08.11.2016, 3829 Zeichen
Vergessen Sie Trump oder Clinton: Durch einen Trick könnte ein völlig unbekannter CIA-Agent und Goldman-Sachs-Mitarbeiter neuer US-Präsident werden.
Kaum jemand hat je von Evan McMullin gehört. Dabei hat der Mann eine realistische Chance, nächster US-Präsident zu werden. Obwohl McMullin bei der US-Präsidentschaftswahl am Dienstag nur in 11 Bundesstaaten überhaupt antritt und nur im mormonisch geprägten Bundesstaat Utah eine realistische Chance hat, besser abzuschneiden als Trump oder Clinton, könnte McMullin nächster US-Präsident werden.
Anders als gemeinhin bekannt wird der US-Präsident nicht direkt vom Volk, sondern von einer sogenannten Wahlmännerversammlung („Electoral College“) gewählt. Die Zusammensetzung dieser Wahlmännerversammlung hängt allerdings von der morgigen Präsdentschaftswahl ab. In 48 von 50 US-Bundesstaaten gilt dabei ein strenges Mehrheitswahlrecht auf Basis des Prinzips „The winner takes it all“: Derjenige Kandidat, der die meisten abgegebenen Stimmen erhält, bekommt sämtliche Wahlmänner dieses Bundesstaats zugeteilt.
Um zum neuen US-Präsidenten gewählt zu werden, benötigt ein Kandidat 270 der insgesamt 538 Wahlmännerstimmen. Nur Clinton und Trump haben eine realistische Chance, dies zu erreichen. Evan McMullin könnte aber US-Präsident werden, wenn die Wahl sehr knapp ausgeht und weder Trump noch Clinton auf die notwendige Anzahl von 270 Stimmen in der Wahlmännerversammlung kommen. Die US-Verfassung legt nämlich fest, dass der Präsident dann vom US-Repräsentantanhaus gewählt wird, und zwar unter den drei Kandidaten mit den meisten Wahlmännerstimmen. Und hier kommt Evan McMullin ins Spiel.
Bereits seit mehreren Jahrzehnten hat es kein von Demokraten und Republikanern unabhängiger Kandidat mehr geschafft, überhaupt irgendwelche Wahlmännerstimmen abzubekommen. Doch Evan McMullin könnte dieses Kunststück gelingen, und zwar in seinem Heimatstaat Utah. Der Mormone und ehemalige CIA-Agent, der auch eine Zeit lang bei der US-Investmentbank Goldman Sachs arbeitete, liegt Umfragen zufolge in Utah nur rund zehn Prozentpunkte hinter Donald Trump. Utah ist stark mormonisch geprägt und deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass die Einwohner Utahs sich letztlich doch für McMullin entscheiden – obwohl die Umfragen aktuell etwas Anderes sagen.
Sollte McMullin die meisten Stimmen in Utah erhalten und sollten Clinton und Trump auf Bundesebene die notwendige Mehrheit von 270 Wahlmännerstimmen verpassen, würde der nächste US-Präsident vom US-Repräsentantenhaus gewählt, und zwar aus den drei Kandidaten Clinton, Trump und McMullin. McMullin, der früher Mitglied der Republikaner war und auch ein hohes Parteiamt bekleidete, könnte dabei als Kompromisskandidat aus den Verhandlungen zwischen Republikanern und Demokraten hervorgehen. McMullin gilt als sehr gut vernetzt im US-Polit-Establishment und wäre damit eine klare Alternative zu Trump oder Clinton, die beim politischen Gegner extrem unbeliebt sind und deshalb für große Teile des Repräsentantenhauses unwählbar sein dürften. McMullin hätte diesen Makel nicht.
Doch das ist alles noch Zukunftsmusik: Nur, wenn die morgige Wahl sehr knapp ausgeht und weder Trump noch Clinton auf die nötige Mehrheit von 270 Wahlmännerstimmen kommen und gleichzeitig McMullin in Utah mehr Stimmen bekommt als Trump und Clinton, könnte der ehemalige Mitarbeiter von CIA und Goldman Sachs neuer US-Präsident werden. Außerdem müssten sich die Kongressabgeordneten auf ihn als Kompromiss verständigen. Sehr wahrscheinlich ist das nicht, aber wohl auch nicht völlig ausgeschlossen.
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Autor: Oliver Baron, Finanzmarktanalyst bei GodmodeTrader.de.
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