28.09.2023,
7471 Zeichen
Wien (OTS) - „Wir möchten Optimismus versprühen, aber wir können die
Realitäten nicht ausblenden“, sagte Rainer Trefelik, Obmann der
Bundessparte Handel, zu Beginn des gestrigen Handelstags, zu dem die
Bundessparte in die Wirtschaftskammer Österreich eingeladen hatte.
Damit sprach Trefelik auch gleich die beiden Schwerpunktthemen des
hochkarätig besetzten Branchenevents an: die möglichen
Zukunftschancen auf der einen Seite und die schwierigen derzeitigen
Bedingungen auf der anderen. Konkret diskutierten Top-Vertreter aus
Politik und Wirtschaft Auswege aus Kostenexplosion, Kaufzurückhaltung
aufgrund der schwachen Konjunktur, Arbeitskräftemangel sowie die
notwendigen Veränderungen in Richtung Digitalisierung und
Nachhaltigkeit.
WKÖ-Präsident
Harald Mahrer betonte, dass die Herausforderungen
nicht durch eine „Verzichtsökonomie“ zu meistern seien: „Eine
positive Entwicklung heißt sicher nicht gesundschrumpfen oder dass
Österreich sich rückentwickelt.“ Vielmehr müssten die Chancen, die
sich durch die Digitalisierung ergeben, genützt werden. Aber auch
dadurch, dass im Handel der Mensch im Mittelpunkt steht, sieht Mahrer
eine Chance für die Branche, Stichwort persönliche Beratung.
Gleichzeitig sei der Arbeitskräftemangel eines der drängenden
Probleme. „Der Handel sowie die gesamte österreichische Wirtschaft
spüren die demografische Entwicklung. Es wird eine der
Schlüsselfragen der nächsten 10 bis 15 Jahre sein, dass wir
ausreichend Arbeitskräfte bekommen“, so Mahrer. Hier gelte es,
gemeinsam mit der Politik Lösungen umzusetzen, die bereits auf dem
Tisch liegen.
Für den Handel selbst freilich ist es schwer, derzeit mit Anreizen
zu locken: „Was uns zu schaffen macht, ist die Schere zwischen
Umsatzentwicklung und Kostenexplosion. Die Umsätze erreichen einfach
nicht jenes Niveau, das wir brauchen, um die Steigerungen bei
Energieenergiekosten, den Mieten und den Personalkosten zu stemmen“,
schilderte Handelsobmann Trefelik die aktuell für die Unternehmen
belastende Situation und forderte einmal mehr die Umsetzung des
Energiekostenzuschuss 2 ein.
Energiekostenzuschuss 2 dringend nötig
Auch WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf drängte auf die Umsetzung
des bereits vor mehr als neun Monaten angekündigten
Energiekostenzuschuss 2. Kopf kündigte zudem an, nach den
KV-Verhandlungen alles daran zu setzen, „in ein Offensivprogramm zu
kommen, denn wir brauchen standortstärkende und stimmungsverbessernde
Maßnahmen“. Dazu zählen Investitionsanreize genauso wie eine
Lohnnebenkostensenkung. „Es ist notwendig, dass wir die
Lohnnebenkosten senken. Wir brauchen dringend wieder Wachstum, was
aber nie durch Belastung, sondern immer durch Entlastung entsteht“,
sagte Kopf.
Welche Maßnahmen die Regierung trifft bzw. bereits getroffen hat,
um sowohl die Unternehmen zu unterstützen als auch die Kaufkraft der
Konsument:innen zu fördern, schilderte Eva Landrichtinger,
Generalsekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.
AMS-Vorstand Johannes Kopf wiederum ging detailliert auf die
Arbeitsmarktsituation im Handel ein und rechnete dabei vor: „Der
Handel hat aktuell rund 16.000 Beschäftigte mehr als vor der
Pandemie, aber diese insgesamt mehr als 575.000 Menschen arbeiten so
viele Stunden, als wären es 20.000 Vollzeitarbeitsplätze weniger,
verglichen mit der Zeit vor der Pandemie.“ Grund dafür sei der Trend
zu Teilzeit. Möglichkeiten, um zusätzliches Personal zu gewinnen,
ortet der AMS-Chef u.a. im längeren Arbeiten im Alter sowie in der
Aufstockung von Stunden bei Frauen, aber auch darin, Stelleninserate
ansprechender zu gestalten. Viele Unternehmen hätten noch zu wenig im
Fokus, sich als attraktiver Arbeitgeberbetrieb zu präsentieren.
Arbeitgeber sind außerdem aufgefordert, ihren Beschäftigten
Stundenaufstockungen anzubieten.
Ähnliche Möglichkeiten sieht EcoAustria-Direktorin Monika
Köppl-Turyna, die zudem zeigte, dass nahezu der gesamte
Beschäftigungsanstieg seit den 1970er Jahren auf der Zunahme von
Teilzeitbeschäftigten basierte. Zusätzliche Hebel seien mehr
Kinderbetreuungsangebot sowie steuerliche Maßnahmen, damit netto mehr
übrigbleibt und sich ein Aufstocken von Stunden stärker lohnt.
Mitarbeiter:innen nehmen Handel als attraktiven Arbeitgeber wahr
Die bestehenden Handelsmitarbeiter:innen arbeiten jedenfalls gerne
in der Branche: Eine Studie der JKU zum Thema Employer Attractiveness
im Einzelhandel ergab, dass 79 Prozent der befragten
Handelsmitarbeiter:innen sagen, ihre Tätigkeit sei attraktiv, wie
Christoph Teller, Leiter des Instituts Handel, Absatz und Marketing,
und Ernst Gittenberger, Leiter Centre of Retail and Consumer Research
an der JKU, präsentierten. Wie man das Image nach außen verbessern
und neue Mitarbeiter:innen gewinnen kann, darüber diskutierten die
JKU-Experten dann mit Handelsobmann Trefelik, der betonte, dass der
Handel „bunt, breit und divers“ sei und viele Möglichkeiten biete,
EcoAustria-Chefin Köppl-Turyna sowie Kilian Kaminski und Sarah
Weyers, Gründer sowie Communications Managerin von refurbed, einem
Unternehmen, das bereits mehrfach als attraktiver Arbeitgeber
ausgezeichnet wurde.
Herausforderungen durch die Twin Transition
Praxisbeispiele standen auch im Mittelpunkt des zweiten
Schwerpunktthemas des Handelstags, der Twin Transition. Dabei betonte
Mariana Kühnel, Generalsekretär-Stellvertreterin der WKÖ: „Man sollte
in jedem Fall über den Tellerrand schauen und sich im Bereich
Digitalisierung Ideen holen. Denn hier gibt es unglaubliche
Zukunftschancen, die den Turbo zünden können.“
Maria Ulmer, Sektionschefin Digitalisierung und E-Government im
Finanzministerium, befasste sich mit der Frage, wieweit die
Digitalisierung als Booster für den Standort wirken kann und ging
dabei auf den konkreten Nutzen von Projekten wie der digitalen
Kompetenzoffensive oder ID Austria ein. Retail-Expertin Theresa
Schleicher wiederum ermutigte dazu, sich vor digitalen und
nachhaltigen Trends nicht zu fürchten.
Schon mitten in der Umsetzung mancher spannender Zukunftsidee
befindet sich Ikea, wie Nicole Reitinger, Country Business
Development & Transformation Managerin von IKEA Österreich,
schilderte. Über innovative Lösungen ging es zudem in den Beiträgen
von Eva Eggeling, Leiterin Fraunhofer Innovationszentrum für
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz KI4LIFE sowie von Iris
Thalbauer, als Geschäftsführerin der Bundessparte Handel gemeinsam
mit Handelsobmann Trefelik auch Gastgeberin der Veranstaltung, und
WKÖ-Head of Startups-Services
Kambis Kohansal Vajargah.
Weitere konjunkturelle Eintrübung heuer, aber Besserung 2024
Zum Abschluss des Handelstags warf der neue IHS-Chef Holger Bonin
noch einen Blick auf die konjunkturelle Entwicklung. Diese verheißt
für den Rest des heurigen Jahres nichts Gutes, sondern Bonin geht im
Gegenteil von einer weiteren Eintrübung der Konjunktur aus. Ein
wesentlicher Grund ist die schlechte Auftragslage in der Industrie.
Angesichts der hohen Inflation halten sich viele Verbraucher beim
Einkaufen noch zurück. Wegen der österreichischen Besonderheit, dass
viele Preise, Mieten und wegen der der Benya-Formel auch die Löhne
automatisch an den Verbraucherpreis gekoppelt sind, dürften die
Preise hier noch länger stärker steigen als im Rest der Eurozone.
Dennoch zeigte sich Bonin für 2024 optimistisch. Ein anziehender
Welthandel und kräftig steigende Reallöhne könnten dafür sorgen, dass
Österreich im nächsten Jahr wieder näher an sein mittelfristiges
Potenzialwachstum herankommt.
[Hier] (https://flic.kr/ps/3ZJuFd) geht es zur Foto-Rückschau auf
den spannenden Handelstag 2023. (PWK322/DFS)
BSN Podcasts
Christian Drastil: Wiener Börse Plausch
SportWoche Podcast #106: Persönliches Fail-Fazit VCM und Staatsmeisterin Carola Bendl-Tschiedel über Rekordlerin Julia Mayer
Aktien auf dem Radar:Immofinanz, Polytec Group, Marinomed Biotech, Flughafen Wien, Warimpex, Lenzing, AT&S, Strabag, Uniqa, Wienerberger, Pierer Mobility, ATX, ATX TR, VIG, Andritz, Erste Group, Semperit, Cleen Energy, Österreichische Post, Stadlauer Malzfabrik AG, Addiko Bank, Oberbank AG Stamm, Agrana, Amag, CA Immo, EVN, Kapsch TrafficCom, OMV, Telekom Austria, Siemens Energy, Intel.
Wiener Börse
Die Wiener Börse wurde im Jahr 1771 als eine der ersten Börsen weltweit gegründet. Zu den Hauptgeschäftsbereichen zählen der Handel am Kassamarkt und der Handel mit strukturierten Produkten. Zusätzliche Leistungen umfassen Datenverkauf, Indexentwicklung und -management sowie Seminare und Lehrgänge.
>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner
Mehr aktuelle OTS-Meldungen HIER