Steuersenkungen führen zu mehr Wachstum? Unsinn! (Gastautor, Marc Schmidt)
09.12.2016, 5711 Zeichen
Es gilt als Tatsache: Wer die Steuern senkt, schiebt das Wirtschaftswachstum an. Das ist Unsinn wie jahrzehntelange Erfahrung zeigt.
Eine Volkswirtschaft ist ein komplexes Geflecht. Es ist so komplex, dass auch Jahrhunderte an Forschung noch nicht dazu geführt haben, dass man Ursache und Wirkung gut versteht. Die Dinge ändern sich auch. Lange Zeit galt es quasi als Gesetz, dass niedrige Arbeitslosigkeit zu hoher Inflation führt. In den letzten Jahren ließ sich das in keiner entwickelten Volkswirtschaft beobachten.
Gewiss, es kamen viele Sonderfaktoren zum Tragen (etwa niedrige Ölpreise), doch bestimmte Zusammenhänge scheinen nicht mehr so zu gelten, wie sie zwischen 1950 und 2008 zu gelten schienen. Was Wissenschaftlern übrig bleibt, ist erstaunt zuzuschauen und ihre Modelle zu kalibrieren.
Generell kann man sagen, dass die meisten Modelle, die Wirtschaftswachstum oder Inflation vorhersagen sollen, auf Basis der Erfahrung entstanden sind. Vereinfacht ausgedrückt wird ein Modell gebaut und so lange verfeinert bis es die Resultate der Vergangenheit möglichst gut repliziert. Eine bessere Methode hat man einfach nicht.
Aus diesem Grund tut man sich auch sehr schwer neue Maßnahmen im Vorhinein zu beurteilen. Die experimentelle Geldpolitik der letzten Jahre ist ein gutes Beispiel. Dem Hausverstand nach war klar: niedrige Zinsen führen zu mehr Wachstum und Inflation. Man kann nun nicht sagen, dass der Hausverstand versagt hat, aber der ganze große Erfolg lässt noch auf sich warten. Die Geldpolitik hat nicht so gewirkt wie erwartet. Zwischen Konzept und Realität klafft eine große Lücke.
So ist es auch mit den Steuern. Der Hausverstand sagt: werden die Steuern gesenkt, dann wächst die Wirtschaft schneller. Das ist eigentlich ganz logisch. Sinken die Steuern, haben Menschen mehr Geld zur Verfügung, welches sie ausgeben. Sinken die Unternehmenssteuern, siedeln sich mehr Unternehmen an und investieren.
Die Logik des Hausverstandes ist bestechend. Die Praxis zeigt jedoch, dass einen die Logik aufs Glatteis führt. Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Einkommenssteuersätze in den USA, vom niedrigsten bis zum höchsten. Parallel dazu ist das Wirtschaftswachstum abgebildet.
Die Steuern sind in den USA heute nicht wirklich übermäßig hoch. Da gab es ganz andere Zeiten, von den späten 1930er Jahren bis zu Ronald Reagan, der die Steuern auf den niedrigsten Stand seit den 1920er Jahre senkte.
Im Vergleich von Steuersätzen zum Wachstum zeigt sich kein eindeutiges Bild. Teilweise lässt sich sogar eine negative Korrelation feststellen, bei der sich das Wachstum in Zeiten beschleunigte, in denen Steuern erhöht wurden. Eine solche Phase gab es nach dem Ersten Weltkrieg. Die Steuern stiegen kräftig, ebenso das Wachstum.
In den Jahren davor lagen die Einkommenssteuern bei 0 %. Sie wurden in den 1890er Jahren für verfassungswidrig erklärt und abgeschafft. Das Wachstum lag in der Zeit der Nullsteuern bei durchschnittlich 3,7 %. In den Jahren davor lag das Wachstum bei höheren Steuern bei durchschnittlich 4,4 %.
Als Ronald Reagan die Steuern senkte, sackte das Wachstum überraschend ab. Die Steuererhöhungen unter Clinton gingen hingegen mit einem Wachstumsanstieg einher. Das soll nun nicht bedeuten, dass höhere Steuern zu mehr Wachstum führen. Korrelation bedingt keine Kausalität.
Eine formale Untersuchung des US Congressional Research Services hat die Steuer- und Wachstumshistorie untersucht. Diese Abteilung des Kongresses ist parteiunabhängig. Sie wird also nicht von einer Partei besetzt oder bestellt.
Die Untersuchung kam zu dem Schluss, dass es keine Korrelation zwischen den Spitzensteuersätzen und dem Wachstum gibt. Mit anderen Worten: Ob man die Steuern für die Reichen senkt oder anhebt ist irrelevant. Das Wachstum wird dadurch nicht beeinflusst.
Es zeigt sich hingegen eine leicht positive Korrelation zwischen höheren Kapitalertragssteuern und dem Wirtschaftswachstum. Vermutlich ist dies darauf zurückzuführen, dass hohe Kapitalertragssteuern Spekulation weniger attraktiv machen als reale Investitionen in die Wirtschaft.
Was nicht überrascht, ist eine hohe Korrelation aus Steuersenkungen und Ungleichheit. Werden die Spitzensteuersätze gesenkt wird das soziale Gefälle größer. Bei den niedrigsten Einkommensschichten bringen Steuersenkungen nichts, weil die Einkommen ohnehin so gering sind, dass keine Steuern gezahlt werden müssen.
Je niedriger der Spitzen- und Kapitalertragssteuersatz, desto schneller geht die Schere zwischen Arm und Reich auf. Werden diese Steuersätze hingegen angehoben, ergibt sich ein positiver Trend. Ein höherer Prozentsatz des Nationaleinkommens geht an den Faktor Arbeit und weniger an den Faktor Kapital.
Über Steuersenkungen beschwert sich vermutlich niemand. Auch der Hausverstand sagt, dass sie gut sind. In der Praxis haben sich allerdings noch nie positive Effekte ergeben. Wenn Politiker heute also meinen, sie könnten das Wachstum durch Steuersenkungen magisch anheben, dann sagen sie nichts Anderes als „diesmal ist alles anders.“ Was so eine Einstellung an der Börse bedeutet, weiß jeder Anleger.
Autor: Clemens Schmale, Finanzmarktanalyst bei GodmodeTrader.de
Sie interessieren sich für Makrothemen und Trading in exotischen Basiswerten? Dann folgen Sie mir unbedingt auf Guidants!
Schon im Weihnachtsfieber? Dann haben wir gute Neuigkeiten! Die Türchen unseres GodmodeTrader-Adventkalenders sind bereits geöffnet und viele Rabatten und Aktionen warten auf Sie. Machen Sie sich selbst eine vorweihnachtliche Freude und entdecken Sie jetzt, was sich der Weihnachtsmann für Sie ausgedacht hat. Warten Sie nicht zu lange – denn täglich schließt sich ein Türchen nach dem anderen! Hier geht’s zum Adventskalender.
Bildquelle: dieboersenblogger.de
Wiener Börse Party #1060: AT&S begrüsst Gerrit Steen mit Kursplus, Gunter Deuber likes Porr, OMV und Palfinger, Opening Bell Marianne Kögel
Bildnachweis
1.
Steuer, Steuern, http://www.shutterstock.com/de/pic-180112499/stock-photo-german-word-for-taxes-steuern.html
Aktien auf dem Radar:VIG, Kapsch TrafficCom, Austriacard Holdings AG, EuroTeleSites AG, Pierer Mobility, Flughafen Wien, ATX, ATX Prime, ATX TR, ATX NTR, Rosgix, Bawag, Andritz, AT&S, Mayr-Melnhof, voestalpine, Rosenbauer, EVN, Frequentis, BKS Bank Stamm, Oberbank AG Stamm, Amag, CPI Europe AG, Lenzing, Österreichische Post, RHI Magnesita.
Random Partner
A1 Telekom Austria
Die an der Wiener Börse notierte A1 Telekom Austria Group ist führender Provider für digitale Services und Kommunikationslösungen im CEE Raum mit mehr als 24 Millionen Kunden in sieben Ländern und bietet Kommunikationslösungen, Payment und Unterhaltungsservices sowie integrierte Business Lösungen an.
>> Besuchen Sie 62 weitere Partner auf boerse-social.com/partner
Latest Blogs
» Österreich-Depots: Update vor Weihnachten (Depot Kommentar)
» Börsegeschichte 22.12.: S Immo, Erste Group, Verbund (Börse Geschichte) ...
» Nachlese: Petra Heindl Kinstellar, Gunter Deuber D&D, 150 Folgen ABC Jos...
» PIR-News: AT&S mit neuem CFO, Research zu VIG, Ausblick von Raiffeisen u...
» Die Weihnachtssingle für die Kapitalmarktcommunity: Christmas Bell At Ho...
» Wiener Börse Party #1060: AT&S begrüsst Gerrit Steen mit Kursplus, Gunte...
» Börsepeople im Podcast S22/16: Petra Heindl
» ATX-Trends: RBI, Uniqa, Bawag, VIG, Kapsch TrafficCom, FACC ...
» Österreich-Depots: Wochenend-Bilanz (Depot Kommentar)
» Börsegeschichte 19.12.: Kapsch TrafficCo, S Immo, UBM (Börse Geschichte)...
Useletter
Die Useletter "Morning Xpresso" und "Evening Xtrakt" heben sich deutlich von den gängigen Newslettern ab.
Beispiele ansehen bzw. kostenfrei anmelden. Wichtige Börse-Infos garantiert.
Newsletter abonnieren
Runplugged
Infos über neue Financial Literacy Audio Files für die Runplugged App
(kostenfrei downloaden über http://runplugged.com/spreadit)
per Newsletter erhalten
- Pierer/KTM - Vertrag von CEO Gottfried Neumeister...
- Wiener Börse Nebenwerte-Blick: Frequentis steigt ...
- Wiener Börse: ATX geht mit kleinem Plus aus dem H...
- Wie Pierer Mobility, Kapsch TrafficCom, Frequenti...
- Wie EVN, VIG, AT&S, Strabag, Wienerberger und voe...
- Österreich-Depots: Update vor Weihnachten (Depot ...
Featured Partner Video
Christmas Bell At Home
Kindheitserinnerungen an das Läuten der Weihnachtsglocke, den Geschmack der Kekse und die Weitergabe an die nächsten Generationen: dazu haben Michael Marek und Christian Drastil einen Son...
Books josefchladek.com
Oliver Gerhartz
The waning season
2025
Nearest Truth
Nikola Mihov
The Last Gift
2025
Self published
Julie van der Vaart
Particles
2025
Origini edizioni
Robert Frank
Os Americanos (first Brazilian edition)
2017
Instituto Moreira Salles
