16.10.2018, 5805 Zeichen
Endlich einmal ein positives Zeichen vom neuen Finanzminister: die Anarchie in der Finanzverwaltung soll ein Ende haben, es soll ein zentrales Finanzamt für ganz Österreich geben (https://derstandard.at/2000089140357/Loeger-plant-die-Zusammenlegung-der-Finanzaemter?ref=rss).
Vor einigen Jahren hatte jemand die unsinnige Idee der „Dezentralisierung“, also der Aufwertung der Finanzämter und der dazugehörigen Vorstände, die bis hin zur Autonomie führte, und selbst im Finanzzentrum Wien-Mitte gibt es viel mehr als einen Finanzamtsvorstand: Die einzelnen Finanzämter dürfen wie eigene Firmen agieren, so hat mir das der letzte Finanzminister einmal erklärt, alles sei delegiert, insbesondere die Personalhoheit, das Finanzministerium will da nicht reinschauen, was so an der Front passiert, es bestand seitens des Ministeriums bis dato kein Interesse, zu erfahren, was schief läuft. Während ein Mitarbeiter früher einfach auf ein anderes Finanzamt wechseln konnte, wenn es Probleme mit Kollegen oder einem Vorgesetzten gab, weil die jeweilige Finanzlandesdirektion (z.B. die für Wien, Niederösterreich und das Burgenland) der Arbeitgeber war, ging das nicht mehr, als das jeweilige Finanzamt zum Arbeitgeber wurde. So kam es in den letzten Jahren dazu, dass wertvolle und bestens ausgebildete Mitarbeiter die Finanzverwaltung verlassen haben müssen. Nur weil einige Finanzamtsvorstände sich in der Rolle des Allmächtigen sehr wohl fühlten. Le bureau des impôts c'est moi, wenn ich diese absolutistische Sichtweise einmal frei in meinem schönsten Französisch ausdrücken darf. Das ist nicht nur menschlich tragisch, das kostet die Republik und somit uns Steuerzahler auch ziemlich viel Geld, denn die Ausbildung von Finanzbediensteten dauert ziemlich lange und kostet entsprechend viel Geld, sie bekommen ja auch in der Ausbildung ihren Bezug.
Die „lustige“ Seite der derzeitigen Lage ist das Ping-Pong-Spiel der Finanzämter: Zum Beispiel wird die Bewertung (Einheitswerte) für ganz Österreich von einem Spezialfinanzamt (Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, kurz „FAGVG“) vorgenommen. In vielen regionalen Finanzämtern Österreichs sitzen Leute in den Bewertungsstellen, die diesem Spezialfinanzamt angehören. Wenn jemand wegen einer Frage zu seiner Grundstücksbewertung anruft, geht vielleicht ein Bearbeiter am anderen Ende Österreichs ans Telefon. Der Tiroler Bergbauer ist da manchmal geschockt, wenn er einen Wiener Beamten am anderen Ende der Leitung hat, der nicht einmal Tirolerisch versteht. Manche fahren extra nach Wien, weil sie dort mit dem Beamten geredet haben, und dann erfahren sie, dass ihr Akt in Linz liegt. Da wird den Steuerbürgern unnötig viel Stress gemacht. Das FAGVG berechnet also die Liegenschaften und alle Änderungen an den Liegenschaften (Neubau, Zubau, Abriss, Teilung, Verkauf usw.). Die darauf entfallenden Bundesabgaben müssen allerdings von den örtlich zuständigen Finanzämtern vorgeschrieben werden. Das sind die Bodenwertabgabe und die Beiträge für land- und forstwirtschaftliches Vermögen. Grundsteuer wird ja von den Gemeinden vorgeschrieben, die ihre Abgaben ebenfalls von den Einheitswerten ableiten, und die Sozialversicherung der Bauern legt für ihre Abgaben auch die Einheitswerte zugrunde, die Kirchensteuer genauso.
Wenn jetzt ein Bürger gegen einen Bescheid beruft, oder wenn der Bescheid wegen Unzustellbarkeit zurück geht, bekommt das örtlich zuständige Finanzamt die Arbeit auf den Tisch. Sie sind aber finanzverwaltungsintern nicht zuständig für solche Sachen, sie sind nur nach außen zuständig. Also leiten sie die Papiere ans FAGVG weiter, das sich um Neuzustellung oder Berufung kümmern soll. Das FAGVG darf aber diese Bescheide nicht versenden, also bekommen die örtlich zuständigen Finanzämter diese Papiere zurück bzw. die Blanko-Berufungserledigung (also ohne Absender, Datum, Amtssiegel und Unterschrift), mit dem Hinweis, wie sie neu oder überhaupt zuzustellen sind. Nicht wenige Leute am örtlich zuständigen Finanzamt sind davon überfordert und schicken die Sachen zurück ans FAGVG. Korrekt wäre, dass sie ihren Stempel, ihre Unterschrift (obwohl sie im seltensten Fall wissen, wie sich das Bescheidergebnis errechnet) und das Bescheiddatum drauf tun und den Bescheid an den Steuerschuldner versenden. Der Durchschlag hat ans FAGVG zurück zu gehen, weil er dort in den Bewertungsakt kommt. Manchmal funktioniert es. Wenn der Bürger nun persönlich etwas am Finanzamt besprechen will, kommt er zuerst ins unzuständige örtliche Finanzamt. Dort schicken sie ihn weiter ins Finanzzentrum Wien-Mitte.
Und mit viel Glück weist ihm jemand den Weg in die Bewertungsstelle, mit weniger Glück verirrt er sich dort. Dort kann er das mit den Bewertungsleuten klären, und selbst wenn alles geklärt ist, müssen Steuerbürger und Bewertungsleute noch hoffen, dass die Sache am örtlich zuständigen Finanzamt auch richtig verbucht wird. Ganz schwer geht hier das Neuanlegen von Steuerkonten, da sind recht viele der Leute in der Finanzkasse der örtlich zuständigen Finanzämter überfordert, denn insbesondere diese Beiträge für land- und forstwirtschaftliches Vermögen sind ja nicht ihr Tagesgeschäft, mit so Spezialsteuern haben sie wenig zu tun. Aber hat ein Bauer z.B. ein Grundstück in Wien und eines im benachbarten Niederösterreich, hat er zwar im Normalfall nur einen einzigen Bewertungsakt, aber die Steuern auf diese Liegenschaften sind händisch abzubuchen, denn die EDV ist davon überfordert. Warum? Weil Wien und Niederösterreich unterschiedliche Hebesätze haben, ein Grundstück in Niederösterreich wird anders besteuert als eines in Wien. Wir sind ja ein Bundesstaat aus 9 unabhängigen Ländern. Das hört sich jetzt vielleicht lustig an, für die zuständigen Bearbeiter und auch für die Grundstücksbesitzer ist das alles andere als lustig.
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