Ich stimme der Verwendung von Cookies zu. Auch wenn ich diese Website weiter nutze, gilt dies als Zustimmung.

Bitte lesen und akzeptieren Sie die Datenschutzinformation und Cookie-Informationen, damit Sie unser Angebot weiter nutzen können. Natürlich können Sie diese Einwilligung jederzeit widerrufen.





2019 kommt es drauf an, Jens Weidmann muss als EZB-Präsident ran? (Robert Halver, Christoph Scherbaum)

Autor:
Christoph Scherbaum

Die Börsenblogger ist das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehntelanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer. Letztlich sind wir alle Börsenfans. Aber wir vertreten in diesem Blog auch eine ganz simple Philosophie: Wir wollen unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus schreiben, was wir zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken, was uns beschäftigt. Das kommt Ihnen, dem Leser, zu Gute.

>> Website


>> zur Startseite mit allen Blogs

24.05.2017, 7876 Zeichen

Es wird noch viel Wasser den Main am Sitz der EZB in Frankfurt herunterlaufen bis im Oktober 2019 Mario Draghi den Staffelstab an einen neuen obersten Währungshüter übergeben wird. Dennoch hat die Nachfolgedebatte längst begonnen.

Für so manchen im politischen Berlin scheint klar zu sein, dass dann ein Deutscher an der Reihe ist, am liebsten Jens Weidmann, der Chef der Deutschen Bundesbank, die als Synonym für geldpolitische Stabilität gilt. Denn die EZB habe einen stabilitätspolitischen Großschaden verursacht. Das deutsche Reinheitsgebot hat sie dramatisch gepanscht: In der Finanz-, Staatsanleihen- und Eurokrise kaufte die EZB Anleihen von mittlerweile fast zwei Billionen Euro auf und schaffte mit Nullzinsen den Kapitalismus ab. Mit ihrem Eingreifen wurde die EZB sogar zum heimlichen Machtzentrum der Eurozone und Draghi ihr eigentlicher Präsident. Von politischer Unabhängigkeit der Notenbank kann man nur noch mit mindestens vier Promille sprechen.

Mit dieser Laxheit hat die EZB die Eurozone zwar vor dem Super-GAU gerettet. Doch diese Rettungstat von „Sankt Martin“ Draghi hat ihren hohen Preis. Die Zeche zahlen die Zinssparer. So haben deutsche Anlegerinnen und Anleger durch die Zins-Diät der EZB seit 2010 weit über 300 Milliarden Euro Erträge verloren. In diesem Jahr kommen fast 100 Mrd. Euro Zinsverluste hinzu. Nach Inflation rentieren deutsche Staatspapiere aktuell im Durchschnitt mit minus 1,8 Prozent. So werden 2017 fast 40 Mrd. Euro an privatem Geldvermögen vernichtet. Die Schuldenkrise in Euroland ist die Guthabenkrise der Sparer. Die Entschuldung von Italien & Co. ist ihre Entreicherung.

Wer wollte jetzt noch bestreiten, dass 2019 ein deutscher Meister Proper gebraucht wird, der im „Sündenbabel“ der EZB den Dreck der Instabilität beseitigt und die Tugendhaftigkeit wieder zum Vorschein bringt? Bundesbankchef Weidmann ist schon lange der größte Kritiker der ultralockeren EZB-Politik. Er hat auch dann noch die Fahne der geldpolitischen Disziplin hochgehalten, als die EZB bereits vor der Laxheit kapituliert hatte.

Was wird zukünftig bei der EZB serviert: Französische Crème brûlée oder deutscher Magerquark?   

Was als härtere Geldpolitik die deutsche Stabilitätsseele und das Gemüt der darbenden deutschen Zinssparer erfreuen würde, wirkte auf die Euro-Südländer so abschreckend wie ein Verbot von gebrannten Mandeln und Zuckerwatte auf Besucher von Rummelplätzen. Der Euro-Süden hat sich an die Leckereien der EZB gewöhnt wie meine Katzen an ihr morgend- und abendliches Premium-Katzenfutter. Die EZB nimmt ihnen die zwei entscheidenden Nachteile von Staatsverschuldung ab: Das Absatzproblem und die hohen Schuldzinsen. Und da soll 2019 aus Deutschland ein Stabilitätsmoralapostel kommen und das große Schulden-Fressen stören oder gar unterbinden? Am Ende wird man noch gezwungen, Reformen zu machen, die bislang aufgrund des selbstverständlichen Geldregens der EZB nicht nötig waren.

Da ist der Euro-Südzone der Gegenkandidat Weidmanns für den EZB-Spitzenposten, der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau viel lieber. Er hat Notenbankpolitik nie inflationsbekämpfend dogmatisch, sondern konjunkturfördernd pragmatisch betrachtet. Auch er steht für geldpolitische Süßspeisen und serviert sie auf Pappdeckeln. Denn trotz seines Nachnamens hat Villeroy keine Hemmungen, das Stabilitäts-Porzellan der Deutschen Bundesbank zu zerschlagen.

Wenn schon deutsche Schonkost, dann nur mit üppigen Zwischenmahlzeiten

Berlin weiß, dass Jens Weidmann nur dann eine Chance hat, EZB-Präsident zu werden, wenn er einem ganzen Sack an Diät-Ausnahmen zustimmt. Er macht schließlich nicht nur für Deutschland Geldpolitik. Schon 2018 müsste Deutschland einwilligen, dass der Spanier Luis de Guindos neuer EZB-Vizepräsident wird. Er ist sicherlich kein Stabilitäts-Papst, noch nicht einmal ein -Kaplan. Auch wird es niemals zwei Deutsche im sechsköpfigen EZB-Direktorium geben. Wie beim Fantasyfilm „Highlander“ kann es nur einen geben: Sollte Jens Weidmann kommen, muss Frau Sabine Lautenschläger gehen. Doppelt so viel deutsche Stabilitätspolitik wie bisher findet dort also nicht statt.

Unsere europäischen Partner argwöhnen ohnehin, dass jetzt schon der bestehende deutsche Einfluss in europäischen Finanz- und Bankenfragen zu groß ist. Dem Euro-Rettungsfonds und der Europäischen Investitionsbank stehen bereits zwei Deutsche vor. Übrigens enden 2019 auch die Amtszeiten von EU-Kommissionschef Juncker und EU-Ratspräsident Tusk. Mit einem Deutschen an der Spitze der Währungshüter hätten hier deutsche Nachfolgekandidaten wohl keine Chance. Jedes Land will im Euro-Sandkasten mit seinen Förmchen und Schäufelchen seine eigenen Burgen bauen.

Sowieso scheint Deutschland bei der Europäischen Kommission im Moment ähnlich schlecht zu punkten wie deutsche Sangeskunst beim Eurovision Song Contest. Wir trügen – obwohl wir es könnten – zu wenig zur wirtschaftlichen Erholung Europas bei. Und dass unsere Handelsbilanzüberschüsse zu hoch sind, ist ja längst zu einem geflügelten Wort geworden. Warum sollte man uns also noch mehr „dominieren“ lassen?

Wird an Weidmanns Wesen die Geldpolitik der EZB genesen?

Würde Weidmann 2019 tatsächlich oberster Währungshüter, wäre er als Stabilitätsteutone ein König ohne Land. Landgewinne wären nur möglich, wenn Jens Weidmann sich zu Mario II. krönen ließe, der bei Zinserhöhungen und Geldverknappung äußerste Milde walten ließe. Ein wirklicher Umkehrschub der EZB wäre dann aber nicht möglich. Ebenso ist die Gefahr groß, dass der Preis für Weidmann for ECB president eine Romanisierung der Eurozone, eine Vergemeinschaftung von Schulden ist. Bekommt Frankreich nicht den EZB-Chefposten, bekommt es zur Wiedergutmachung Eurobonds.

Ist es für Deutschland also wirklich von Vorteil, wenn der Deutsche Jens Weidmann EZB-Präsident wird? Wäre es nicht viel besser, wenn Villeroy das Amt übernimmt, Deutschland aber mit seiner „Dominanz“ in anderen Institutionen die Stabilitätsfahne aufrechterhält?

Könnte es sein, dass die Bundesregierung dies genauso sieht? Wenn Berlin einen Stabilitätstod sterben muss, wird es sich dafür entscheiden, weiter die EZB die Zeche der europäischen Konjunktursanierung bzw. Schuldenfinanzierung zahlen zu lassen als den Bundesfinanzminister mit höheren Zinsen für Euro-Anleihen und steigenden Kreditverbindlichkeiten im deutschen Staatshaushalt. Jeder ist sich selbst der Nächste.

Überhaupt, könnte es sein, dass die Debatte um Herrn Weidmann sogar dem deutschen Wahlkampf geschuldet ist? Immerhin verbindet die verletzte deutsche Stabilitätsseele mit ihm die Rückkehr zur geldpolitischen Disziplin und höhere Anlagezinsen? Das könnte sich am 24. September auszahlen.

Und wie sieht es danach mit der deutschen Unterstützung für Herrn Weidmann aus? Berlin weiß doch, dass ein viel zu früh aus dem Hut gezogener Kandidat im Polit-Feuer der EU schnell verheizt werden kann. Auch Axel Weber wurde schon einmal als EZB-Präsident gehandelt und bekam das Amt doch nicht.

Es wäre schade, wenn mit Jens Weidmann eine weitere geld- und stabilitätspolitisch herausragende Persönlichkeit diesen Autoritätsverlust erleiden müsste. Aber schade wäre es ebenso, wenn Weidmanns Stabilitätsüberzeugungen im Präsidentenamt bis zur Unkenntlichkeit geschliffen würden.

Unter Abwägung aller Punkte ist der geldpolitischen Stabilität mit einem Jens Weidmann als altem und neuem Bundesbankpräsident noch am ehesten geholfen.

Weidmannsheil!

Ein Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

 


(24.05.2017)

BSN Podcasts
Christian Drastil: Wiener Börse Plausch

Wiener Börse Party #638: I wer narrisch bei Palfinger und VIG, Gratulation an Mike Lielacher und ein Bundesschätze-Wunsch




 

Bildnachweis

1. Robert Halver mit Runplugged auf dem Smartphone, im Hintergrund das Parkett der Frankfurter Börse - Halver ist Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank und Finanz-Meteorologe für die Börsenstimmung. Wöchentlich berichtet er über Entwicklungen an den Finanzmärkten, über Wohl und Wehe von DAX, Zinsen, Euro & Co. Anleger erhalten eine fundierte Einschätzung der marktbewegenden Trends, immer   >> Öffnen auf photaq.com

Aktien auf dem Radar:Immofinanz, Polytec Group, Marinomed Biotech, Flughafen Wien, Warimpex, Lenzing, AT&S, Strabag, Uniqa, Wienerberger, Pierer Mobility, ATX, ATX TR, VIG, Andritz, Erste Group, Semperit, Cleen Energy, Österreichische Post, Stadlauer Malzfabrik AG, Addiko Bank, Oberbank AG Stamm, Agrana, Amag, CA Immo, EVN, Kapsch TrafficCom, OMV, Telekom Austria.


Random Partner

Hypo Oberösterreich
Sicherheit, Nachhaltigkeit und Kundenorientierung sind im Bankgeschäft Grundvoraussetzungen für den geschäftlichen Erfolg. Die HYPO Oberösterreich ist sicherer Partner für mehr als 100.000 Kunden und Kundinnen. Die Bank steht zu 50,57 Prozent im Eigentum des Landes Oberösterreich. 48,59 Prozent der Aktien hält die HYPO Holding GmbH. An der HYPO Holding GmbH sind die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG, die Oberösterreichische Versicherung AG sowie die Generali AG beteiligt.

>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner


 Latest Blogs

» BSN Spitout Wiener Börse: Palfinger dreht nach vier Plus-Tagen

» Österreich-Depots: Wochenendbilanz (Depot Kommentar)

» Börsegeschichte 26.4.: Mike Lielacher (Börse Geschichte) (BörseGeschichte)

» PIR-News: Analysten Einschätzungen zu den Palfinger- und Polytec-Zahlen,...

» Nachlese: Addiko vs. Marinomed, Bayer, Patrick Kesselhut (Christian Dras...

» Wiener Börse Party #638: I wer narrisch bei Palfinger und VIG, Gratulati...

» Wiener Börse zu Mittag stärker: S Immo, Wienerberger, AT&S gesucht, DAX-...

» Börsenradio Live-Blick 26/4: DAX rauf, Bayer-Boss Anderson in Form, Deut...

» Börsepeople im Podcast S12/11: Patrick Kesselhut

» ATX-Trends: Strabag, S Immo, Erste Group, RBI ...


Useletter

Die Useletter "Morning Xpresso" und "Evening Xtrakt" heben sich deutlich von den gängigen Newslettern ab. Beispiele ansehen bzw. kostenfrei anmelden. Wichtige Börse-Infos garantiert.

Newsletter abonnieren

Runplugged

Infos über neue Financial Literacy Audio Files für die Runplugged App
(kostenfrei downloaden über http://runplugged.com/spreadit)

per Newsletter erhalten


Meistgelesen
>> mehr





PIR-Zeichnungsprodukte
AT0000A39UT1
AT0000A347X9
AT0000A2U2W8
Newsflow
>> mehr

Börse Social Club Board
>> mehr
    Star der Stunde: Kapsch TrafficCom 2.39%, Rutsch der Stunde: Warimpex -3.6%
    wikifolio-Trades Austro-Aktien 17-18: Kontron(1)
    Star der Stunde: Frequentis 1.48%, Rutsch der Stunde: Warimpex -3.6%
    wikifolio-Trades Austro-Aktien 16-17: AT&S(2), Palfinger(1), Erste Group(1)
    Star der Stunde: Lenzing 1.25%, Rutsch der Stunde: Warimpex -3.6%
    wikifolio-Trades Austro-Aktien 15-16: Erste Group(1), Flughafen Wien(1)
    BSN Vola-Event Siemens Energy
    Star der Stunde: Strabag 2.25%, Rutsch der Stunde: Warimpex -3.6%
    wikifolio-Trades Austro-Aktien 14-15: Palfinger(2), Kontron(1)

    Featured Partner Video

    Börsenradio Live-Blick, Fr. 5.4.24: DAX verliert im Frühgeschäft deutlich, RWE einziger Titel im Plus, starke SAP-Ansage

    Christian Drastil mit dem Live-Blick aus dem Studio des Börsenradio-Partners audio-cd.at in Wien wieder intraday mit Kurslisten, Statistiken und News aus Frankfurt und Wien. Es ist der Podcast, der...

    Books josefchladek.com

    François Jonquet
    Forage
    2023
    Void

    Christian Reister
    Driftwood 15 | New York
    2023
    Self published

    Helen Levitt
    A Way of Seeing
    1965
    The Viking Press

    Andreas Gehrke
    Flughafen Berlin-Tegel
    2023
    Drittel Books

    Horst Pannwitz
    Berlin. Symphonie einer Weltstadt
    1959
    Ernst Staneck Verlag


    24.05.2017, 7876 Zeichen

    Es wird noch viel Wasser den Main am Sitz der EZB in Frankfurt herunterlaufen bis im Oktober 2019 Mario Draghi den Staffelstab an einen neuen obersten Währungshüter übergeben wird. Dennoch hat die Nachfolgedebatte längst begonnen.

    Für so manchen im politischen Berlin scheint klar zu sein, dass dann ein Deutscher an der Reihe ist, am liebsten Jens Weidmann, der Chef der Deutschen Bundesbank, die als Synonym für geldpolitische Stabilität gilt. Denn die EZB habe einen stabilitätspolitischen Großschaden verursacht. Das deutsche Reinheitsgebot hat sie dramatisch gepanscht: In der Finanz-, Staatsanleihen- und Eurokrise kaufte die EZB Anleihen von mittlerweile fast zwei Billionen Euro auf und schaffte mit Nullzinsen den Kapitalismus ab. Mit ihrem Eingreifen wurde die EZB sogar zum heimlichen Machtzentrum der Eurozone und Draghi ihr eigentlicher Präsident. Von politischer Unabhängigkeit der Notenbank kann man nur noch mit mindestens vier Promille sprechen.

    Mit dieser Laxheit hat die EZB die Eurozone zwar vor dem Super-GAU gerettet. Doch diese Rettungstat von „Sankt Martin“ Draghi hat ihren hohen Preis. Die Zeche zahlen die Zinssparer. So haben deutsche Anlegerinnen und Anleger durch die Zins-Diät der EZB seit 2010 weit über 300 Milliarden Euro Erträge verloren. In diesem Jahr kommen fast 100 Mrd. Euro Zinsverluste hinzu. Nach Inflation rentieren deutsche Staatspapiere aktuell im Durchschnitt mit minus 1,8 Prozent. So werden 2017 fast 40 Mrd. Euro an privatem Geldvermögen vernichtet. Die Schuldenkrise in Euroland ist die Guthabenkrise der Sparer. Die Entschuldung von Italien & Co. ist ihre Entreicherung.

    Wer wollte jetzt noch bestreiten, dass 2019 ein deutscher Meister Proper gebraucht wird, der im „Sündenbabel“ der EZB den Dreck der Instabilität beseitigt und die Tugendhaftigkeit wieder zum Vorschein bringt? Bundesbankchef Weidmann ist schon lange der größte Kritiker der ultralockeren EZB-Politik. Er hat auch dann noch die Fahne der geldpolitischen Disziplin hochgehalten, als die EZB bereits vor der Laxheit kapituliert hatte.

    Was wird zukünftig bei der EZB serviert: Französische Crème brûlée oder deutscher Magerquark?   

    Was als härtere Geldpolitik die deutsche Stabilitätsseele und das Gemüt der darbenden deutschen Zinssparer erfreuen würde, wirkte auf die Euro-Südländer so abschreckend wie ein Verbot von gebrannten Mandeln und Zuckerwatte auf Besucher von Rummelplätzen. Der Euro-Süden hat sich an die Leckereien der EZB gewöhnt wie meine Katzen an ihr morgend- und abendliches Premium-Katzenfutter. Die EZB nimmt ihnen die zwei entscheidenden Nachteile von Staatsverschuldung ab: Das Absatzproblem und die hohen Schuldzinsen. Und da soll 2019 aus Deutschland ein Stabilitätsmoralapostel kommen und das große Schulden-Fressen stören oder gar unterbinden? Am Ende wird man noch gezwungen, Reformen zu machen, die bislang aufgrund des selbstverständlichen Geldregens der EZB nicht nötig waren.

    Da ist der Euro-Südzone der Gegenkandidat Weidmanns für den EZB-Spitzenposten, der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau viel lieber. Er hat Notenbankpolitik nie inflationsbekämpfend dogmatisch, sondern konjunkturfördernd pragmatisch betrachtet. Auch er steht für geldpolitische Süßspeisen und serviert sie auf Pappdeckeln. Denn trotz seines Nachnamens hat Villeroy keine Hemmungen, das Stabilitäts-Porzellan der Deutschen Bundesbank zu zerschlagen.

    Wenn schon deutsche Schonkost, dann nur mit üppigen Zwischenmahlzeiten

    Berlin weiß, dass Jens Weidmann nur dann eine Chance hat, EZB-Präsident zu werden, wenn er einem ganzen Sack an Diät-Ausnahmen zustimmt. Er macht schließlich nicht nur für Deutschland Geldpolitik. Schon 2018 müsste Deutschland einwilligen, dass der Spanier Luis de Guindos neuer EZB-Vizepräsident wird. Er ist sicherlich kein Stabilitäts-Papst, noch nicht einmal ein -Kaplan. Auch wird es niemals zwei Deutsche im sechsköpfigen EZB-Direktorium geben. Wie beim Fantasyfilm „Highlander“ kann es nur einen geben: Sollte Jens Weidmann kommen, muss Frau Sabine Lautenschläger gehen. Doppelt so viel deutsche Stabilitätspolitik wie bisher findet dort also nicht statt.

    Unsere europäischen Partner argwöhnen ohnehin, dass jetzt schon der bestehende deutsche Einfluss in europäischen Finanz- und Bankenfragen zu groß ist. Dem Euro-Rettungsfonds und der Europäischen Investitionsbank stehen bereits zwei Deutsche vor. Übrigens enden 2019 auch die Amtszeiten von EU-Kommissionschef Juncker und EU-Ratspräsident Tusk. Mit einem Deutschen an der Spitze der Währungshüter hätten hier deutsche Nachfolgekandidaten wohl keine Chance. Jedes Land will im Euro-Sandkasten mit seinen Förmchen und Schäufelchen seine eigenen Burgen bauen.

    Sowieso scheint Deutschland bei der Europäischen Kommission im Moment ähnlich schlecht zu punkten wie deutsche Sangeskunst beim Eurovision Song Contest. Wir trügen – obwohl wir es könnten – zu wenig zur wirtschaftlichen Erholung Europas bei. Und dass unsere Handelsbilanzüberschüsse zu hoch sind, ist ja längst zu einem geflügelten Wort geworden. Warum sollte man uns also noch mehr „dominieren“ lassen?

    Wird an Weidmanns Wesen die Geldpolitik der EZB genesen?

    Würde Weidmann 2019 tatsächlich oberster Währungshüter, wäre er als Stabilitätsteutone ein König ohne Land. Landgewinne wären nur möglich, wenn Jens Weidmann sich zu Mario II. krönen ließe, der bei Zinserhöhungen und Geldverknappung äußerste Milde walten ließe. Ein wirklicher Umkehrschub der EZB wäre dann aber nicht möglich. Ebenso ist die Gefahr groß, dass der Preis für Weidmann for ECB president eine Romanisierung der Eurozone, eine Vergemeinschaftung von Schulden ist. Bekommt Frankreich nicht den EZB-Chefposten, bekommt es zur Wiedergutmachung Eurobonds.

    Ist es für Deutschland also wirklich von Vorteil, wenn der Deutsche Jens Weidmann EZB-Präsident wird? Wäre es nicht viel besser, wenn Villeroy das Amt übernimmt, Deutschland aber mit seiner „Dominanz“ in anderen Institutionen die Stabilitätsfahne aufrechterhält?

    Könnte es sein, dass die Bundesregierung dies genauso sieht? Wenn Berlin einen Stabilitätstod sterben muss, wird es sich dafür entscheiden, weiter die EZB die Zeche der europäischen Konjunktursanierung bzw. Schuldenfinanzierung zahlen zu lassen als den Bundesfinanzminister mit höheren Zinsen für Euro-Anleihen und steigenden Kreditverbindlichkeiten im deutschen Staatshaushalt. Jeder ist sich selbst der Nächste.

    Überhaupt, könnte es sein, dass die Debatte um Herrn Weidmann sogar dem deutschen Wahlkampf geschuldet ist? Immerhin verbindet die verletzte deutsche Stabilitätsseele mit ihm die Rückkehr zur geldpolitischen Disziplin und höhere Anlagezinsen? Das könnte sich am 24. September auszahlen.

    Und wie sieht es danach mit der deutschen Unterstützung für Herrn Weidmann aus? Berlin weiß doch, dass ein viel zu früh aus dem Hut gezogener Kandidat im Polit-Feuer der EU schnell verheizt werden kann. Auch Axel Weber wurde schon einmal als EZB-Präsident gehandelt und bekam das Amt doch nicht.

    Es wäre schade, wenn mit Jens Weidmann eine weitere geld- und stabilitätspolitisch herausragende Persönlichkeit diesen Autoritätsverlust erleiden müsste. Aber schade wäre es ebenso, wenn Weidmanns Stabilitätsüberzeugungen im Präsidentenamt bis zur Unkenntlichkeit geschliffen würden.

    Unter Abwägung aller Punkte ist der geldpolitischen Stabilität mit einem Jens Weidmann als altem und neuem Bundesbankpräsident noch am ehesten geholfen.

    Weidmannsheil!

    Ein Beitrag von Robert Halver.

    Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

    Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

     


    (24.05.2017)

    BSN Podcasts
    Christian Drastil: Wiener Börse Plausch

    Wiener Börse Party #638: I wer narrisch bei Palfinger und VIG, Gratulation an Mike Lielacher und ein Bundesschätze-Wunsch




     

    Bildnachweis

    1. Robert Halver mit Runplugged auf dem Smartphone, im Hintergrund das Parkett der Frankfurter Börse - Halver ist Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank und Finanz-Meteorologe für die Börsenstimmung. Wöchentlich berichtet er über Entwicklungen an den Finanzmärkten, über Wohl und Wehe von DAX, Zinsen, Euro & Co. Anleger erhalten eine fundierte Einschätzung der marktbewegenden Trends, immer   >> Öffnen auf photaq.com

    Aktien auf dem Radar:Immofinanz, Polytec Group, Marinomed Biotech, Flughafen Wien, Warimpex, Lenzing, AT&S, Strabag, Uniqa, Wienerberger, Pierer Mobility, ATX, ATX TR, VIG, Andritz, Erste Group, Semperit, Cleen Energy, Österreichische Post, Stadlauer Malzfabrik AG, Addiko Bank, Oberbank AG Stamm, Agrana, Amag, CA Immo, EVN, Kapsch TrafficCom, OMV, Telekom Austria.


    Random Partner

    Hypo Oberösterreich
    Sicherheit, Nachhaltigkeit und Kundenorientierung sind im Bankgeschäft Grundvoraussetzungen für den geschäftlichen Erfolg. Die HYPO Oberösterreich ist sicherer Partner für mehr als 100.000 Kunden und Kundinnen. Die Bank steht zu 50,57 Prozent im Eigentum des Landes Oberösterreich. 48,59 Prozent der Aktien hält die HYPO Holding GmbH. An der HYPO Holding GmbH sind die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG, die Oberösterreichische Versicherung AG sowie die Generali AG beteiligt.

    >> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner


     Latest Blogs

    » BSN Spitout Wiener Börse: Palfinger dreht nach vier Plus-Tagen

    » Österreich-Depots: Wochenendbilanz (Depot Kommentar)

    » Börsegeschichte 26.4.: Mike Lielacher (Börse Geschichte) (BörseGeschichte)

    » PIR-News: Analysten Einschätzungen zu den Palfinger- und Polytec-Zahlen,...

    » Nachlese: Addiko vs. Marinomed, Bayer, Patrick Kesselhut (Christian Dras...

    » Wiener Börse Party #638: I wer narrisch bei Palfinger und VIG, Gratulati...

    » Wiener Börse zu Mittag stärker: S Immo, Wienerberger, AT&S gesucht, DAX-...

    » Börsenradio Live-Blick 26/4: DAX rauf, Bayer-Boss Anderson in Form, Deut...

    » Börsepeople im Podcast S12/11: Patrick Kesselhut

    » ATX-Trends: Strabag, S Immo, Erste Group, RBI ...


    Useletter

    Die Useletter "Morning Xpresso" und "Evening Xtrakt" heben sich deutlich von den gängigen Newslettern ab. Beispiele ansehen bzw. kostenfrei anmelden. Wichtige Börse-Infos garantiert.

    Newsletter abonnieren

    Runplugged

    Infos über neue Financial Literacy Audio Files für die Runplugged App
    (kostenfrei downloaden über http://runplugged.com/spreadit)

    per Newsletter erhalten


    Meistgelesen
    >> mehr





    PIR-Zeichnungsprodukte
    AT0000A39UT1
    AT0000A347X9
    AT0000A2U2W8
    Newsflow
    >> mehr

    Börse Social Club Board
    >> mehr
      Star der Stunde: Kapsch TrafficCom 2.39%, Rutsch der Stunde: Warimpex -3.6%
      wikifolio-Trades Austro-Aktien 17-18: Kontron(1)
      Star der Stunde: Frequentis 1.48%, Rutsch der Stunde: Warimpex -3.6%
      wikifolio-Trades Austro-Aktien 16-17: AT&S(2), Palfinger(1), Erste Group(1)
      Star der Stunde: Lenzing 1.25%, Rutsch der Stunde: Warimpex -3.6%
      wikifolio-Trades Austro-Aktien 15-16: Erste Group(1), Flughafen Wien(1)
      BSN Vola-Event Siemens Energy
      Star der Stunde: Strabag 2.25%, Rutsch der Stunde: Warimpex -3.6%
      wikifolio-Trades Austro-Aktien 14-15: Palfinger(2), Kontron(1)

      Featured Partner Video

      Börsenradio Live-Blick, Fr. 5.4.24: DAX verliert im Frühgeschäft deutlich, RWE einziger Titel im Plus, starke SAP-Ansage

      Christian Drastil mit dem Live-Blick aus dem Studio des Börsenradio-Partners audio-cd.at in Wien wieder intraday mit Kurslisten, Statistiken und News aus Frankfurt und Wien. Es ist der Podcast, der...

      Books josefchladek.com

      Naotaka Hirota
      La Scène de la Locomotive à Vapeur
      1975
      Yomiuri Shimbun

      Carlos Alba
      I’ll Bet the Devil My Head
      2023
      Void

      Jerker Andersson
      Found Diary
      2024
      Self published

      Christian Reister
      Nacht und Nebel
      2023
      Safelight

      Andreas H. Bitesnich
      India
      2019
      teNeues Verlag GmbH