04.10.2023,
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Wien (OTS) - Vor dem Hintergrund der Klimakrise erlangt das Thema
Bodenverbrauch endlich auch in der öffentlichen Diskussion jene
Bedeutung, die es schon lange verdient. Aber: Statt konstruktiv über
Lösungen zu diskutieren, werden "Flächen-Sünder" gesucht und derzeit
– entgegen allen wissenschaftlichen Fakten – primär im Bereich des
Einzelhandels bzw. der Shoppingcenter "identifiziert". Eine neue
Studie von Standort + Markt zeichnet nun ein deutlich
differenzierteres Bild.
"Über Geschmack kann man diskutieren, über Fakten nicht. Der
Handel ist mit 0,6 Prozent der gesamten Flächeninanspruchnahme in
Österreich nicht der Treiber des Bodenverbrauchs, sondern eine
Randerscheinung. Für die bisherige Flächeninanspruchnahme sind
schwerpunktmäßig der Wohnbau mit 45,4 Prozent, Verkehrsflächen mit
36,0 Prozent und handelsfremde Betriebsflächen mit 10,9 Prozent
hauptverantwortlich. Dennoch sichert der Handel in allen Regionen die
Nahversorgung und belebt Gemeinden", fasst
Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will die wichtigsten Ergebnisse
der brandneuen Studie zusammen, die er heute mit Christoph
Andexlinger, Obmann des Austrian Council of Shopping Places (ACSP),
präsentierte und die der Handelsverband und das ACSP gemeinsam in
Auftrag gegeben haben.
"Die neue Studie von Standort+Markt zeigt, dass nur drei Promille
der versiegelten Fläche in Österreich auf Shoppingcenter entfallen.
Wer davon ableitet, dass unsere Branche der Treiber der
Flächenversiegelung sei, liegt offensichtlich falsch und verkennt die
Fakten. In den vergangenen drei Jahren kam zudem praktisch kaum ein
Quadratmeter Flächenversiegelung durch Shoppingcenter neu hinzu",
sagt Christoph Andexlinger. “Gemessen am Wachstum anderer Sektoren
entwickelt sich der Anteil des Handels am Flächenverbrauch sogar
unterdurchschnittlich – mit weiter rückläufiger Tendenz“, ergänzt
Handelssprecher Will.
Zwtl.: Bundesweite Bodenstrategie ausständig
Pro Jahr werden in Österreich im Schnitt 41 km2 an Boden in
Anspruch genommen, das entspricht in etwa einem Bodenverbrauch von
11,3 ha pro Tag. Etwa die Hälfte dieser Fläche wird auch versiegelt –
also mit einer wasser- und luftundurchlässigen Schicht verdeckt,
wodurch das Bodenleben abstirbt. Gemäß Regierungsprogramm 2020 – 2024
soll die Flächeninanspruchnahme bis 2030 auf 2,5 ha pro Tag bzw. 9
km² pro Jahr sinken. Eine verbindliche Strategie, wie dieses Ziel
erreicht werden soll, steht seitens der Regierung noch aus.
Laut Umweltbundesamt setzt sich die Flächeninanspruchnahme wie
folgt zusammen:
Wohnbau: 21,1 km2/Jahr\nBetriebsflächen (Industrie, Logistik, Gewerbe, Handel): 11,0 km2/Jahr\nStraßenbau: 4,4 km2/Jahr\n Bei den amtlich erfassten Daten wird innerhalb der Kategorie
Betriebsflächen nicht genauer nach Branchen (Industrie, Logistik,
Gewerbe, Handel) unterschieden. Warum daher ausgerechnet immer wieder
der Handel – und hier insbesondere der Lebensmittelhandel sowie die
Shoppingcenter-Branche – in der öffentlichen Diskussion als
hauptverantwortlicher Treiber des Bodenverbrauchs verantwortlich
gemacht wird, war bisher anhand der dünnen Faktenlage nicht objektiv
nachvollziehbar. Genau in diese Lücke stößt nun die neue Studie vor
und deckt ein völlig anderes Bild auf.
Zwtl.: Handel nur für 5,2% der Betriebsflächen verantwortlich
Von den 83.883 km2 Gesamtfläche, die Österreich umfasst, sind
aufgrund der Topographie lediglich 32.540 km2 zur Besiedelung
geeignet – der sogenannte Dauersiedlungsraum. Davon sind – Stand
heute – 2.411 km2 auch tatsächlich versiegelt. Zum Vergleich: 36.105
km2 entfallen auf Wälder, 23.846 km2 auf Äcker, Wiesen oder Weiden.
Auf Betriebsflächen der unterschiedlichsten Branchen entfallen 683
km2. Auch hier ist aufgrund der Struktur der amtlichen Statistiken
keine weitere Unterscheidung nach Wirtschaftszweigen möglich. Dies
leistet nun erstmals die neue Studie von Standort + Markt für den
Handelsverband und das Austrian Council of Shopping Places (ACSP).
Zentrale Ergebnisse:
Der gesamte österreichische Einzelhandel hält derzeit bei einer Verkaufsfläche von 13,2 km2.\nBezogen auf die gesamten in Anspruch genommenen Flächen nutzt der Einzelhandel derzeit 35,7 km2. In dieser Zahl sind neben den Verkaufsflächen auch Parkplätze sowie Lagerflächen inkludiert. Das entspricht nur 5,2% der gesamten Betriebsflächen des Landes bzw. lediglich 0,6% am gesamten Bodenverbrauch. Zum Vergleich: 45,4% entfallen auf den Wohnbau, 36% auf Verkehrsflächen, 11% auf handelsfremde Betriebsflächen.\nZwtl.: Lebensmittelhandel für lediglich 0,8% der jährlichen
Neuversiegelung verantwortlich
Mit einem Umsatz von rund 26,1 Mrd. Euro (2022) bzw. einem Anteil
von fast einem Drittel (32%) am gesamten Einzelhandelsumsatz nimmt
der Lebensmittelhandel eine besonders prominente Rolle ein. Gemessen
an der Flächeninanspruchnahme (14,4 km²) liegt der Kurzfristbedarf
(Lebensmittelhandel und Drogerien) bei 40% der Flächeninanspruchnahme
des gesamten Einzelhandels (35,7 km²).
Laut Studie betrug die Neuflächenversiegelung im
Lebensmittelhandel im Schnitt der letzten drei Jahre 0,19 km2 p.a..
"Bei einer zuletzt neu versiegelten Fläche von 24 km² entspricht der
Anteil des Lebensmittelhandels einem Wert von höchstens 0,79% an der
gesamten jährlichen Neuversiegelung sowie einem Anstieg der bereits
vom Lebensmittelhandel belegten Flächen um ca. 1,6% jährlich. Damit
sichert die Branche die Versorgung unserer wachsenden Bevölkerung.
Denn auch die Wohnbevölkerung Österreichs wuchs von 2022 auf 2023 um
1,4 Prozent", bekräftigt Handelssprecher Rainer Will.
Zwtl.: Nur 0,19% der neu versiegelten Fläche entfällt auf
Shoppingcenter
Näher beleuchtet wird in der Studie auch die
Shoppingcenter-Branche. Österreichweit gibt es laut Standort + Markt
derzeit 245 Shoppingcenter (Shopping Malls, Retail Parks, Outlet
Center und Sonderformen) mit einer Grundstücksfläche von insgesamt
8,0 km2. Von dieser Fläche sind 89,4% versiegelt, wobei von der
versiegelten Fläche je etwa die Hälfte auf das Gebäude selbst, die
andere Hälfte auf Park- und Verkehrsflächen entfällt. Damit haben die
Shoppingcenter in Österreich bis dato mit einer gesamten versiegelten
Fläche von 7,2 km² lediglich 0,3% Anteil an der
Gesamtflächenversiegelung von Österreich (derzeit 2.411 km²). "In
Bezug auf die Betriebsflächen halten die Shoppingcenter in Österreich
einen Flächenanteil von 1,18 Prozent. Der Anteil an der bisherigen
Flächeninanspruchnahme insgesamt fällt mit 0,14 Prozent besonders
niedrig aus", bestätigt Christoph Andexlinger.
Da Standort+Markt bereits seit Jahrzehnten die Daten aller
Shoppingcenter Österreichs lückenlos erhebt, kann hier auch Auskunft
über die zeitliche Entwicklung gegeben werden. Nach einem Höhepunkt
der Flächenexpansion rund um die Jahrtausendwende kam es bereits vor
rund zehn Jahren zu einem deutlichen Rückgang des Flächenzuwachses.
In den Jahren 2013 bis 2023 wuchs die durch Shoppingcenter
versiegelte Fläche im Schnitt um 0,04 km2 p. a.. Der Anteil der
Shoppingcenter an der jährlichen neu versiegelten Fläche liegt somit
durchschnittlich bei nur 0,19% pro Jahr, bzw. in den vergangenen drei
Jahren bei annähernd null Prozent.
Zwtl.: Bundesländervergleich: Das Burgenland ist am meisten verbaut
Regional sind die Trends bei der Bodenversiegelung sehr
unterschiedlich. Mit Abstand negativer Spitzenreiter ist das
Burgenland. Hier sind pro Einwohner und über alle Nutzungsarten
hinweg bereits 500 m2 versiegelt. Mit großem Abstand folgt
Niederösterreich (402,8 m2) vor Kärnten (365,5 m2). Aufgrund der
hohen Bevölkerungsdichte und entsprechend dichter Bauweise am
wenigsten versiegelte Fläche pro Kopf weist Wien mit 55,5 m2 auf.
Aber auch in Vorarlberg (177,6 m2) und Tirol (222,0 m2) geht man
vergleichsweise sparsam mit dem Boden um.
Eines ist jedoch allen Bundesländern gemein: Der Anteil des
Einzelhandels an der versiegelten Fläche liegt immer im äußerst
niedrigen einstelligen Prozentbereich, bei Shoppingcentern sogar bei
unter einem Prozent.
"Jeder Quadratmeter in Österreich ist bestmöglich zu nutzen.
Polemik hat bei diesem wichtigen Thema keinen Platz. Standort+Markt
kann mit seiner analytischen Vorgehensweise garantieren, dass für
jeden Standort in Österreich die bestmögliche Nutzung unter Wahrung
von Ökonomie und Ökologie herausgefiltert werden kann. Dazu ist es
aber erforderlich, dass sich Politik wie auch Gesellschaft dem Thema
objektiv öffnen. Nur so können Anreize geschaffen werden, dass
zukünftig mit Fläche bestmöglich und gewissenhaft umgegangen wird",
ist Studienautor Hannes Lindner von Standort+Markt überzeugt.
Zwtl.: Photovoltaik, LED-Beleuchtung, begrünte Dächer: Handel &
Retail-Immobilien sind Vorreiter
"Die Handelsimmobilienbranche beschäftigt sich seit Jahrzehnten
mit nachhaltiger Nutzung und dem energieeffizienten Betrieb von
Malls. Es gibt zahlreiche beispielhafte Maßnahmen, welche die
Shoppingcenter-Branche seit Jahren umsetzt und weiterentwickelt – von
großflächigen Photovoltaikanlagen, kluger Nutzung von natürlichen
Ressourcen, stromsparender LED-Umrüstung über die hochtechnologisch
intelligente Klimatisierung bis hin zur verdichteten Bauweise oder
begrünten Dachflächen", stellt Christoph Andexlinger für die Branche
fest.
"Sowohl der heimische Lebensmittelhandel als auch der
Non-Food-Handel setzen immer stärker auf nachhaltige, innovative
Filialkonzepte. Dazu zählen etwa mehrgeschoßige Metropolfilialen mit
geringem Flächenverbrauch in dicht verbauten Arealen, die
Nachverdichtung von Geschäften mit großvolumigem Wohnbau oder auch
Parkplätze mit Photovoltaik-Überdachung und E-Ladestationen", sagt
Rainer Will.
Zwtl.: Empfehlung an die Bundesregierung: Einbezug in Bodenstrategie
und Modernisierung der Raumordnung(en)
Die große Herausforderung? Das Korsett der Raumordnung ist ein
Vierteljahrhundert alt und Regelungen wie die
Verkaufsflächenbeschränkung verhindern immer häufiger, dass
Geschäftsbauten für den LEH überhaupt noch errichtet oder an die
Erfordernisse der heutigen Zeit angepasst werden können. In
zahlreichen Gemeinden in Tirol, Kärnten oder Niederösterreich werden
dadurch de facto alle geeigneten Standorte rechtlich ausgeschlossen.
Gewonnen ist damit jedoch nichts. Handelsbetriebe siedeln sich
ungeachtet der Wünsche einer Raumordnung dann nicht im Ortszentrum
an, wenn dies aus unterschiedlichen Gründen schlichtweg keinen Sinn
macht.
"Handelsverband und ACSP fordern einen unbedingten Einbezug der
Ergebnisse der Studie in die Bodenstrategie der Bundesregierung, da
die neue Faktenlage die Basis für das politische Handeln sein muss.
Der Föderalismus mit neun unterschiedlichen Raumordnungen ist in
vielen Fällen ein Wettbewerbshindernis. Die Landesgesetzgeber
verfolgen gleichartige Ziele, insbesondere die Erhaltung der
Ortszentren und die Sicherung der Nahversorgung, jedoch mit teils
erheblich divergierenden Konzepten. Der Handelsverband und das ACSP
empfehlen daher eine maßvolle Reform, welche mit einer
grundsätzlichen Einigung der Bundesländer auf zeitgemäße Standards
und einheitliche Definitionen ihren Ausgang finden könnte", so Rainer
Will und Christoph Andexlinger unisono.
Die Präsentation zur Pressekonferenz steht unter
https://www.handelsverband.at/presse/presseaussendungen/ zum Download
zur Verfügung.
BSN Podcasts
Christian Drastil: Wiener Börse Plausch
Börsepeople im Podcast S12/24: Gregor Rosinger (Upd. 1)
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