19.07.2016, 3535 Zeichen
Die Meldungen lassen nichts Gutes erahnen. In Italien stehen die Banken auf der Kippe – wieder einmal. Die Probleme im italienischen Bankensektor sind nicht neu, allerdings hat sich die Lage wegen des langjährigen schwachen Wirtschaftswachstums und falscher politischer Weichenstellungen nun erheblich zugespitzt. Ende 2015 waren nach Informationen der italienischen Notenbank 18,1 Prozent der ausstehenden Kredite in Verzug – das ist die höchste Quote in der EU, höher auch als im ehemaligen Krisenstaat Irland. Seitdem gab es jedoch keine Besserung. Im Gegenteil.
Wegschauen und tricksen
Das Problem jedoch ist eine Katastrophe mit Ansage. Anstatt Reformen und Maßnahmen zur Stabilisierung zu ergreifen, wurden gesunde italienische Banken dazu gezwungen, kleinere, marode Banken zu übernehmen. Inzwischen ist es jedoch kaum noch möglich, nach diesem Muster „zu arbeiten“, denn die Konzentration im italienischen Bankensektor ist inzwischen recht hoch. Außerdem geraten nun auch ehemals gesunde Banken in den Abwärtsstrudel. Am 29. Juli wird die Europäische Zentralbank ihren Stresstest veröffentlichen. Spätestens dann wissen wir genauer, welche Banken frisches Kapital benötigen. Schon jetzt wissen wir aber, dass es viel Geld sein wird. Sehr viel Geld.
Neue EU-Regeln vs. nationale Interessen
Laut italienischer Notenbank haben die italienischen Geldhäuser 348 Mrd. Euro an Problemkrediten in den Bilanzen stehen. 210 Mrd. Euro gelten davon als notleidend. Darunter versteht man Kredite, bei denen eine Rückzahlung unwahrscheinlich ist. Knapp 59 Prozent dieser Kredite haben die Banken bereits abgeschrieben. Somit geht es um einen Betrag von rund 86 Mrd. Euro. Dieser Betrag – obwohl gigantisch – wäre eigentlich von einem großen Land wie Italien normalerweise zu stemmen, wenn da nicht die neue EU-Bankenunion wäre. Staatshilfen, wie sie Italiens Ministerpräsident Renzi vorschweben, sind nicht mehr zulässig. Spanien und Irland haben auf diesem Weg ihre Banken gerettet, Italien blieb untätig. Das rächt sich jetzt. Ohne die Beteiligung von Aktionären und Anleiheinhabern sind keine Hilfen mehr möglich.
Doch Schadenfreude ist völlig fehl am Platz, denn für viele Sparer bedeutet das, dass sie im Extremfall alles verlieren könnten – insbesondere viele Kleinanleger, die Aktien von vermeintlich sicheren Regionalbanken gekauft haben. Nur Kontoinhaber mit Einlagen bis zu 100.000 Euro sind abgesichert. Italiens Politiker versuchen daher mit aller Macht, die neuen Bankenregeln außer Kraft zu setzen oder abzuschwächen, um die Kleinsparer zu schonen. Mit möglicherweise fatalen Folgen. Der Schaden könnte sogar noch größer werden, nämlich dann, wenn sich die neue EU-Bankenunion als Papiertiger erweisen sollte. Eigentlich sollten die neuen Regeln garantieren, dass marode Banken abgewickelt werden, ohne den Steuerzahler zu belasten. Das jedoch scheint unsicherer denn je.
Fazit
Die EZB wird alles tun, um eine Ansteckung auf andere Länder zu verhindern. Die Krise der italienischen Banken ist trotzdem gefährlich, vor allem auf politischer Ebene. Sie offenbart einen entscheidenden Konstruktionsfehler, den Widerspruch zwischen nationalen Interessen und den Regeln, die sich die EU gegeben hat. Die wurden zwar auch in Italien mit beschlossen, doch am Ende ist das Hemd doch näher als der Rock. Eine Ansteckungsgefahr für den Rest der Eurozone droht im Moment nicht, aber europäische Bankenaktien sollten Sie auf jeden Fall meiden!
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Börsepeople im Podcast S22/17: Thomas Hahn
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