie Finnland, den Niederlanden oder, Gott bewahre, Italien.
Wie kommen wir aus dieser Situation heraus?
Das wird ganz schwierig. Wir leben in einer Grundstimmung von Angst und Gier. Dazu kommen Nationalismen und der Wunsch nach Souveränität, egal ob von links oder rechts. Das alles nicht nur in Europa sondern weltweit. Denken Sie nur an die USA: Dort verfolgen der linke Sanders und der rechte Trump beide das selbe Ziel – die Zerschlagung des Establishments in Washington und eine stärkere Vertretung nationaler Interessen.
Auf die USA scheint das aber keine Auswirkungen zu haben. Immerhin notieren die Indizes dort nahe ihrer historischen Hochs …
Das ist korrekt – und eigentlich sollten wir in einer solchen Phase ein Gefühl der Euphorie erleben. Das Gegenteil ist aber der Fall. Fonds verfügen über die höchsten Cash-Quoten seit Jahren, Hedge Fonds blasen zum Rückzug aus Aktien. Mit anderen Worten: Der US-Markt steht an der Kippe, wir wissen nicht, welche Türe sich öffnet. Ein Einbruch um 20 bis 30 Prozent ist ebenso möglich, wie eine Fortsetzung des Bullenmarktes nach den Wahlen im November.
Welcher Variante räumen Sie die höhere Wahrscheinlichkeit ein?
Ich muss zugeben, dass ich sehr beunruhigt bin. Das beschriebene Grundsentiment von Angst, Pessimismus und Mutlosigkeit führt dazu, dass Firmen weniger investieren, Banken mit Negativzinsen zurecht kommen müssen und Sparer in Folge dessen in Aktien gezwungen werden. Das führt zu systemischen Verwerfungen. Wenn sowohl die Renditen an den Anleihenmärkten sinken und – wie vor allem in Europa – die Aktienkurse auch, dann stimmt da einfach etwas nicht. Das Risiko ist aus meiner Sicht also sehr hoch, auch die Notenbanken Fed und EZB sind nach meinem Dafürhalten am Ende ihrer Weisheit angelangt. Gerade der letzte Beschluss der Europäer, Unternehmensanleihen aufzukaufen führt dazu, dass eine gesamte Anlagenklasse de facto aus dem Spiel genommen wird – eine weiter Verwerfung.
Die stärkere Aggressivität der EZB sehen Sie also negativ?
Ich glaube nicht, dass der Markt das will. Wir haben gesehen: Als die Fed die Zinsanhebungen angekündigt hat, sind die Märkte nach oben gegangen. Wir werden da möglicherweise noch ein, zwei Zinsanhebungen sehen und das ist wahrscheinlich auch gut so.
Wird das ausreichen?
Ich glaube, dass wir bei dem, was an Notenbankpolitik auf uns zukommt, eher nach Japan als nach Europa oder die USA blicken sollten.
Japan fährt seit ewigen Zeiten eine Nullzinspolitik, was ist daran neu?
Dass es dort aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem Singularitäts-Event kommen wird, also quasi der Verschmelzung von Notenbank- und Fiskalpolitik.
Wie würde das funktionieren?
Es würde nicht nur, die ersten Schritte können wir bereits beobachten. Etwa bei einer geplanten massiven Steuererleichterungen für Familien mit Kindern unter zehn Jahren. Das würde theoretisch ein gewaltiges Loch ins Budget reißen. Allerdings geschieht das in Koordination mit der Bank of Japan, die genau dieses Steuerloch über die Aufnahme neuer Staatsanleihen stopft. Wir beobachten also, wie die japanische Notenbank ihre Unabhängigkeit verliert und zu einem weiteren staatlich-fiskalen Werkzeug wird.
Sehr ermutigend klingt das nicht …
Ich glaube, dass das Vorbildwirkung haben wird. Und prinzipiell ist an dieser Steuererleichterung bei einer derart überalterten Gesellschaft wenig auszusetzen. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Märkte für den Nikkei positiv agieren werden. Der Yen wird konsequenterweise verlieren. Ich selbst habe deshalb den Nikkei im Portfolio – währungsgesichert, versteht sch.
Herr Koch, wir bedanken uns für das Gespräch.
Im Original hier erschienen: Markus Koch zu Brexit: „Bei weitem nicht unser größtes Problem“
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