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Agrana feiert 30er an der Börse: Interview mit Company Builder Johann Marihart, der von A bis (fast) Z dabei war (Christian Drastil)

Autor:
Christian Drastil

Der Namensgeber des Blogs. Ich funktioniere nach dem Motto "Trial, Error & Learning". Mehrjährige Business Pläne passen einfach nicht zu mir. Zu schnell (ver)ändert sich die Welt, in der wir leben. Damit bin ich wohl nicht konzernkompatibel sondern lieber ein alter Jungunternehmer. Ein lupenreiner Digital Immigrant ohne auch nur einen Funken Programmier-Know-How, aber - wie manche sagen - vielleicht mit einem ausgeprägten Gespür für Geschäftsmodelle, die funktionieren. Der Versuch, Finanzmedien mit Sport, Musik und schrägen Ideen positiv aufzuladen, um Financial Literacy für ein grosses Publikum spannend zu machen, steht im Mittelpunkt. Diese Dinge sind mein Berufsleben und ich arbeite gerne. Der Blog soll u.a. zeigen, wie alles zusammenhängt und welches Bigger Picture angestrebt wird.
Christian Drastil

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09.07.2021, 10745 Zeichen

Morgen gibt es ein rundes Jubiläum an der Wiener Börse: 30 Jahre Agrana. Das IPO mit Vorzugsaktien erfolgte am 10.7.1991, Emissionserlös war damals etwas mehr als eine Mrd. Schilling. Johann Marihart war von der Gründung der Agrana (gemeinsam mit den Raika-Granden Rothensteiner und Konrad) bis (fast) zum 30er an der Börse Mitte Juli 2021 mittendrin, statt nur dabei und hat den „Zucker, Frucht & Stärke“-Konzern als Company-Builder geschickt konstruiert. Zum CEO-Abschied vor wenigen Wochen machten wir eine Zeitreise per Interview.

Lieber Herr Marihart, Sie sind einer der nachhaltigsten Manager Europas. Sie waren seit 1988 im Vorstand der Agrana. Und Sie gelten ja sogar als Erfinder des Wiener Zuckers, sagt mir wikipedia …
Johann Marihart (schmunzelt): Ja, wie so vieles fällt auch das in meine lange Zeit als Agrana-Vorstand, Erfinder klingt beim Wiener Zucker aber doch ein wenig mächtig. Es verhielt sich so. Das Produkt hieß vorher „Natürlich Zucker“ und brauchte im Zuge des EU-Beitritts einen neuen Namen, weil man das Wort „natürlich“ zu nahe an einer gesundsheitsbezogenen Angabe interpretierte. Also starteten wir eine Umfrage: Da wurden Namen wie „Tullner Sonne“ oder eben „Wiener Zucker“ eingeworfen. Ich hatte Sorgen, ob der Name „Wiener Zucker“ österreichweit funktionieren würde. Doch, siehe da: Just im Westen, in Tirol und Vorarlberg, war es ein toller Erfolg.

Im Börse Social Magazine geht es natürlich immer um die Börse: 1991 war es bei der Agrana soweit, in wenigen Wochen feiert das Unternehmen seinen 30er an der Börse. Ich habe ein Börsejahrbuch aus 1991 mitgenommen, da sehe ich beim Agrana-Portrait Sie als Vorstandsvorsitzenden, weiters im Vorstand einen gewissen Herrn Rothensteiner und im Aufsichtsrat einen gewissen Herrn Konrad. Klar, Agrana und der Raiffeisen-Sektor sind eng verwoben, aber welche Rolle spielte Rothensteiner im Agrana-Vorstand?
Da hole ich ein wenig aus. Die Agrana war ja eigentlich in Vorbereitung auf den EU-Beitritt gegründet worden, dies mit Raiffeisen und Südzücker als Aktionäre und Sicherheitslinie. Dann kam es zum Fall des Eisernen Vorhangs. Die Ostöffnung, die eigentlich ein Überraschungseffekt war, wurde dann rasch zu unserer Story für den Börsegang. Im Westen hatten wir eine harte Grenze EFTA/EU, der Osten barg große Chancen. Ich kannte Dr. Rothensteiner schon lange davor, er war Generalsekretär bei der Raiffeisen-Landesbank NÖ. Kontakte in den Osten hatte er sehr gute und wir bekamen Möglichkeiten, wenn es Reiseerlaubnis gab. Die erste Beteiligung war das Stärkeunternehmen Hungrana. Ja, das Projekt Osterweiterung wurde zur Börsestory, Vorzugsaktien lagen damals im Trend, Stammaktien kamen später.

Sie haben vor 30 Jahren einen mutigen Zeitpunkt gewählt, Sie gingen nämlich Mitte Juli und damit mitten in der Ferienzeit an die Börse.
Ja, aber das Bekenntnis war stark. Man war als Eigentümer bereit, Aktien zu begeben. Das war für eine Genossenschaft nicht selbstverständlich. Wie erwähnt, wurden stimmrechtslose Vorzugsaktien gewählt, das wäre heute undenkbar. Als Vorstand wollten wir Finanzierungsmittel durch Eigenkapital. Ich glaube, das IPO war damals gut gemacht. Es waren auch meine ersten Roadshows.

Ach ja, das erinnert ja daran, dass es neben digitalen Roadshows in der Zoom-Ära auch mal physische Roadshows gegeben hat.
(lacht) Ja, aber wir hatten immerhin einen Film dabei: „Agrana wächst aus gutem Grund“. Für mich als Chemiker - Biotechnologie und Lebensmittelchemie mit viel Forschung & Entwicklung - , ich war ja kein Finanzmann, da war ein Börsengang eine neue Welt und es war durchaus aufregend, das öffentlich zu bewerben. Dr. Rothensteiner wiederum war ein Finanzfachmann und der CFO.

Also quasi auch ein Investor Relations Verantwortlicher, bevor es diese Bezeichnung gab …
Kann man so sagen. Der Pricing-Prozess war spannend, da fiebert man mit, wieviel es werden wird, ein bisschen Abstrich muss man dann zum Schluss immer machen. Wir waren jedenfalls mit der Resonanz auf unser Angebot letztendlich sehr zufrieden.

Sie sind mit 685 Schilling je Aktie an die Börse gegangen, nicht nur wegen der Euro-Umstellung sondern auch wegen dem Thema Aktiensplit ist das nicht mit dem heutigen Kurs vergleichbar, war aber langfristig Basis für eine tolle Rendite. Kurzfristig ging es aber gleich ordentlich nach unten, 1991 war kein gutes Börsejahr, Stichworte Gorbi-Crash und beginnende Anzeichen der Jugoslawien-Krise. Welche Krise war in Ihrer langen Agrana-Zeit am schwersten?
Die politischen Krisen haben uns nicht wirklich getroffen. Für mich waren die größten Umbrüche der EU-Beitritt, da kam es dann tatsächlich zu einer Krise im Stärke-Bereich, denn im Ausland gab es viel größere Stärke-Unternehmen, wir machten damals einen Verlust von zehn Prozent des Umsatzes im Stärke-Bereich. Wir sagten dann, dass wir wachsen müssen. Wir haben in Aschach beim Mais ordentlich aufgerüstet. Wir konnten den Vorteil nutzen, den wir in der Isolationszeit Ost vs. West noch hatten, wir mussten nur gleich gut wie die Wettbewerber sein.

Und Highlights?
Zunächst die erwähnte Gründungsstory rund um den EU-Beitritt, dann die Osterweiterung. Wir haben akquiriert, bis wir an kartellrechtliche Grenzen gestoßen sind. Mittlerweile haben wir teilweise lokale Alleinstellung, weil die anderen aufgegeben haben. Krisen konnten wir meist nutzen: 2001 hatten wir bereits Frucht im Auge gehabt und wollten Atys von Pernod Ricard erwerben. Pernod Ricard wollte damals nur noch Alkohol, sie haben das Fruchtgeschäft abgetrennt und via Butler Capital Partners in ein Investmentvehikel gegeben. Die Investoren des Vehikels wollten in der Krise 2001 zum Teil aussteigen, und so konnten wir in den Folgejahren gut einsteigen, dies in 25-Prozent-Tranchen. 2004 hatten wir dann 100 Prozent. Auch die Akquise von Steirerobst war wichtig, da hat Raiffeisen geholfen, die Osterfahrung war wichtig, weil die Steirerobst in den Osten musste. Ein Russland-Werk war den alten Eigentümern zu heiß und wir sind auch das wie bei Atys angegangen und so kamen wir zur Steirerobst als zweiten Baustein.

Im Raum, in dem wir hier sitzen, hängen große Bilder Ihrer drei Segmente Frucht, Stärke und Zucker. Kann man sagen, dass diese Akquisen die heutige Struktur geschaffen haben?
So ist es.

Steirerobst war ja auch an der Börse, Atys wiederum klingt ein wenig wie ATX, 2005 erfolgte die erste Aufnahme der Agrana in den Leitindex, die Geschichte mit Zucker, Frucht und Stärke hatte also auch Folgeeffekte. Wie wichtig war Ihnen das Dabeisein im ATX?
Sehr wichtig, vor allem in Hinsicht auf die Liquidität der Aktie. Unsere Aktien wurden ja traditionell gerne in die Tresore gelegt. Das ist schon gut, weil es einen Vertrauensbeweis darstellt, aber für die Liquidität ist das natürlich nicht so toll. Obwohl das Mindset für Börsenkultur gegeben war, war die Eigentümerstruktur nicht bereit für mehr Streubesitz. Für den ATX braucht man aber auch Streubesitz, deshalb waren unsere ATX-Phasen jeweils nicht sehr lange.

2005 ging dann auch Raiffeisen selbst mit der damaligen Raiffeisen International an die Börse. Gab es da Schnittmengen?
Nein. Für mich ist 2005 aber vor allem aus einem anderen Grund spannend gewesen. Wir sind in die Ethanolproduktion eingestiegen. Eigentlich wollten wir das in Schwechat nahe dem Hauptkunden OMV ansiedeln, aber da war leider kein Platz, die OMV brauchte jeden Quadratmeter selbst. So wurde es dann Pischelsdorf bei der Donau Chemie. Das war eine gute Entscheidung. Seither wurde in Pischelsdorf viel investiert. Man darf nicht vergessen, dass der Ethanol-Preis sehr volatil ist. Um das abzufedern, haben wir auch die Weizenstärke nach Pischelsdorf gebracht. Die Papierindustrie ist der wichtigste Kunde dafür, da ging es um Altpapierrecycling, alte Tissue-Maschinen wurden umgebaut zu Verpackungsmaschinen.

Mit den genannten Akquisen und Strategien konnten Sie den Umsatz in drei Jahrzehnten versiebenfachen, die Aktie blieb Bottom Line als defensives Papier rein von der Preisentwicklung hinter dem ATX zurück, ist jedoch ein wunderbares Dividendenpapier mit Renditen von zuletzt zB. 5 Prozent. Darf ich Sie zum Ende Ihrer Ära nochmal um die Equity Story bitten?
„Man wächst aus gutem Grund“, wie im Film damals. Es war stets so angelegt, dass das ein gutverzinsliches Sparbuch ist, wir stehen zur Dividendenpolitik. Wir schütten viel aus und wachsen trotzdem. Das muss kein Widerspruch sein. Unsere Hungrana schüttet sogar alles aus, wächst aber trotzdem. Das, was wir den Anlegern versprochen haben, haben wir geliefert und ich glaube sogar ein wenig mehr. Und man soll ja nicht vergessen: Wir haben Kernaktionäre, die gemeinsam 75 Prozent haben.

Kennen Sie, zB. über Shareholder-ID, weitere Institutionelle?
Ja, klar. Wir kennen Institutionelle Investoren, die treue Aktionäre sind und die wir regelmäßig treffen. Denen gefällt die Wachstumsstory. Ich selbst war viel auf Roadshow europaweit und bin stets auf interessiertes Publikum gestoßen.

Sie werden auch von Privatanlegern sehr für ihre Zeit, Expertise, HV-Durchführungen und Werksführungen geschätzt. Auch mein Kollege beim Börsenradio, Peter Heinrich, war nach Interviews mit Ihnen in Bezug auf die Wissensvermittlung stets angetan. Ich selbst habs dann immer beim Laufen genossen und viel gelernt ...
Das freut mich ganz besonders, wenn die Privataktionäre und Kollegen Ihnen das sagen und Sie beim Laufen Spaß hatten.

Sind Sie selbst eigentlich auch Agrana-Aktionär?
Nein. Ich war ja auch Südzucker-Vorstandsmitglied, da hat man dann nur noch Mondfenster, um irgendwas kaufen zu dürfen. Ich bin aber ein starker Verfechter davon, dass Aktien viel stärker Teil der Vorstandsvergütung sein sollten.

Was möchten Sie dem Kapitalmarkt abschließend noch sagen?
Zwei Dinge haben die Kultur der Agrana maßgeblich geprägt: Der Kapitalmarkt und die Internationalisierung. Ein Listing bedeutet Transparenz, das Denken, dass man allen die gleiche Information gibt. Gott sei Dank sind Wirtschaft und Börse heute ein Thema für alle. Das Öffentliche ist auch wichtig, wir hatten ja erst Kritik für die Investments im Osten, aber Agrana war dann ein Profiteur der Ostöffnung. Und: Als Chemiker muss man auch Erfinder sein. Ich bin Miterfinder bei Patenten, die auf natürlichen Desinfektionsmitteln basieren, da geht es um Hopfensäuren oder Baumharzsäuren. Diese werden bei uns eingesetzt statt früher Formaldehyd.

Hopfen! Mal überlegt, ein Bier zu brauen?
(lacht) Nein, da gibt‘s viel bessere wie zB. die Ottakringer, da bin ich Aufsichtsrat.

Text: Christian Drastil Foto: Josef Chladek - aus dem "Börse Social Magazine #53" - 1 Jahr, 12 Augaben, 77 Euro. Ca. 100 Seiten im Monat, ca. 1200 Seiten Print A4
Agrana ( Akt. Indikation:  18,48 /18,60, -1,07%)

(Der Input von Christian Drastil für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 09.07.)


(09.07.2021)

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Christian Drastil: Wiener Börse Plausch

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Agrana
Akt. Indikation:  13.95 / 14.00
Uhrzeit:  10:05:03
Veränderung zu letztem SK:  2.76%
Letzter SK:  13.60 ( 0.00%)



 

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    Im Börse Social Magazine geht es natürlich immer um die Börse: 1991 war es bei der Agrana soweit, in wenigen Wochen feiert das Unternehmen seinen 30er an der Börse. Ich habe ein Börsejahrbuch aus 1991 mitgenommen, da sehe ich beim Agrana-Portrait Sie als Vorstandsvorsitzenden, weiters im Vorstand einen gewissen Herrn Rothensteiner und im Aufsichtsrat einen gewissen Herrn Konrad. Klar, Agrana und der Raiffeisen-Sektor sind eng verwoben, aber welche Rolle spielte Rothensteiner im Agrana-Vorstand?
    Da hole ich ein wenig aus. Die Agrana war ja eigentlich in Vorbereitung auf den EU-Beitritt gegründet worden, dies mit Raiffeisen und Südzücker als Aktionäre und Sicherheitslinie. Dann kam es zum Fall des Eisernen Vorhangs. Die Ostöffnung, die eigentlich ein Überraschungseffekt war, wurde dann rasch zu unserer Story für den Börsegang. Im Westen hatten wir eine harte Grenze EFTA/EU, der Osten barg große Chancen. Ich kannte Dr. Rothensteiner schon lange davor, er war Generalsekretär bei der Raiffeisen-Landesbank NÖ. Kontakte in den Osten hatte er sehr gute und wir bekamen Möglichkeiten, wenn es Reiseerlaubnis gab. Die erste Beteiligung war das Stärkeunternehmen Hungrana. Ja, das Projekt Osterweiterung wurde zur Börsestory, Vorzugsaktien lagen damals im Trend, Stammaktien kamen später.

    Sie haben vor 30 Jahren einen mutigen Zeitpunkt gewählt, Sie gingen nämlich Mitte Juli und damit mitten in der Ferienzeit an die Börse.
    Ja, aber das Bekenntnis war stark. Man war als Eigentümer bereit, Aktien zu begeben. Das war für eine Genossenschaft nicht selbstverständlich. Wie erwähnt, wurden stimmrechtslose Vorzugsaktien gewählt, das wäre heute undenkbar. Als Vorstand wollten wir Finanzierungsmittel durch Eigenkapital. Ich glaube, das IPO war damals gut gemacht. Es waren auch meine ersten Roadshows.

    Ach ja, das erinnert ja daran, dass es neben digitalen Roadshows in der Zoom-Ära auch mal physische Roadshows gegeben hat.
    (lacht) Ja, aber wir hatten immerhin einen Film dabei: „Agrana wächst aus gutem Grund“. Für mich als Chemiker - Biotechnologie und Lebensmittelchemie mit viel Forschung & Entwicklung - , ich war ja kein Finanzmann, da war ein Börsengang eine neue Welt und es war durchaus aufregend, das öffentlich zu bewerben. Dr. Rothensteiner wiederum war ein Finanzfachmann und der CFO.

    Also quasi auch ein Investor Relations Verantwortlicher, bevor es diese Bezeichnung gab …
    Kann man so sagen. Der Pricing-Prozess war spannend, da fiebert man mit, wieviel es werden wird, ein bisschen Abstrich muss man dann zum Schluss immer machen. Wir waren jedenfalls mit der Resonanz auf unser Angebot letztendlich sehr zufrieden.

    Sie sind mit 685 Schilling je Aktie an die Börse gegangen, nicht nur wegen der Euro-Umstellung sondern auch wegen dem Thema Aktiensplit ist das nicht mit dem heutigen Kurs vergleichbar, war aber langfristig Basis für eine tolle Rendite. Kurzfristig ging es aber gleich ordentlich nach unten, 1991 war kein gutes Börsejahr, Stichworte Gorbi-Crash und beginnende Anzeichen der Jugoslawien-Krise. Welche Krise war in Ihrer langen Agrana-Zeit am schwersten?
    Die politischen Krisen haben uns nicht wirklich getroffen. Für mich waren die größten Umbrüche der EU-Beitritt, da kam es dann tatsächlich zu einer Krise im Stärke-Bereich, denn im Ausland gab es viel größere Stärke-Unternehmen, wir machten damals einen Verlust von zehn Prozent des Umsatzes im Stärke-Bereich. Wir sagten dann, dass wir wachsen müssen. Wir haben in Aschach beim Mais ordentlich aufgerüstet. Wir konnten den Vorteil nutzen, den wir in der Isolationszeit Ost vs. West noch hatten, wir mussten nur gleich gut wie die Wettbewerber sein.

    Und Highlights?
    Zunächst die erwähnte Gründungsstory rund um den EU-Beitritt, dann die Osterweiterung. Wir haben akquiriert, bis wir an kartellrechtliche Grenzen gestoßen sind. Mittlerweile haben wir teilweise lokale Alleinstellung, weil die anderen aufgegeben haben. Krisen konnten wir meist nutzen: 2001 hatten wir bereits Frucht im Auge gehabt und wollten Atys von Pernod Ricard erwerben. Pernod Ricard wollte damals nur noch Alkohol, sie haben das Fruchtgeschäft abgetrennt und via Butler Capital Partners in ein Investmentvehikel gegeben. Die Investoren des Vehikels wollten in der Krise 2001 zum Teil aussteigen, und so konnten wir in den Folgejahren gut einsteigen, dies in 25-Prozent-Tranchen. 2004 hatten wir dann 100 Prozent. Auch die Akquise von Steirerobst war wichtig, da hat Raiffeisen geholfen, die Osterfahrung war wichtig, weil die Steirerobst in den Osten musste. Ein Russland-Werk war den alten Eigentümern zu heiß und wir sind auch das wie bei Atys angegangen und so kamen wir zur Steirerobst als zweiten Baustein.

    Im Raum, in dem wir hier sitzen, hängen große Bilder Ihrer drei Segmente Frucht, Stärke und Zucker. Kann man sagen, dass diese Akquisen die heutige Struktur geschaffen haben?
    So ist es.

    Steirerobst war ja auch an der Börse, Atys wiederum klingt ein wenig wie ATX, 2005 erfolgte die erste Aufnahme der Agrana in den Leitindex, die Geschichte mit Zucker, Frucht und Stärke hatte also auch Folgeeffekte. Wie wichtig war Ihnen das Dabeisein im ATX?
    Sehr wichtig, vor allem in Hinsicht auf die Liquidität der Aktie. Unsere Aktien wurden ja traditionell gerne in die Tresore gelegt. Das ist schon gut, weil es einen Vertrauensbeweis darstellt, aber für die Liquidität ist das natürlich nicht so toll. Obwohl das Mindset für Börsenkultur gegeben war, war die Eigentümerstruktur nicht bereit für mehr Streubesitz. Für den ATX braucht man aber auch Streubesitz, deshalb waren unsere ATX-Phasen jeweils nicht sehr lange.

    2005 ging dann auch Raiffeisen selbst mit der damaligen Raiffeisen International an die Börse. Gab es da Schnittmengen?
    Nein. Für mich ist 2005 aber vor allem aus einem anderen Grund spannend gewesen. Wir sind in die Ethanolproduktion eingestiegen. Eigentlich wollten wir das in Schwechat nahe dem Hauptkunden OMV ansiedeln, aber da war leider kein Platz, die OMV brauchte jeden Quadratmeter selbst. So wurde es dann Pischelsdorf bei der Donau Chemie. Das war eine gute Entscheidung. Seither wurde in Pischelsdorf viel investiert. Man darf nicht vergessen, dass der Ethanol-Preis sehr volatil ist. Um das abzufedern, haben wir auch die Weizenstärke nach Pischelsdorf gebracht. Die Papierindustrie ist der wichtigste Kunde dafür, da ging es um Altpapierrecycling, alte Tissue-Maschinen wurden umgebaut zu Verpackungsmaschinen.

    Mit den genannten Akquisen und Strategien konnten Sie den Umsatz in drei Jahrzehnten versiebenfachen, die Aktie blieb Bottom Line als defensives Papier rein von der Preisentwicklung hinter dem ATX zurück, ist jedoch ein wunderbares Dividendenpapier mit Renditen von zuletzt zB. 5 Prozent. Darf ich Sie zum Ende Ihrer Ära nochmal um die Equity Story bitten?
    „Man wächst aus gutem Grund“, wie im Film damals. Es war stets so angelegt, dass das ein gutverzinsliches Sparbuch ist, wir stehen zur Dividendenpolitik. Wir schütten viel aus und wachsen trotzdem. Das muss kein Widerspruch sein. Unsere Hungrana schüttet sogar alles aus, wächst aber trotzdem. Das, was wir den Anlegern versprochen haben, haben wir geliefert und ich glaube sogar ein wenig mehr. Und man soll ja nicht vergessen: Wir haben Kernaktionäre, die gemeinsam 75 Prozent haben.

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