30.09.2016, 5495 Zeichen
Der Finanzplatz Deutschland wurde vor kurzem noch als Heilsbringer in Europa gerühmt. Erinnern Sie sich? Nun schaut das ganz anders aus. Ein Versuch einer Erklärung mit einer (nicht) überraschenden Erkenntnis – auch für Aktienanleger.
Kaum war die erste Panik über den beschlossenen EU-Austritt Großbritanniens vorbei, kamen diejenigen um die Ecke, die das Fell des Brexit verteilen wollten, noch ehe überhaupt etwas erlegt wurde. Ganz vorne mit dabei waren Lobbyisten aller Couleur, die Frankfurt zum neuen London machen (wollten). Schließlich sei Frankfurt als Standort der Europäischen Zentralbank und mit der neuen britisch-deutschen Superbörse der europäische Finanzplatz. Als Bankenstandort sei Frankfurt ebenfalls einzigartig in der Eurozone. Da wurde so richtig auf die berühmte Kxxxx gehauen.
Wenn man dieser Tage nun die Lobhudelei hört, möchte man laut auflachen. Gut, die EZB ist fest im Frankfurter Sattel, aber bei der Börse wird’s schon schwerer. Es wird zwar immer wieder beruhigt, dass die Fusion von Deutsche Börse und London Stock Exchange kommen wird, aber sicher ist das keineswegs und in der Finanzbranche – wenn wir uns so umhören – glaubt da auch nicht so recht einer mehr daran. Die EU-Kommission könnte durchaus noch Zugeständnisse fordern, die die Fusion am Ende platzen lassen.
Apropos platzen.
In Italien ist die Bankenkrise bereits geplatzt, wie ein eitriges Geschwür. In Deutschland steht der große Knall noch bevor. Die Aktie der Deutschen Bank rutscht von Tief zu Tief (wohlgemerkt tiefer als zu Lehman-Zeiten und tiefer als überhaupt in einer Krisenzeit). Bei der Commerzbank entschied man sich nun, ein Fünftel der Belegschaft los zu werden und die Dividende gleich mit zu streichen. Wenn schon bad news, dann in der XXL-Format-Variante. Oder positiv gesehen: Immerhin keine Salami-Taktik.
Dennoch, ein gesunder deutscher Bankenstandort liefert andere Schlagzeilen.
Das ist aber nun mal der reale und aktuelle Finanzplatz Deutschland. Für eine Wirtschaftsmacht (eigentlich) eine Schande. Der Politik scheint es egal zu sein. Anstatt die Werbetrommel zu rühren oder zumindest beruhigend auf die Stimmung einzuwirken, werden Treffen zwischen Bundeskanzlerin und dem Deutsche Bank -Chef dementiert – ohne aber zugleich ein Signal zu senden, dass ein oder zwei bedeutende Banken für Europas größte Volkswirtschaft notwendig wären. Da denkt keiner an den Kapitalmarkt und die Folgen, was solche News mit sich bringen. Anleger verlieren Geld, die Banken an Marktkapitalisierung.
Überhaupt ist es still geworden um die deutsche Wirtschaft in Berlin, wie wir denken. Höchstens wenn es mal um die Freihandelsabkommen geht, wagt sich mal einer dort aus der Deckung. Beim Flüchtlingsgipfel zwischen DAX -Vorständen und Merkel war auch wenig Substanzielles zu hören.
Ein bemerkenswertes Verhältnis, für ein Land, das ohne seine Exportwirtschaft den Krisenweg seiner Nachbarn gehen würde. Bekanntlich funktioniert keine Exportwirtschaft von Weltrang ohne große Banken und hier drohen tatsächlich Probleme. Zumindest wenn man auf die beiden großen Player am Markt schaut.
Es stellt sich Frage: Wollen wir uns in Deutschland wirklich auf absehbare Zeit von französischen, britischen und amerikanischen Bankhäusern dominieren lassen?
Zwar wird in der Presse bereits vom Hochmut der Deutschen Bank geschrieben, der endlich einmal schrumpfen müsse. Aber Probleme löst man nicht damit, dass aus der Deutschen Bank eine Art Supersparkasse für den Mittelstand wird. Bloß nicht!
Uns kommt es so „ein bisschen“ vor, als wenn endlich sämtliche Ressentiments, die man schon immer gegen die „Deutsche“ hatte, endlich frei Schnauze raushauen kann. Liegt es am Namen? Wir wissen es nicht.
Andere Global Player mit Sitz in Deutschland werden jedenfalls ganz anders behandelt. Selbst bei der Monsanto-Übernahme durch Bayer war es erstaunlich zivilisiert, was seitens Umweltschützer, breiter Wirtschaftspresse, etc. passierte. Und das obwohl Monsanto ruftechnisch gleich hinter Moskau-Inkasso, italienischer Mafia und Nordkorea kommt…
Zurück zur Deutschen Bank. Egal wie viel Geld am Ende an die Amerikaner gezahlt werden muss, die Summe wird kleiner als die derzeit kolportieren 14 Mrd. US-Dollar sein. Damit wird die Strafzahlung für dubiose Hypothekendeals finanzierbar sein und die Deutsche Bank nicht in ihrer Existenz bedroht. Ob die diskutierte Kapitalerhöhung wirklich notwendig wird, ist noch nicht entschieden. Auch das wird sich erst noch zeigen.
Was nehmen wir also mit aus der aktuellen Situation?
Wir beide halten uns an die Angelsachsen. Englische Tugenden (Abwarten und Tee trinken) sind gefragt. Immer von der Hoffnung getrieben, dass das an der Börse gespielte Endspiel nicht tatsächlich angepfiffen wird. Wir fragen uns auch, was die Riege der DAX-Konzerne wohl ohne eine nennenswerte Adresse in Frankfurt machen würde…
Wenn man einen Bankenstandort kaputt machen will, lässt man die Protagonisten so weiter wurschteln. Dann wird es aber nichts mit „London am Main“, sondern eher mit verbrannter Finanz-Erde am Main. Die kommenden Wochen werden spannend. Als Anleger ist man in dieser Situation hoffentlich entspannter Zaungast…
In diesem Sinne,
weiterhin viel Erfolg bei der Geldanlage
Ihre dieboersenblogger.de-Gründer
Christoph A. Scherbaum & Marc O. Schmidt
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