02.02.2017, 3531 Zeichen
Moderne Zeiten sind grundsätzlich durch steten Wandel gekennzeichnet. Dieser Wandel findet auch in der Finanzindustrie statt. So sind die Globalisierung und die fortschreitende Digitalisierung nicht zu unterschätzende Herausforderungen für viele Finanzinstitute. Neue Wettbewerber in Form junger Fintechs oder sogenannter Robo-Advisors drängen auf die Märkte und machen den etablierten Banken das Leben zunehmend schwerer. Das Bankgeschäft traditioneller Art ist längst stark unter Druck. Braucht es bei so viel Technik und intuitivem Verständnis überhaupt noch die menschliche und persönliche Beratungsdienstleitung? Sind vollautomatisierte Robo-Advisor vor dem Hintergrund einer teilweise kritikwürdigen Bankberatung vielleicht sogar die bessere Option für Anleger?
Fest steht, dass bei einer automatisierten Vermögensverwaltung (Robo-Advisor) Computer-Algorithmen über die Wahl der Anlage entscheiden. Der Mensch bleibt weitgehend außen vor. Gegenüber konventionellen Angeboten der Vermögensanlage sind damit für die Kunden geringere Kosten verbunden. Die Bausteine sind in der Regel vergleichsweise günstige Fonds, die einen Index abbilden (ETF). Ganz neu ist dieser Trend natürlich nicht. Ihren Ursprung hat diese Geldanlage in den USA und adressiert in erster Linie sehr internetaffine, kapitalstarke Erwachsene jüngeren bis mittleren Alters. Diese Zielgruppe der heute 18 bis 45-Jährigen umfasst nach Schätzungen alleine in den USA mehr als 100 Millionen Personen. Laut einer Schätzung des Beratungsunternehmens Oliver Wyman zum Thema Robo-Advisory ist weltweit ein hohes Wachstum abzusehen. In den kommenden drei Jahren könnte das verwaltete Vermögen bis auf bemerkenswerte 440 Mrd. US $ steigen.
Derweil ist diese automatisierte Verwaltung aktuell noch ein Nischenthema, speziell in Deutschland. Branchenkenner gehen dennoch davon aus, dass sich die Kundenzahl aller hierzulande tätigen Robo-Advisors im vierstelligen Bereich bewegt. Nur ganz wenige Anbieter tauchen wiederholt in den Medien auf. Auf der anderen Seite sind Deutschlands führende Finanzinstitute längst auf diesen Zug aufgesprungen und bieten ihrerseits in der Anlageberatung eigene computergestützte Systemlösungen an.
Noch ist es viel zu früh, um ein abschließendes Fazit über die Überlebensfähigkeit der vollautomatisierten Vermögensberatung zu ziehen. Fest steht aber, dass die klassische Bankberatung nicht ganz verdrängt wird. Geld ist Vertrauenssache und bleibt für viele nach wie vor ein Face-to-Face-Geschäft. Individuelles Vertrauen, das sich idealerweise nach und nach aufbaut und die vollumfängliche Beratung sind nicht so einfach durch einen Computer zu ersetzen. Insofern könnte es eher sein, dass Robo Advice die Welt der Finanzdienstleistung nicht revolutioniert, sondern evolutionär weiterentwickelt. Demzufolge ein Miteinander von „alter und neuer“ Industrie, statt eines Verdrängungswettbewerbs.
Ein Beitrag von Lars Brandau
Er ist seit Gründung des Deutschen Derivate Verbands (DDV) dessen Geschäftsführer und vertritt den DDV auch in den Arbeitsgruppen des europäischen Dachverbands EUSIPA. Der studierte Germanist und Politologe gilt als ausgewiesener Kommunikationsprofi. Zuvor war Lars Brandau unter anderem in verschiedenen leitenden Funktionen beim Nachrichtensender n-tv tätig; zuletzt als Chefmoderator. In dieser Zeit berichtete er als Reporter aus Kriegs- und Krisengebieten, kommentierte zahlreiche Landtags- und Bundestagswahlen und moderierte drei Jahre lang die Telebörse. Weitere Informationen unter: www.derivateverband.de
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