Die Immobilie – ein echter Inflationsschutz? (trading-treff.de, Christoph Scherbaum)
03.05.2017, 9065 Zeichen
Geehrte Leser, wir leben in stürmischen Zeiten. Die sogenannte „German Angst“ ist gerade nach der Finanzkrise zu einem Dauerthema geworden. Der typische Deutsche fürchtet sich vor so gut wie allem. Ob nun der kommende Börsencrash, eine starke Rezession, Deflation oder aber die Inflation. Genug Gründe um uns zu fürchten, finden wir immer. Beim Thema Inflation ist Angst aber unangebracht, denn die Lösung ist die Immobilie als Inflationsschutz. Oder etwa nicht?
Inflation auf dem Vormarsch – steigende Zinsen?
Doch schauen wir uns das Thema Inflation genauer an. Der Begriff selbst bezeichnet in der Volkswirtschaftslehre eine anhaltende Erhöhung des Preisniveaus. Dieser Umstand ist den meisten Menschen bekannt und stellt tatsächlich Allgemeinwissen dar. Außerdem ist den meisten Menschen klar, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Preisniveau und dem Zinssatz gibt: Sinken die Zinsen, so steigt die Nachfrage und damit die Kaufpreise. Die für mich wichtigsten Hauptbestandteile des Zinssatzes sind auf der einen Seite die Risikoprämie und auf der anderen Seite die Inflationserwartung. Ein Blick auf die Renditen eines Unternehmens, welches mit AAA geratet ist, zeigt im Normalfall deutlich geringere Renditen als ein mit BBB deutlich schlechter eingeschätztes Unternehmen.
Außerdem sind gerade in Ländern mit hohen Inflationsraten die Zinsen eher hoch, und in Ländern mit niedrigen Inflationsraten vice versa. Insbesondere Teilnehmern des Kapitalmarktes wird dieser Umstand spätestens zu den Zinsterminen der Europäischen Zentralbank immer wieder vor Augen geführt. Üblicherweise erwarten die Marktteilnehmer bei einer deutlichen Erhöhung des Preisniveaus Zinsanhebungen. Diese sollen die Geschäftsaktivitäten bremsen, um die Inflation unter Kontrolle zu halten. Bereits an dieser Stelle zeigt sich also der Zusammenhang zwischen dem Zins und dem Preisniveau, beziehungsweise der Inflation. Doch was hat all das nun mit der Immobilie zu tun?
Immobilie als Inflationsschutz?
Die Immobilie wird von den Deutschen als die Lösung des aktuellen Umfelds gesehen. Natürlich gibt es auch noch die Leute, die aus der Geschichte lernen konnten und immer wieder die breite Vermögensstreuung anmahnen. Allerdings kommen diese Mahner nur zu selten wirklich zu Wort. Ich möchte heute nicht diesen Mahner spielen. Die vielen historischen Beispiele, als die Immobilie trotz Inflation keinen Schutz bieten konnte, lasse ich heute aus. Sollten Sie in dieses Thema ein wenig tiefer einsteigen wollen, können Sie gerne in anderen Beiträgen stöbern. Auch der alte Beitrag zum „Betongold“ hier auf Trading-Treff führt zwei historische Beispiele auf. Für die meisten aktuellen „Angstkäufer“ sind diese Umstände sicherlich neu und der Glaube an die Immobilie als Inflationsschutz hält an.
Die Motivation hinter dem Eigenheimkauf
Heute stelle ich Ihnen nur die immer wieder auftauchende Motivation vor, eine Immobilie zu kaufen. Eventuell kennen sie diese „Rechenbeispiele“ auch aus Ihrem Bekanntenkreis. Die Immobilie als Inflationsschutz zu erwerben stellt dabei oftmals den übergeordneten Grund dar. Die Entscheidung über den Erwerb und den möglichen Kaufpreis hängt allerdings an anderen Faktoren.
Oftmals wird familienintern der Kauf einer Immobilie unter dem Gesichtspunkt der dann notwendigen Belastung diskutiert. Immerhin haben wohl nur sehr wenige Familien den Kaufpreis für ein Eigenheim zu 100 Prozent auf ihrem Girokonto liegen. Mit dem spitzen Bleistift wird dann üblicherweise die aktuelle Miete mit der zukünftigen Belastung verglichen. Dieser Schritt ist auch durchaus sinnvoll, denn die Leistungsfähigkeit der Mietzahlung haben die Familien oftmals schon langfristig nachgewiesen.
Die Rechnung selbst, sofern man die Nebenkosten ausklammert, ist sehr einfach. Unter den Umständen, dass wir einen Zinssatz kennen und eine angemessene Tilgung unterstellen, können wir sehr einfach eine maximale Darlehenshöhe ermitteln.
Beispiel Ankauf
So kann eine Familie die aktuell 1.000 Euro Monatskaltmiete zahlt über einen einfachen Weg die Höhe der Verschuldung ermitteln, die diesem Wert entspricht. Für mein Beispiel unterstelle ich einen Finanzierungszins von 1,5 % per annum und 2 % anfängliche Tilgung. (Der Marktzins selbst beträgt allerdings 0 Prozent. Die 1,5 % sind die Marge der Bank.) Daraus ergibt sich eine Gesamtbelastung von 3,5%.
1.000 Euro Mietbelastung im Monat ergeben 12.000 Euro Mietbelastung für die Familie im Jahr.
12.000 Euro Belastung geteilt durch 3,5% ergibt damit eine mögliche Darlehenssumme in Höhe von gerundet 340.000 Euro. Die Familie kann also, sofern die Bank die Bedingungen zur Ausreichung eines Darlehens als erfüllt ansieht, ohne Probleme 340.000 Euro leihen. Für diese Beispielfamilie liegt der Immobilienpreis aus dem Miet-Äquivalent also um 340.000 Euro.
Angebot und Nachfrage – Auch Immobilienpreise regeln sich am Markt
Da unsere Beispielfamilie ihr Einkommen nicht nach Belieben erhöhen kann, stellen sie nun einen Teil der Kaufnachfrage des Marktes bis in den Bereich um 340.000 Euro dar. Sollte ein Verkäufer in der Stadt der Beispielfamilie ein Objekt verkaufen wollen, welches mit dem bisherigen Mietobjekt der Familie vergleichbar ist, kennen wir nun den ungefähren Preis des Objekts.
Doch worauf will ich nun hinaus? Im aktuellen Marktumfeld befinden wir uns seit einigen Jahren in einer Sondersituation. Die Europäische Zentralbank hält den langfristigen Zins durch Ankäufe von Staatsanleihen am Markt auf künstlich tiefem Niveau. Dieser Umstand sorgte zuletzt für steigende Preise am Immobilienmarkt, denn die Verschuldungskapazität der einzelnen Marktteilnehmer stieg durch die tiefen Zinsen an. In einer Zeit mit ebenfalls historisch tiefen Inflationsraten, war diese Entwicklung für Immobilienmärkte nicht mit Sorge zu sehen. Die Frage ob die Immobilie als Inflationsschutz taugt, kann also erst in einer Veränderung der Situation beantwortet werden.
Inflation ohne Zinsanstieg
Allerdings ist die Inflationsrate zuletzt auf ein Niveau von ca. 2 Prozent und damit in den Zielbereich der Notenbank angestiegen. Die Zinssätze haben sich durch die Käufe der EZB aber nur wenig bewegt. Um an dieser Stelle den Kreis zu schließen, erinnern wir uns an die beiden Einflussgrößen auf den Marktzins. Die Risikoprämien sind in Deutschland nicht gestiegen und werden es sehr wahrscheinlich auf absehbare Zeit auch nicht tun.
Da nun die Inflationsraten zuletzt deutlich geklettert und auch die Inflationserwartungen ein wichtiger Bestandteil sind, sollten die Marktzinsen eigentlich ebenfalls ansteigen. Aktuell verhindert die EZB aber durch ihre Geldpolitik diesen Mechanismus indem sie mit kräftiger Hand die Anleihen am Markt aufkauft. So hält sie den Zins auf einem Level, welches eventuell nicht mehr dem „fairen Niveau“ der anderen Marktteilnehmer entspricht.
Kommen wir zurück zu unserer Beispielfamilie. Unsere Familie wurde fündig und kaufte sich eine schöne Immobilie für 340.000 Euro. Allerdings erhielt der Familienernährer einen Brief seines Arbeitgebers. Die Firma verlegt Ihren Sitz in eine andere Region. Da der Job weiterhin Spaß macht und das Gehalt weiterhin auf dem attraktiven Niveau bleibt, entschließt sich die Familie umzuziehen und ihr Haus nach nur einem Jahr wieder zu verkaufen. In der Zwischenzeit hat sich kaum etwas geändert, lediglich die Notenbank der Eurozone hat das Anleihekaufprogramm beendet und die Inflationserwartung trieb den Marktzins auf 2 %.
Beispiel Verkauf
Die Nachbarn der Familie hatten zufällig schon immer ein Auge auf die Immobilie der Beispielfamilie und wollen diese kaufen. Sie ahnen es, die Nachbarsfamilie sitzt nun am Abend beisammen und rechnet ihre mögliche Verschuldungsgrenze aus.
Der Marktzins selbst beträgt 2 Prozent. Die 1,5 % Marge der Bank kommen hinzu und die gewünschte Tilgung liegt bei 2 Prozent. Daraus ergibt sich eine Gesamtbelastung von 5,5%.
1.000 Euro Mietbelastung im Monat ergeben 12.000 Euro Mietbelastung für die Familie im Jahr.
12.000 Euro Belastung geteilt durch 5,5% ergibt damit eine mögliche Darlehenssumme aus der Miet-Äquivalenz Rechnung von gerundet 220.000 Euro.
Abschluss der Überlegung
An dieser Stelle möchte ich Sie mit Ihren Gedanken alleine lassen. Die Frage ob die aufkeimende Inflation von circa 2 % aktuell tatsächlich gut für die Immobilienmärkte ist und die Immobilie als Inflationsschutz dient, müssen Sie sich selbst beantworten. Ich für meinen Teil sehe dem Ende der aktuellen EZB-Maßnahmen zur Inflationserzeugung mit Sorge für diese Anlageklasse entgegen. Aber noch kaufen die nationalen Notenbanken kräftig, also wollen wir nicht in der „German Angst“ versinken…
Ich wünsche Ihnen immer ein gutes Händchen bei Ihren Entscheidungen, denn niemals war es so wichtig wie in diesen Monaten.
Dieser Beitrag von deepinsidehps wurde von trading-treff.de zur Verfügung gestellt. Dort gibt es Analysen, Wissen und Emotionen zum Trading.
„deepinsidehps“ steht vor allem für den vertiefenden Einblick in die Märkte. Insbesondere Meinungen und Gedanken abseits der gültigen Konventionen sind die Prämissen des Users.
Börsepeople im Podcast S22/12: Birgit Puck
Bildnachweis
1.
Taschenrechner, Rechnungen, zahlen, bezahlen, Kredit, Pleite, Ausgaben, Budget, rechnen, Belastung, Inflation, bankrott, http://www.shutterstock.com/de/pic-156983201/stock-photo-a-woman-with-unpaid-bills-has-many-debts-unemployment-and-personal-bankruptcy.html (Bild: shutterstock.com)
Aktien auf dem Radar:VIG, Zumtobel, UBM, Pierer Mobility, EuroTeleSites AG, RHI Magnesita, ATX, ATX TR, ATX NTR, Erste Group, RBI, Frequentis, Mayr-Melnhof, Polytec Group, AT&S, CA Immo, Lenzing, Porr, Hutter & Schrantz Stahlbau, Hutter & Schrantz, VAS AG, Wienerberger, BKS Bank Stamm, Oberbank AG Stamm, Kapsch TrafficCom, Amag, EVN, Flughafen Wien, CPI Europe AG, Österreichische Post, Strabag.
Random Partner
Vienna International Airport
Die Flughafen Wien AG positioniert sich durch die geografische Lage im Zentrum Europas als eine der wichtigsten Drehscheiben zu den florierenden Destinationen Mittel- und Osteuropas. Der Flughafen Wien war 2016 Ausgangs- oder Endpunkt für über 23 Millionen Passagiere.
>> Besuchen Sie 62 weitere Partner auf boerse-social.com/partner
Latest Blogs
» Wiener Börse zu Mittag etwas fester und heute Ausgabe 2000 des #gabb: Pi...
» LinkedIn-NL: Heute Ausgabe 2000: Den täglichen Börsenbrief zur Wiener Bö...
» Börse-Inputs auf Spotify zu u.a. Birgit Puck FMA; Karin Pühringer TUDC, ...
» ATX-Trends: RBI, Erste Group, Bawag, Mayr-Melnhof ...
» Börsepeople im Podcast S22/12: Birgit Puck
» Österreich-Depots: Leicht schwächer (Depot Kommentar)
» Börsegeschichte 11.12: Andreas Weißenbacher (Börse Geschichte) (BörseGes...
» Nachlese: Frequentis, Andritz, Verbund, 6B47 und das Jugendwort des Jahr...
» Wiener Börse Party #1053: ATX erneut etwas fester, Zeppelin Hotel Tech s...
» PIR-News: News zu Polytec, Zeppelin Hotel Tech, IPO-Barometer (Christine...
Useletter
Die Useletter "Morning Xpresso" und "Evening Xtrakt" heben sich deutlich von den gängigen Newslettern ab.
Beispiele ansehen bzw. kostenfrei anmelden. Wichtige Börse-Infos garantiert.
Newsletter abonnieren
Runplugged
Infos über neue Financial Literacy Audio Files für die Runplugged App
(kostenfrei downloaden über http://runplugged.com/spreadit)
per Newsletter erhalten
- Fear of missing out bei wikifolio 12.12.25: Rhein...
- Roadshow-Möglichkeiten für heimische Unternehmen ...
- 240,5 Mrd. Euro in Fonds investiert
- wikifolio Champion per ..: Simon Weishar mit Szew...
- LinkedIn-NL: Heute Ausgabe 2000: Den täglichen Bö...
- ATX TR-Frühmover: RBI, VIG, Uniqa, Porr, Bawag, E...
Featured Partner Video
Börsepeople im Podcast S22/07: Peter Neubauer
Peter Neubauer ist Gründer Forum F und der Austrian Payment Academy. Und er ist wohl der Mr. Payment in Österreich, hat unfassbares Wissen und noch mehr Anekdoten zu diesem Thema. Und ich war nervö...
Books josefchladek.com
Daniele Torriglia
Il senso della presenza
2025
Self published
Erich Einhorn
Im Flug nach Moskau
1959
Artia
Robert Delford Brown
First Class Portraits
1973
First National Church of the Exquisite Panic Press,
Ció Prat i Bofill
Milions d’estels i un somni
2025
Self published
