23.05.2017, 3474 Zeichen
Die Kraft einer Kette entscheidet sich an ihrem schwächsten Glied. Die Kraft eines Börsenanstiegs am Schicksal ihrer schwächsten Sektoren. Die europäischen Börsen sind diese Tage in diese Phase, der Bestätigung des Anstiegs, eingetreten.
Es ist immer wieder erstaunlich, welch Überlebenskraft in manchen Sektoren und Unternehmen steckt. Irgendwo wird ein Weg, eine Lösung, zwischen regulatorischen Stolperdrähten und unüberwindbar erscheinenden Fesselungen gesucht und gefunden. Selbst Branchen, denen man aufgrund des dominierenden regulatorischen Umfelds die schnelle und eigenständige Agitation schon immer vorweg abgesprochen hat, beweisen inzwischen erstaunliche Wandlungs- und Überlebensfähigkeiten. Banken, Versicherungen, Versorger, Telekoms, um nur einige zu nennen.
Der Motor „Konjunktur“ setzt genauso auch bei Investoren inzwischen Einstellungen frei, die es in sich tragen, gerade die Wandlung der darunter liegenden Branchen zu ermöglichen. Man investiert länger und konsequenter als noch zuvor und ermöglicht damit etlichen Unternehmen ihr Geschäftsmodell auf eventuell veränderte Rahmendbedingungen neu auszurichten ohne dabei gleich einen Kurssturz zu provozieren. Quasi: Veranlagungsnotstand finanziert Flexibilität, wer sich anpassen will bekommt eine Chance.
Die Banken leben dies bereits vor. Etliche Kapitalerhöhungen und Sonderabschreibungen haben die Kreditportfolien bereinigt und die Eigenkapitalvorschriften erfüllen geholfen. Die Aktionäre haben den Mut zur Unterstützung bewiesen, die Politik blieb diesmal außen vor. Im Gegenteil sie sorgte sogar dafür, dass sie sich dem Prozess entzog, Stichwort „Bail in“. Auch die Versicherungen lernen wieder das Sonnenlicht zu sehen nachdem sie den Keller der Negativrenditen bis ins letzte Eck ihrer Bilanzen sauber gefegt hatten. Kostenbewusstsein im Verein mit kreativer Bedarfsentwicklung die Antworten.
Nun sind auf einmal die Versorger in den Blickpunkt geraten. Jahrelang waren sie der am meisten verachtete Sektor. Nach Fukushima und Deutschlands Beschluss zum Atomausstieg, wurde im Verein mit manchmal und teilweise nach wie vor absurdem Förderwahn, die alternativen Energieerzeugungen in den Himmel gehoben. Altgediente Geschäftsmodelle von Stromerzeugern de facto über Nacht in den Müll gekippt. Die Versorger zu scheinbar entmündigten Steuer- und Abgabenlieferanten degradiert. Chauvinistische Interessen als Maxime der Öko- oder Nicht-Öko-Definition erkoren. Die politische Glaubwürdigkeit wurde zur Farce degradiert. Polnische Kohlekraftwerke waren genauso „sauber“ wie Flusskraftwerke, viermal so teure Solarkraftwerke mussten präferiert ans Netz, wogegen die nach wie vor notwendige Grundlast den Gas- und Wasserkraftwerken zu einem Spottpreis verantwortet blieb. Dies alles hat sich inzwischen gewandelt, nicht weil sich die Vorschriften geändert haben sondern die Versorge haben sich neu ausgerichtet. Strom wird effizienter transportiert, peu á peu weicht man dem Kohle-Chauvinismus aus, Grün darf immer mehr auch Grün sein, Öko ist nicht mehr in alle Zukunft subventionierbar, und Gas steht im Hintergrund bereit. Kein Wunder daher, dass in unserer positiven Börsenwelt eine solche Veränderung auch angenommen wird. Aus Verkaufsempfehlungen werden „Hold“ oder “Buy“-Analysen. Die Anzahl jener, die es als erste wissen und an der Börse umsetzen wollen, wird immer mehr.
Wer fragt ob er nun noch in den letzten Mai-Tagen wirklich verkaufen soll, der wird heuer vielleicht länger nachdenken …
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