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Sorgt die US-Notenbank für Neue Sachlichkeit an den Aktienmärkten? (Robert Halver, Christoph Scherbaum)

Autor:
Christoph Scherbaum

Die Börsenblogger ist das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehntelanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer. Letztlich sind wir alle Börsenfans. Aber wir vertreten in diesem Blog auch eine ganz simple Philosophie: Wir wollen unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus schreiben, was wir zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken, was uns beschäftigt. Das kommt Ihnen, dem Leser, zu Gute.

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08.04.2017, 11523 Zeichen

Nach einem starken Jahresanfangsquartal hängen die großen Aktienindices aktuell unter ihren Höchstständen fest. Die institutionellen Anleger sitzen auf satten Gewinnpolstern, sind derzeit also nicht in der Notlage, investieren zu müssen. Sie warten die Wahl in Frankreich, vor allem aber konkrete Einzelheiten zu den Konjunkturplänen der Trump-Administration ab. Als Belastungsfaktor für Aktien scheint jetzt auch noch eine falkenhafte Fed hinzuzukommen, die plötzlich ein Abschmelzen ihres Billionen schweren Anleiheportfolios plant. Stehen die Aktienmärkte vor einer Neubewertung?

Wann liefert Trump?

Auch wenn sich der ISM Index für das Verarbeitende US-Gewerbe zuletzt auf 57,2 von 57,7 leicht verringerte, signalisiert er weiterhin eine sehr robuste US-Konjunkturstimmung. Vor allem der vielsagende Subindex für Neuaufträge befindet sich auf dem höchsten Niveau seit Ende 2013. Handelt es sich dabei nur um eine Trumpsche Euphorie-Blase? Immerhin wird das Stimmungshoch allmählich auch von den „harten“ Konjunkturdaten untermauert. So lassen die Auftragseingänge in der US-Industrie ihre zweijährige Schwächephase hinter sich und verzeichneten im März zum dritten Mal in Folge – mit 7,3 Prozent zum Vorjahr die höchste Zuwachsrate seit Juli 2014 – einen Aufwärtstrend.

Grundsätzlich signalisierte ein verbesserter ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe in der Vergangenheit mit einer zeitlichen Verzögerung von sechs Monaten im Trend ebenso eine Erholung US-amerikanischer Unternehmensgewinne. Diese Entwicklung zeichnet sich ebenso im aktuellen Szenario wieder ab. Und die bevorstehende US-Berichtsaison für das I. Quartal 2017 dürfte das zusätzlich bestätigen. Triebfeder für die Gewinnentwicklung sind neben der verbesserten Konjunkturdynamik und Preissetzungsmacht der US-Unternehmen auch im Vergleich zum Vorjahr höhere Rohstoffpreise, die dem bedeutenden US-Energiesektor zugutekommen. Zukünftig weniger stark regulierte US-Banken – zuletzt wieder Hauptthema bei einem Treffen Trumps mit Spitzenvertretern aus der Wirtschaft – dürften positivere Ausblicke geben.

Fundamentale Aktienqualitäten werden also insgesamt größer und entspannen damit die aktuell sportlichen Aktienbewertungen.

Trumponomics kommen, aber später

Bislang signalisiert der Economic Policy Uncertainty Index für die USA nur eine zögerliche Beruhigung der von Trumps unscharfer Wirtschaftsagenda ausgehenden Unsicherheit. Doch die äußerst geringen Aktienkursschwankungen geben die Meinung wider, dass es zu einer strukturellen Stärkung des US-Wirtschaftsstandorts durch die Trumponomics kommen wird.

Allerdings verschieben sie sich auf der Zeitebene nach hinten. Selbst Präsident Trump kann trotz republikanischer Kongressmehrheit nicht durchregieren, was sich schon in Fragen der Gesundheitspolitik zeigte. Mit einer Umsetzung von Infrastruktur- und Steuersenkungsmaßnahmen ist also vor 2018 nicht zu rechnen.

Die Verschuldung der Welt ist der Marktwirtschaft entrückt und von der Planwirtschaft der Notenbanken entzückt

Die Geldpolitik hat schon lange nicht mehr primär die Konjunktur, sondern vor allem das Wohlergehen der Finanzmärkte im Blick. Konkret geht es ihr um die reibungslose Finanzierung der dramatischen weltweiten Überschuldung. Seit der Finanzkrise 2008 wurden nicht weniger, sondern deutlich mehr Schulden angehäuft. So hat US-Präsident Obama in seiner achtjährigen Amtszeit die US-Staatsverschuldung verdoppelt. Und niemand erwartet, dass Trump mit Blick auf seine Wirtschaftspolitik zum „Staatsschuldenheiligen“ wird. Ebenso frönt die US-Privatwirtschaft nach einer Beruhigung im Zuge der Finanzkrise wieder dem Schuldenschlendrian. Die günstigen Kreditzinsen treiben die amerikanischen Konsumenten förmlich in die Verschuldung.

Auch in der Eurozone ist die Verschuldung auf dem Vormarsch.

Neuverschuldung in der Eurozone ist auch zur Sanierung von Banken notwendig, s. Italien. Dies ist gemäß europäischer Bankenrichtlinie zwar verboten. Aber wie in Europa üblich gibt es auch hier keine Regel ohne Ausnahme. Das rechtliche Schlupfloch lautet: Vorsorgliche Kapitalerhöhung für im Prinzip solvente Institute, die nur für Stresssituationen zu wenig Kapital vorhalten. Wenn Banken also „solvent“ und damit nicht auf Verlustdeckung angewiesen sind, ist staatliche Alimentierung möglich. Wundert es da wirklich, dass die für die Bankenaufsicht zuständige EZB italienischen Banken – trotz teilweise gewaltiger notleidender Kredite – diesen Status bescheinigt?

Selbst China ist längst kein finanzpolitischer Musterschüler mehr. Das Land ist insgesamt mit dem 2,6-fachen seiner Wirtschaftsleistung verschuldet. 2008 war es der Faktor 1,8. Insbesondere die Unternehmen haben ihre Verschuldung drastisch erhöht.

Weltweit nutzen Unternehmen die geldpolitisch künstlich gedrückten Zinsen zur Optimierung ihrer Bilanzen, ersetzen also teures Eigen- durch deutlich günstigeres Fremdkapital.

Auch in der westlichen Welt – z.B. USA und Eurozone – zeigt das Verhältnis von Gesamtverschuldung zur Wirtschaftsleistung die Verschuldungsmisere überdeutlich.

Nicht zuletzt laden günstige Kreditzinsen zur hemmungslosen Spekulation an den Finanzmärkten ein. An Wall Street wurden für ca. 530 Mrd. Dollar Aktien über Wertpapierkredite gekauft. Dieses neue Allzeithoch liegt knapp 50 Prozent über dem Niveau unmittelbar vor dem Platzen der Immobilienblase 2008.

Wenn die Geldpolitik kurzfristig die Finanzwelt rettet, schafft sie längerfristig noch größere Probleme

Die Notenbanken stehen vor einem Dilemma. Nach der Immobilienkrise 2008 mussten massiv neue Staatsschulden den finalen Kollaps der Finanzwelt verhindern. Nur durch eine dramatische Zinssubventionierung der Geldpolitik konnte die reibungslose Schuldenfinanzierung gesichert werden. Diese planwirtschaftlich verordnete Zins-Happy Hour allerdings lädt zu einer reformlosen Wirtschafts- bei gleichzeitig laxer Schuldenpolitik ein, da beides nicht wie früher üblich wegen schlechter Bonität mit höheren Risikoaufschlägen bestraft, sondern mit verordneten niedrigen Renditen noch belohnt wird.

Gleichzeitig finden über zinsgünstige Kredite Fehlinvestitionen und Blasenbildungen an den Finanzmärkten statt. Grundsätzlich gute stabilitätspolitische Absichten der Notenbanken haben dann fatale Nebenwirkungen. So hat der scharfe Zinserhöhungszyklus der Fed seit 2004 das Volumen der Wertpapierkredite schließlich dramatisch abschmelzen lassen, einen Einbruch der Aktienmärkte mitverursacht und über Risikoaversion später auch die Weltkonjunktur in Mitleidenschaft gezogen. Eine restriktive US-Notenbank ist zum Brandbeschleuniger geworden.

Wie will die internationale Geldpolitik aus diesem Teufelskreis entfliehen?

Ist die Rückkehr zur geldpolitischen Normalität überhaupt noch möglich?

Die Angst, dass sich eine stabilitätsorientierte Notenbankpolitik deutlich schädlicher als 2008 auswirken würde, ist an den Finanzmärkten allgegenwärtig.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass die US-Notenbank gemäß Protokoll ihrer letzten Sitzung plant, ihr Wertpapierportfolio von mehr als vier Billionen aufgekaufter Staats- und Hypothekenanleihen zu reduzieren. Auf den ersten Blick wirkt diese Meldung wie der Einstieg in den Ausstieg einer beispiellosen geldpolitischen Offensive der Fed. Droht sogar der Zinsschock?

Bei näherer Betrachtung relativiert sich dieses Bild jedoch. Die Fed wird keine Offenmarktpolitik betreiben, mit der sie Anleihen im großen Stil veräußert. Sie will lediglich auf die Reinvestition von Zins- und Tilgungsleistungen aus gehaltenen Anleihen verzichten, was die Entblähung ihrer Bilanz deutlich verlangsamt.

Im Übrigen scheint die Fed, zur Kompensation dieser Entblähungsmaßnahme, die Anzahl zukünftiger Zinserhöhungen zu überdenken. Insgesamt würde dies den Grad ihrer geldpolitischen Trendwende noch weiter abmildern. Die Geldpolitik der Fed ist ein Kunstwerk mit dem Namen „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ Insgesamt betreibt die Fed eine verbalerotische Restriktion, die aber tatsächlich nicht zur Anwendung kommt. Sie weiß, dass sie als Leitwolf unter den Notenbanken keine schlafenden Hunde wecken kann, die zu einem fatalen finanz- und realwirtschaftlichen Zinsschock führten.

Tatsächlich lassen sich die Renditen von Staatspapieren in den USA von den Plänen der Fed bezüglich Abschmelzens ihres Billionen schweren Anleiheportfolios nicht beeindrucken. Sie haben zuletzt sogar nachgegeben.

Ihrer ultralockeren Geldpolitik bleibt die EZB ohnehin treu. In einer kürzlichen Rede sagte EZB-Präsident Draghi, für die Konjunktur der Eurozone sei es „zu früh, Erfolg auszurufen“ und dass die zuletzt anziehende Inflation noch nicht nachhaltig ist. Für die grundsätzlich feine Rhetorik von Notenbankern sind das klare, unmissverständliche Worte. Die EZB weiß, dass die Refinanzierung der zunehmenden Staatsverschuldung in der Eurozone zinsseitig abgefedert werden muss.

Leider vertragen die modernen Finanzmärkte keine wirkliche geldpolitische Stabilitätspolitik mehr. Dieser Luxus ist unbezahlbar geworden.

Marktstimmung – Konsolidierung ja, aber…

Grundsätzlich ist mit einer Anlegerzurückhaltung an den Aktienmärkten im II. Quartal zu rechnen, die auch zwischenzeitliche Konsolidierungen beinhalten kann. Nach der positiven Wertentwicklung im I. Quartal ist der Performancedruck aktuell ohnehin gering. Das Abwarten der Wahl in Frankreich, die zeitliche Verzögerung der Trumponomics und vorübergehende Irritationen durch die Fed liefern willkommene Argumente zur Zurückhaltung.

Auf bevorstehende Gewinnmitnahmen lässt auch der von WallStreetCourier.com veröffentlichte Smart Money Flow Index (SMFI) – basierend auf dem Dow Jones Industrial Average – schließen. Als Indikator für das Anlageverhalten von „schlauen“ institutionellen Börsenprofis ignoriert er täglich die jeweils ersten 30 Handelsminuten, die vor allem von emotionalen Anlageentscheidungen – „zittrige Hände“, die aus Angst oder Gier zu überhasteten Entscheidungen neigen – geprägten sind. Er signalisiert bevorstehendes Ungemach, sobald der Dow Jones in einem Aufwärtstrend neue Höchststände erreicht, die nicht vom SMFI bestätigt werden. Angesichts des im Trend steigenden SMFI ist zwar grundsätzlich nicht mit einem Ende der Aktien-Rallye zu rechnen. Aber eine Konsolidierung, kein Crash, ist durchaus möglich.


Längerfristig präsentieren sich die Aussichten für die Aktienmärkte ab dem III. Quartal aber wieder freundlich. Ein Euro-freundliches Wahlergebnis in Frankreich, ein ausbleibender Zinsschock und ein Präsident Trump, der liefern muss, sprechen dafür.

Charttechnik DAX – Neues Allzeithoch zunächst unerreichbar?

Charttechnisch setzt sich die Konsolidierung auf hohem Niveau fort, wenn die Unterstützung bei 12.219 Punkten unterschritten wird. Darunter geben dann die Marken bei 12.159 und 12.083 Halt, bevor der DAX bei 12.010 auf eine weitere Unterstützung trifft. Setzt der Index seinen intakten langfristigen Aufwärtstrend fort und überwindet dabei nachhaltig den Widerstand bei 12.313 Punkten, liegt die nächste Barriere am bisherigen Allzeithoch bei 12.391 Punkten. Darüber ist der Weg zu neuen Höchstständen zunächst frei.

Ein Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128.

 


(08.04.2017)


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1. Robert Halver mit Runplugged auf dem Smartphone, im Hintergrund das Parkett der Frankfurter Börse - Halver ist Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank und Finanz-Meteorologe für die Börsenstimmung. Wöchentlich berichtet er über Entwicklungen an den Finanzmärkten, über Wohl und Wehe von DAX, Zinsen, Euro & Co. Anleger erhalten eine fundierte Einschätzung der marktbewegenden Trends, immer   >> Öffnen auf photaq.com

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    Grundsätzlich signalisierte ein verbesserter ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe in der Vergangenheit mit einer zeitlichen Verzögerung von sechs Monaten im Trend ebenso eine Erholung US-amerikanischer Unternehmensgewinne. Diese Entwicklung zeichnet sich ebenso im aktuellen Szenario wieder ab. Und die bevorstehende US-Berichtsaison für das I. Quartal 2017 dürfte das zusätzlich bestätigen. Triebfeder für die Gewinnentwicklung sind neben der verbesserten Konjunkturdynamik und Preissetzungsmacht der US-Unternehmen auch im Vergleich zum Vorjahr höhere Rohstoffpreise, die dem bedeutenden US-Energiesektor zugutekommen. Zukünftig weniger stark regulierte US-Banken – zuletzt wieder Hauptthema bei einem Treffen Trumps mit Spitzenvertretern aus der Wirtschaft – dürften positivere Ausblicke geben.

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    Allerdings verschieben sie sich auf der Zeitebene nach hinten. Selbst Präsident Trump kann trotz republikanischer Kongressmehrheit nicht durchregieren, was sich schon in Fragen der Gesundheitspolitik zeigte. Mit einer Umsetzung von Infrastruktur- und Steuersenkungsmaßnahmen ist also vor 2018 nicht zu rechnen.

    Die Verschuldung der Welt ist der Marktwirtschaft entrückt und von der Planwirtschaft der Notenbanken entzückt

    Die Geldpolitik hat schon lange nicht mehr primär die Konjunktur, sondern vor allem das Wohlergehen der Finanzmärkte im Blick. Konkret geht es ihr um die reibungslose Finanzierung der dramatischen weltweiten Überschuldung. Seit der Finanzkrise 2008 wurden nicht weniger, sondern deutlich mehr Schulden angehäuft. So hat US-Präsident Obama in seiner achtjährigen Amtszeit die US-Staatsverschuldung verdoppelt. Und niemand erwartet, dass Trump mit Blick auf seine Wirtschaftspolitik zum „Staatsschuldenheiligen“ wird. Ebenso frönt die US-Privatwirtschaft nach einer Beruhigung im Zuge der Finanzkrise wieder dem Schuldenschlendrian. Die günstigen Kreditzinsen treiben die amerikanischen Konsumenten förmlich in die Verschuldung.

    Auch in der Eurozone ist die Verschuldung auf dem Vormarsch.

    Neuverschuldung in der Eurozone ist auch zur Sanierung von Banken notwendig, s. Italien. Dies ist gemäß europäischer Bankenrichtlinie zwar verboten. Aber wie in Europa üblich gibt es auch hier keine Regel ohne Ausnahme. Das rechtliche Schlupfloch lautet: Vorsorgliche Kapitalerhöhung für im Prinzip solvente Institute, die nur für Stresssituationen zu wenig Kapital vorhalten. Wenn Banken also „solvent“ und damit nicht auf Verlustdeckung angewiesen sind, ist staatliche Alimentierung möglich. Wundert es da wirklich, dass die für die Bankenaufsicht zuständige EZB italienischen Banken – trotz teilweise gewaltiger notleidender Kredite – diesen Status bescheinigt?

    Selbst China ist längst kein finanzpolitischer Musterschüler mehr. Das Land ist insgesamt mit dem 2,6-fachen seiner Wirtschaftsleistung verschuldet. 2008 war es der Faktor 1,8. Insbesondere die Unternehmen haben ihre Verschuldung drastisch erhöht.

    Weltweit nutzen Unternehmen die geldpolitisch künstlich gedrückten Zinsen zur Optimierung ihrer Bilanzen, ersetzen also teures Eigen- durch deutlich günstigeres Fremdkapital.

    Auch in der westlichen Welt – z.B. USA und Eurozone – zeigt das Verhältnis von Gesamtverschuldung zur Wirtschaftsleistung die Verschuldungsmisere überdeutlich.

    Nicht zuletzt laden günstige Kreditzinsen zur hemmungslosen Spekulation an den Finanzmärkten ein. An Wall Street wurden für ca. 530 Mrd. Dollar Aktien über Wertpapierkredite gekauft. Dieses neue Allzeithoch liegt knapp 50 Prozent über dem Niveau unmittelbar vor dem Platzen der Immobilienblase 2008.

    Wenn die Geldpolitik kurzfristig die Finanzwelt rettet, schafft sie längerfristig noch größere Probleme

    Die Notenbanken stehen vor einem Dilemma. Nach der Immobilienkrise 2008 mussten massiv neue Staatsschulden den finalen Kollaps der Finanzwelt verhindern. Nur durch eine dramatische Zinssubventionierung der Geldpolitik konnte die reibungslose Schuldenfinanzierung gesichert werden. Diese planwirtschaftlich verordnete Zins-Happy Hour allerdings lädt zu einer reformlosen Wirtschafts- bei gleichzeitig laxer Schuldenpolitik ein, da beides nicht wie früher üblich wegen schlechter Bonität mit höheren Risikoaufschlägen bestraft, sondern mit verordneten niedrigen Renditen noch belohnt wird.

    Gleichzeitig finden über zinsgünstige Kredite Fehlinvestitionen und Blasenbildungen an den Finanzmärkten statt. Grundsätzlich gute stabilitätspolitische Absichten der Notenbanken haben dann fatale Nebenwirkungen. So hat der scharfe Zinserhöhungszyklus der Fed seit 2004 das Volumen der Wertpapierkredite schließlich dramatisch abschmelzen lassen, einen Einbruch der Aktienmärkte mitverursacht und über Risikoaversion später auch die Weltkonjunktur in Mitleidenschaft gezogen. Eine restriktive US-Notenbank ist zum Brandbeschleuniger geworden.

    Wie will die internationale Geldpolitik aus diesem Teufelskreis entfliehen?

    Ist die Rückkehr zur geldpolitischen Normalität überhaupt noch möglich?

    Die Angst, dass sich eine stabilitätsorientierte Notenbankpolitik deutlich schädlicher als 2008 auswirken würde, ist an den Finanzmärkten allgegenwärtig.

    Vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass die US-Notenbank gemäß Protokoll ihrer letzten Sitzung plant, ihr Wertpapierportfolio von mehr als vier Billionen aufgekaufter Staats- und Hypothekenanleihen zu reduzieren. Auf den ersten Blick wirkt diese Meldung wie der Einstieg in den Ausstieg einer beispiellosen geldpolitischen Offensive der Fed. Droht sogar der Zinsschock?

    Bei näherer Betrachtung relativiert sich dieses Bild jedoch. Die Fed wird keine Offenmarktpolitik betreiben, mit der sie Anleihen im großen Stil veräußert. Sie will lediglich auf die Reinvestition von Zins- und Tilgungsleistungen aus gehaltenen Anleihen verzichten, was die Entblähung ihrer Bilanz deutlich verlangsamt.

    Im Übrigen scheint die Fed, zur Kompensation dieser Entblähungsmaßnahme, die Anzahl zukünftiger Zinserhöhungen zu überdenken. Insgesamt würde dies den Grad ihrer geldpolitischen Trendwende noch weiter abmildern. Die Geldpolitik der Fed ist ein Kunstwerk mit dem Namen „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ Insgesamt betreibt die Fed eine verbalerotische Restriktion, die aber tatsächlich nicht zur Anwendung kommt. Sie weiß, dass sie als Leitwolf unter den Notenbanken keine schlafenden Hunde wecken kann, die zu einem fatalen finanz- und realwirtschaftlichen Zinsschock führten.

    Tatsächlich lassen sich die Renditen von Staatspapieren in den USA von den Plänen der Fed bezüglich Abschmelzens ihres Billionen schweren Anleiheportfolios nicht beeindrucken. Sie haben zuletzt sogar nachgegeben.

    Ihrer ultralockeren Geldpolitik bleibt die EZB ohnehin treu. In einer kürzlichen Rede sagte EZB-Präsident Draghi, für die Konjunktur der Eurozone sei es „zu früh, Erfolg auszurufen“ und dass die zuletzt anziehende Inflation noch nicht nachhaltig ist. Für die grundsätzlich feine Rhetorik von Notenbankern sind das klare, unmissverständliche Worte. Die EZB weiß, dass die Refinanzierung der zunehmenden Staatsverschuldung in der Eurozone zinsseitig abgefedert werden muss.

    Leider vertragen die modernen Finanzmärkte keine wirkliche geldpolitische Stabilitätspolitik mehr. Dieser Luxus ist unbezahlbar geworden.

    Marktstimmung – Konsolidierung ja, aber…

    Grundsätzlich ist mit einer Anlegerzurückhaltung an den Aktienmärkten im II. Quartal zu rechnen, die auch zwischenzeitliche Konsolidierungen beinhalten kann. Nach der positiven Wertentwicklung im I. Quartal ist der Performancedruck aktuell ohnehin gering. Das Abwarten der Wahl in Frankreich, die zeitliche Verzögerung der Trumponomics und vorübergehende Irritationen durch die Fed liefern willkommene Argumente zur Zurückhaltung.

    Auf bevorstehende Gewinnmitnahmen lässt auch der von WallStreetCourier.com veröffentlichte Smart Money Flow Index (SMFI) – basierend auf dem Dow Jones Industrial Average – schließen. Als Indikator für das Anlageverhalten von „schlauen“ institutionellen Börsenprofis ignoriert er täglich die jeweils ersten 30 Handelsminuten, die vor allem von emotionalen Anlageentscheidungen – „zittrige Hände“, die aus Angst oder Gier zu überhasteten Entscheidungen neigen – geprägten sind. Er signalisiert bevorstehendes Ungemach, sobald der Dow Jones in einem Aufwärtstrend neue Höchststände erreicht, die nicht vom SMFI bestätigt werden. Angesichts des im Trend steigenden SMFI ist zwar grundsätzlich nicht mit einem Ende der Aktien-Rallye zu rechnen. Aber eine Konsolidierung, kein Crash, ist durchaus möglich.


    Längerfristig präsentieren sich die Aussichten für die Aktienmärkte ab dem III. Quartal aber wieder freundlich. Ein Euro-freundliches Wahlergebnis in Frankreich, ein ausbleibender Zinsschock und ein Präsident Trump, der liefern muss, sprechen dafür.

    Charttechnik DAX – Neues Allzeithoch zunächst unerreichbar?

    Charttechnisch setzt sich die Konsolidierung auf hohem Niveau fort, wenn die Unterstützung bei 12.219 Punkten unterschritten wird. Darunter geben dann die Marken bei 12.159 und 12.083 Halt, bevor der DAX bei 12.010 auf eine weitere Unterstützung trifft. Setzt der Index seinen intakten langfristigen Aufwärtstrend fort und überwindet dabei nachhaltig den Widerstand bei 12.313 Punkten, liegt die nächste Barriere am bisherigen Allzeithoch bei 12.391 Punkten. Darüber ist der Weg zu neuen Höchstständen zunächst frei.

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    Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

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