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Brexit - Hart und schmutzig! (Robert Halver, Marc Schmidt)

Autor:
Marc Schmidt

Die Börsenblogger ist das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehntelanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer. Letztlich sind wir alle Börsenfans. Aber wir vertreten in diesem Blog auch eine ganz simple Philosophie: Wir wollen unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus schreiben, was wir zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken, was uns beschäftigt. Das kommt Ihnen, dem Leser, zu Gute.

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20.01.2017, 10577 Zeichen

In ihrer Grundsatzrede hat sich die britische Premierministerin Theresa May klar zu einem harten Brexit bekannt. Das klingt nach britischer Überheblichkeit. Denn mit dem Ausscheiden aus EU-Binnenmarkt und Europäischer Zollunion sind eine scharfe britische Rezession und ein Bedeutungsverlust des Londoner Finanzplatz nicht zu verhindern. Gleichzeitig dürfte es als konjunkturstützende Alternative eigentlich kein Briten freundliches, neues Freihandelsabkommen mit der EU geben. Dieses wäre eine Einladung an andere EU-Staaten, dem britischen Exit zu folgen, allein schon um dem europäischen Stabilitätskorsett zu entfliehen. Sind die Briten also in puncto Brexit ideologisch verblendet oder haben sie noch ein paar Asse im Ärmel?

Immerhin herrscht nun Klarheit über die zukünftige Marschrichtung: Der Hard Brexit kommt. Premierministerin May will zukünftig die britischen Bindungen an die EU konsequent kappen. Selbst eine Orientierung an den bestehenden Handelsverträgen zwischen EU und Norwegen bzw. der Schweiz kommt für sie nicht in Frage.

Negative Reaktionen an den britischen Finanzmärkten halten sich trotz absehbarer Konjunktureinbußen und angesichts einer Abwanderung von britischen (Finanz-)Unternehmen in die Rest-EU in Grenzen. Das britische Pfund – gewichtet gegenüber den bedeutendsten Handelswährungen – scheint nach der rasanten Abwertung in Folge des Brexit-Votums einen Boden gefunden zu haben. Und die Volatilität britischer Aktien liegt sogar unter dem niedrigen Niveau von vor dem Brexit-Referendum im Juni.
Auf nahezu Allzeithoch befindet sich der britische Aktien-Leitindex FTSE 100. Hintergrund ist, dass die in ihm gelisteten Unternehmen einen Großteil ihrer Umsätze außerhalb Großbritanniens erzielen. Sie profitieren also exportseitig von der Schwäche des britischen Pfunds.
„Global Britain“ – Mutige oder übermütige Vision?

Eine aktienstützende Rolle scheint jedoch auch Mays Zukunftsvision eines Global Britain zu spielen. Muss man das Regelwerk der EU nach einem harten Ausstieg nicht mehr befolgen, lässt sich eine autonome, von der EU zustimmungsbefreite britische Wirtschaftspolitik betreiben. Genau diese ist dringend geboten, um der britischen Bevölkerung nach der anfänglichen Durststrecke des Brexit eine wirtschaftliche Alternativperspektive zu bieten. So wird die britische Regierung eine power economy anstreben, die eine 180°-Wende der Politik Margaret Thatchers seit den 80er Jahren bedeutet. Großbritannien soll nach einseitiger Förderung des Dienstleistungs- und Finanzsektors wieder eine ordentliche Industrienation werden. Nach Austritt wird man die britischen Unternehmenssteuern auf das geringstmögliche Niveau setzen und gleichzeitig die Arbeits- bzw. Sozialkosten senken. Wie die Beispiele anderer Länder zeigen, sind dies die entscheidenden Kriterien für nachhaltige Investitionen und damit Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Konsum. Nicht zuletzt will Großbritannien in Konkurrenz zum deutschen Industriestandort treten.

Die dazu zwingend erforderliche Staatsneuverschuldung trifft auf keine Brüsseler Stabilitätsvorbehalte mehr und wird von der Bank of England über üppige Geldpolitik finanziert. Als Alibi für diese Instabilitätspolitik muss mit viel Empire-Pathos die nationale Jahrhundertherausforderung einer Wirtschaftsstabilisierung herhalten.

Trump als britischer Wirtschafts-Joker: America first, but Britain at least second

Bei der britischen Neuausrichtung der Wirtschaft kommt der Renaissance britisch-amerikanischer Handelsbeziehungen ein hoher Stellenwert zu. Der neue US-Präsident Trump wird Großbritannien hoch attraktive Handelsbedingungen mit den USA gewähren. Diese amerikanische Unterstützung wird auch ein Druckmittel sein, die britische Position bei Verhandlungen über zukünftige Wirtschaftsbeziehungen mit der EU zu stärken. Im Übrigen wird es unter der Ägide Trump ein allgemeines Handelsabkommen zwischen den USA und der EU definitiv nicht geben. Denn es würde die EU gegenüber Amerika stärken.

Vor diesem Hintergrund bekommen deutsche Exportunternehmen einen kälteren handelspolitischen Wind aus Washington zu spüren. Die Trumpsche Rhetorik von potenziellen Importzöllen von 35 Prozent für nicht im amerikanischen Inland produzierte Autos gibt bereits die Marschrichtung vor. Aufgrund der Bedeutung des amerikanischen Absatzmarktes – auch für andere Branchen neben der Autoindustrie – werden deutsche Exporteure Gegenstrategien entwickeln. Diese werden vor allem darin bestehen, Investitionen in den USA auszuweiten, die dem Primärziel der Wirtschaftspolitik von Trump entsprechen, nämlich dort Arbeitsplätze aufzubauen. Mit dem Grundsatz „Leistung und Gegenleistung“ will man dem handelspolitischen Bann der USA entgehen.

Bis Ende 2017 hat die EZB auf Autopilot geschaltet – Inflationsdruck wird verniedlicht

In der Eurozone hat zwar der Anstieg der Inflationsrate von 0,6 auf 1,1 und in Deutschland von 0,8 auf 1,7 Prozent – jeweils im Dezember – eine Diskussion losgetreten, ob die EZB den Einstieg aus dem Ausstieg ihrer seit mindestens 2012 ultralockeren Geldpolitik vornehmen soll. Tatsächlich ist das Gespenst der Deflation verschwunden und ist weiteres Inflationspotenzial über steigende Rohstoffpreise gegeben. Überhaupt steht die EZB in der Verantwortung, Inflation bereits vorbeugend zu bekämpfen. Das spräche dafür, die üppige Geldversorgung – die in der Wirtschaftswissenschaft als ursächlich für Preissteigerung eingeschätzt wird – dringend umzukehren.
Theoretisch ja. Praktisch ist davon jedoch auf der ersten Sitzung der EZB im neuen Jahr nichts zu spüren. Eine freizügige Geldpolitik bleibt der alles verbindende Klebstoff, um den (sozial-)politischen Fliehkräften in der Eurozone entgegenzutreten. Daher wird die EZB ihren im Dezember 2016 eingeschalteten Autopiloten, der den Aufkauf von Anleihen vorausschauend bis Ende 2017 zum Ziel hat, nicht vorzeitig abschalten. Alles andere führte – auch mit Blick auf anstehende Nationalwahlen – zu Verteuerungen von staatlicher Kreditaufnahme und damit Einschränkungen öffentlicher Transferleistungen.

Als Alibi für die Aufrechterhaltung dieser geldpolitischen, nicht stabilitätsorientierten Rettungsnummer, werden Zweifel in puncto Nachhaltigkeit des rohstoffseitigen Preisauftriebs gestreut. Sollte Öl seine im Jahr 2017 gestiegenen Preise 2018 nicht übersteigen, laufen die energieseitigen Inflationseffekte aus. Durch Aussitzen wäre man dem Zwang der Inflationsbekämpfung entkommen. Immerhin, die Kerninflation – ohne Berücksichtigung von Energie- und Nahrungsmitteln – weist noch keine Aufwärtsdynamik auf und liefert damit der EZB eine Entschuldigung, die geldpolitischen Hände nicht restriktiv zu bewegen.

Im Gegenteil, solange Draghi ausdrücklich von nicht überzeugendem Inflationsdruck sowie Abwärtsrisiken für die Konjunktur in der Eurozone spricht, was darin mündet, im Bedarfsfall eine Wiederbeschleunigung und eine Verlängerung des Anleiheaufkaufprogramms durchzuführen, bleibt geldpolitische Restriktion für die EZB ein Fremdwort. Im Übrigen wurden all diese geldpolitischen Beschlüsse einstimmig gefällt.

Marktlage und Anlegerstimmung – Anhaltend geldpolitische Entspannung bei fundamentalen Aufwärtssignalen

Angesichts des konjunkturellen Aufschwungs in den USA mit zusätzlich binnenkonjunktureller Erholung über die Trumponomics gibt sich die US-Fed falkenhafter. Allerdings warnt Fed-Präsidentin Yellen vor einem zinserhöhungsbedingt zu starken US-Dollar, der dem amerikanischen Export und über Kapitalflucht nach Amerika auch den Schwellenländern und damit der Weltkonjunktur schaden würde.

Sicherlich haben sich die Renditen US-amerikanischer Anleihen von ihren Tiefständen erholt. Die begrenzte Zinserhöhungsdynamik der Fed spricht aber nicht für eine markante Fortsetzung dieses Erhöhungstrends und damit auch für wenig Ungemach für Aktien.

Die Eurozone hat sich sowieso von den USA abgekoppelt. Die Umlaufrendite deutscher Staatspapiere folgt – entgegen eines typischen langjährigen Gleichlaufs – nicht dem steigenden US-Trend.
Denn im Gegensatz zur Fed wird die EZB ihre Liquiditätsversorgung ausweiten und damit den Anstieg von Anleiherenditen massiv unterdrücken.
In Ermangelung einer renditestarken Alternativanlage bleibt die EZB so ein bedeutender Stützpfeiler von Aktien der Eurozone.
Nach der Weltbank prognostiziert auch der Internationale Währungsfonds mit 3,4 in diesem und 3,6 Prozent im nächsten Jahr eine freundlichere Einschätzung der Weltkonjunktur. Dabei wird vor allem die US-Wirtschaft als Triebfeder betrachtet. Bleibt der befürchtete US-Protektionismus aus, ergeben sich sogar Aufwärtsrisiken für die Weltwirtschaft.

Fundamental führt die geldpolitische Zweiteilung der Welt sogar zu einer Stützung des deutschen Außenhandels. Denn durch die Ausweitung der Renditedifferenz von 10-jährigen US-Staatsanleihen zu Deutschland, neigt der Euro zur Schwäche.
Charttechnik DAX – Seitwärts in enger Handelsspanne

Das Momentum im DAX hat zuletzt deutlich nachgelassen. Der DAX konsolidiert in einer engen Handelsspanne: Der Leitindex dürfte seinen Seitwärtstrend verlassen, wenn er den Widerstand bei 11.638 Punkten nachhaltig überschreitet. Weitere Barrieren folgen bei 11.800, 11.920 und schließlich 12.391. Unterschreitet der DAX jedoch die Unterstützung bei 11.531 Punkten, droht ein weiteres Abrutschen Richtung 11.430. Darunter bieten die nächsten Marken bei 11.357 und 11.193 Punkten Halt.

Der Wochenausblick für die KW 4 – Wie beginnt Trump seine Amtszeit?

In den USA zeigt sich die Konjunktursituation gemäß BIP-Zahlen für das IV. Quartal 2016 wieder freundlicher. Dies bestätigen verbesserte Auftragseingänge für langlebige Güter sowie ein stabilisierter Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe.

Die größte Aufmerksamkeit widmen Anleger allerdings den ersten (wirtschafts-)politischen Amtshandlungen des neue US-Präsidenten Trump.

In der Eurozone signalisieren die Einkaufsmanagerindices ein sich stabilisierendes Verarbeitendes Gewerbe. In Deutschland deuten die ifo Geschäftsklimadaten für Januar auf einen soliden Jahresstart der Industrie hin. Laut GfK Konsumklimaindex zeigt sich die deutsche Binnenwirtschaft robust.

Ein Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

 


(20.01.2017)


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    Immerhin herrscht nun Klarheit über die zukünftige Marschrichtung: Der Hard Brexit kommt. Premierministerin May will zukünftig die britischen Bindungen an die EU konsequent kappen. Selbst eine Orientierung an den bestehenden Handelsverträgen zwischen EU und Norwegen bzw. der Schweiz kommt für sie nicht in Frage.

    Negative Reaktionen an den britischen Finanzmärkten halten sich trotz absehbarer Konjunktureinbußen und angesichts einer Abwanderung von britischen (Finanz-)Unternehmen in die Rest-EU in Grenzen. Das britische Pfund – gewichtet gegenüber den bedeutendsten Handelswährungen – scheint nach der rasanten Abwertung in Folge des Brexit-Votums einen Boden gefunden zu haben. Und die Volatilität britischer Aktien liegt sogar unter dem niedrigen Niveau von vor dem Brexit-Referendum im Juni.
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    Eine aktienstützende Rolle scheint jedoch auch Mays Zukunftsvision eines Global Britain zu spielen. Muss man das Regelwerk der EU nach einem harten Ausstieg nicht mehr befolgen, lässt sich eine autonome, von der EU zustimmungsbefreite britische Wirtschaftspolitik betreiben. Genau diese ist dringend geboten, um der britischen Bevölkerung nach der anfänglichen Durststrecke des Brexit eine wirtschaftliche Alternativperspektive zu bieten. So wird die britische Regierung eine power economy anstreben, die eine 180°-Wende der Politik Margaret Thatchers seit den 80er Jahren bedeutet. Großbritannien soll nach einseitiger Förderung des Dienstleistungs- und Finanzsektors wieder eine ordentliche Industrienation werden. Nach Austritt wird man die britischen Unternehmenssteuern auf das geringstmögliche Niveau setzen und gleichzeitig die Arbeits- bzw. Sozialkosten senken. Wie die Beispiele anderer Länder zeigen, sind dies die entscheidenden Kriterien für nachhaltige Investitionen und damit Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Konsum. Nicht zuletzt will Großbritannien in Konkurrenz zum deutschen Industriestandort treten.

    Die dazu zwingend erforderliche Staatsneuverschuldung trifft auf keine Brüsseler Stabilitätsvorbehalte mehr und wird von der Bank of England über üppige Geldpolitik finanziert. Als Alibi für diese Instabilitätspolitik muss mit viel Empire-Pathos die nationale Jahrhundertherausforderung einer Wirtschaftsstabilisierung herhalten.

    Trump als britischer Wirtschafts-Joker: America first, but Britain at least second

    Bei der britischen Neuausrichtung der Wirtschaft kommt der Renaissance britisch-amerikanischer Handelsbeziehungen ein hoher Stellenwert zu. Der neue US-Präsident Trump wird Großbritannien hoch attraktive Handelsbedingungen mit den USA gewähren. Diese amerikanische Unterstützung wird auch ein Druckmittel sein, die britische Position bei Verhandlungen über zukünftige Wirtschaftsbeziehungen mit der EU zu stärken. Im Übrigen wird es unter der Ägide Trump ein allgemeines Handelsabkommen zwischen den USA und der EU definitiv nicht geben. Denn es würde die EU gegenüber Amerika stärken.

    Vor diesem Hintergrund bekommen deutsche Exportunternehmen einen kälteren handelspolitischen Wind aus Washington zu spüren. Die Trumpsche Rhetorik von potenziellen Importzöllen von 35 Prozent für nicht im amerikanischen Inland produzierte Autos gibt bereits die Marschrichtung vor. Aufgrund der Bedeutung des amerikanischen Absatzmarktes – auch für andere Branchen neben der Autoindustrie – werden deutsche Exporteure Gegenstrategien entwickeln. Diese werden vor allem darin bestehen, Investitionen in den USA auszuweiten, die dem Primärziel der Wirtschaftspolitik von Trump entsprechen, nämlich dort Arbeitsplätze aufzubauen. Mit dem Grundsatz „Leistung und Gegenleistung“ will man dem handelspolitischen Bann der USA entgehen.

    Bis Ende 2017 hat die EZB auf Autopilot geschaltet – Inflationsdruck wird verniedlicht

    In der Eurozone hat zwar der Anstieg der Inflationsrate von 0,6 auf 1,1 und in Deutschland von 0,8 auf 1,7 Prozent – jeweils im Dezember – eine Diskussion losgetreten, ob die EZB den Einstieg aus dem Ausstieg ihrer seit mindestens 2012 ultralockeren Geldpolitik vornehmen soll. Tatsächlich ist das Gespenst der Deflation verschwunden und ist weiteres Inflationspotenzial über steigende Rohstoffpreise gegeben. Überhaupt steht die EZB in der Verantwortung, Inflation bereits vorbeugend zu bekämpfen. Das spräche dafür, die üppige Geldversorgung – die in der Wirtschaftswissenschaft als ursächlich für Preissteigerung eingeschätzt wird – dringend umzukehren.
    Theoretisch ja. Praktisch ist davon jedoch auf der ersten Sitzung der EZB im neuen Jahr nichts zu spüren. Eine freizügige Geldpolitik bleibt der alles verbindende Klebstoff, um den (sozial-)politischen Fliehkräften in der Eurozone entgegenzutreten. Daher wird die EZB ihren im Dezember 2016 eingeschalteten Autopiloten, der den Aufkauf von Anleihen vorausschauend bis Ende 2017 zum Ziel hat, nicht vorzeitig abschalten. Alles andere führte – auch mit Blick auf anstehende Nationalwahlen – zu Verteuerungen von staatlicher Kreditaufnahme und damit Einschränkungen öffentlicher Transferleistungen.

    Als Alibi für die Aufrechterhaltung dieser geldpolitischen, nicht stabilitätsorientierten Rettungsnummer, werden Zweifel in puncto Nachhaltigkeit des rohstoffseitigen Preisauftriebs gestreut. Sollte Öl seine im Jahr 2017 gestiegenen Preise 2018 nicht übersteigen, laufen die energieseitigen Inflationseffekte aus. Durch Aussitzen wäre man dem Zwang der Inflationsbekämpfung entkommen. Immerhin, die Kerninflation – ohne Berücksichtigung von Energie- und Nahrungsmitteln – weist noch keine Aufwärtsdynamik auf und liefert damit der EZB eine Entschuldigung, die geldpolitischen Hände nicht restriktiv zu bewegen.

    Im Gegenteil, solange Draghi ausdrücklich von nicht überzeugendem Inflationsdruck sowie Abwärtsrisiken für die Konjunktur in der Eurozone spricht, was darin mündet, im Bedarfsfall eine Wiederbeschleunigung und eine Verlängerung des Anleiheaufkaufprogramms durchzuführen, bleibt geldpolitische Restriktion für die EZB ein Fremdwort. Im Übrigen wurden all diese geldpolitischen Beschlüsse einstimmig gefällt.

    Marktlage und Anlegerstimmung – Anhaltend geldpolitische Entspannung bei fundamentalen Aufwärtssignalen

    Angesichts des konjunkturellen Aufschwungs in den USA mit zusätzlich binnenkonjunktureller Erholung über die Trumponomics gibt sich die US-Fed falkenhafter. Allerdings warnt Fed-Präsidentin Yellen vor einem zinserhöhungsbedingt zu starken US-Dollar, der dem amerikanischen Export und über Kapitalflucht nach Amerika auch den Schwellenländern und damit der Weltkonjunktur schaden würde.

    Sicherlich haben sich die Renditen US-amerikanischer Anleihen von ihren Tiefständen erholt. Die begrenzte Zinserhöhungsdynamik der Fed spricht aber nicht für eine markante Fortsetzung dieses Erhöhungstrends und damit auch für wenig Ungemach für Aktien.

    Die Eurozone hat sich sowieso von den USA abgekoppelt. Die Umlaufrendite deutscher Staatspapiere folgt – entgegen eines typischen langjährigen Gleichlaufs – nicht dem steigenden US-Trend.
    Denn im Gegensatz zur Fed wird die EZB ihre Liquiditätsversorgung ausweiten und damit den Anstieg von Anleiherenditen massiv unterdrücken.
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    Nach der Weltbank prognostiziert auch der Internationale Währungsfonds mit 3,4 in diesem und 3,6 Prozent im nächsten Jahr eine freundlichere Einschätzung der Weltkonjunktur. Dabei wird vor allem die US-Wirtschaft als Triebfeder betrachtet. Bleibt der befürchtete US-Protektionismus aus, ergeben sich sogar Aufwärtsrisiken für die Weltwirtschaft.

    Fundamental führt die geldpolitische Zweiteilung der Welt sogar zu einer Stützung des deutschen Außenhandels. Denn durch die Ausweitung der Renditedifferenz von 10-jährigen US-Staatsanleihen zu Deutschland, neigt der Euro zur Schwäche.
    Charttechnik DAX – Seitwärts in enger Handelsspanne

    Das Momentum im DAX hat zuletzt deutlich nachgelassen. Der DAX konsolidiert in einer engen Handelsspanne: Der Leitindex dürfte seinen Seitwärtstrend verlassen, wenn er den Widerstand bei 11.638 Punkten nachhaltig überschreitet. Weitere Barrieren folgen bei 11.800, 11.920 und schließlich 12.391. Unterschreitet der DAX jedoch die Unterstützung bei 11.531 Punkten, droht ein weiteres Abrutschen Richtung 11.430. Darunter bieten die nächsten Marken bei 11.357 und 11.193 Punkten Halt.

    Der Wochenausblick für die KW 4 – Wie beginnt Trump seine Amtszeit?

    In den USA zeigt sich die Konjunktursituation gemäß BIP-Zahlen für das IV. Quartal 2016 wieder freundlicher. Dies bestätigen verbesserte Auftragseingänge für langlebige Güter sowie ein stabilisierter Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe.

    Die größte Aufmerksamkeit widmen Anleger allerdings den ersten (wirtschafts-)politischen Amtshandlungen des neue US-Präsidenten Trump.

    In der Eurozone signalisieren die Einkaufsmanagerindices ein sich stabilisierendes Verarbeitendes Gewerbe. In Deutschland deuten die ifo Geschäftsklimadaten für Januar auf einen soliden Jahresstart der Industrie hin. Laut GfK Konsumklimaindex zeigt sich die deutsche Binnenwirtschaft robust.

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    Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

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