05.10.2016, 3704 Zeichen
Jeder der sich schon mit Finanzmathematik auseinander gesetzt hat erinnert sich wenn es um das Thema Zinsen geht zwangsweise an seine Schulzeit. Easy, denkt man sich. Prozentrechnen ist einfach. Aber der Teufel Zinseszins der hat schon so manchen Volkswirt die Haare raufen lassen und derzeit werden wohl einige Pensionsfondsmanager zu den Volkswirten dazu kommen und hoffentlich auch der eine oder andere Politiker.
Worum geht’s? Zinsen auf Zinsen. Einfach gesagt, die nicht konsumierten Zinsen werden kapitalisiert und wieder verzinst. Volkswirtschaftlich grauslich, weil um diese Zinseszinsen muss der ganze Wirtschaftskreislauf mehr verdienen damit sich die volkswirtschaftliche Rechnung ausgeht. Je länger man diese Zinsen nicht ausgibt, umso mehr tut es daher weh. Wir kennen das Schachbrett mit den Reiskörnern die sich pro Feld verdoppeln oder die Rechnung was wäre, wenn man zu Christi Geburt einen Euro zu 1% bis heute verzinsen hätte lassen (Adam Riese sagt ich hätte 515 Mio Euro am Konto).
Was für die Anleiheinvestoren bisher ein Segen war und mittlerweile im Negativrenditeuniversum angekommen ist, ist aber für die Pensionskassen und die Unternehmen und Staaten, die in Zukunft Pensionen auszahlen müssen, ein Fluch, wenn nicht gar eine Katastrophe. Das tiefe Renditeumfeld macht das Geschäftsmodell „Pensionskasse“ enorm schwierig. Der Grund liegt wieder in den Zinseszinsen. Es gibt sie nicht mehr. Im Gegenteil, Zinsen kosten mittlerweile sogar, da negativ. Wenn man sich jetzt, und das sollten Pensionskassen und pensionsauszahlende Stellen eigentlich tun, Vermögen für ebendiese zukünftigen Zahlungen ansparen möchte, dann geht das einfach nicht mehr so leicht und so schnell. Als Beispiel: möchte man in 100 Jahren (Staaten und Pensionskassen sollten durchaus so lange voraus denken) einen Betrag X erreichen, dann braucht man bei 5% Verzinsung heute nur 23% dessen anzulegen, bei 1% bereits 74% (!) und bei 0% eben 100%. Man erkennt das Dilemma. Man hat heute weder die 74 noch die 100. Und je länger diese Situation anhält umso dringlicher wird das Renditeproblem. Mit Anleihen lässt sich dann ein Pensionssystem nicht mehr errichten und finanzieren. Der Ausweg wäre wie so oft, die Beitragszahlungen zu erhöhen, aber genau das widerspricht ja dem Wunsch nach wirtschaftlicher Prosperität und dem damit automatisch verbundenen Steuereinkommen. Der Wohlfahrtsstaat wird in Frage gestellt.
Eine bzw. die einzig echte Lösung, neben einer generellen Veränderung des Pensionssystems, liegt schlicht und einfach darin, sich die notwendigen Zinsen und Renditen eben anderswo zu holen. Und der einzige Markt der noch nicht so beschädigt ist, dass er dies auch glaubwürdig abliefern kann ist, erraten, der Aktienmarkt. Bei Dividendenrenditen um die 3% und, das wird in so vielen Kommentaren so sträflich übergangen, dies bei einem wachsenden Charakter kann man sich auf die Kraft der darauf wirkenden Zinseszinsen wieder verlassen. Die Dividenden werden wieder in Dividendentitel angelegt. Das kennen wir alle, aber im Pensionssystem bedeutet dies, dass es in einem viel größeren Ausmaß getätigt werden müsste, als es derzeit gesetzlich und regulatorisch erlaubt ist. In diesen „risikobeschränkenden“ Regeln ist die Anleihenquote fix als Höchste vorgegeben. Die Frage ist daher mehr als berechtigt, ob dies für uns alle wirklich risikomindernd wirken wird.
Nachdem es von Seiten der Politik und der Notenbanken wenig Anzeichen für ein baldiges Ende der ultratiefen Zinsen gibt, wird man sich mehr und mehr, aus Überlegung für die Sicherheit der eigenen Pensionen das Richtige zu tun, insbesondere als Staat, den Gedanken leisten müssen die Investition in Aktien zu fördern. Es ist an der Zeit.
Börsepeople im Podcast S22/16: Petra Heindl
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