08.03.2018, 4001 Zeichen
Aus dem Börsenbrief im Sinne des Börse Social Network Club. http://www.boerse-social.com/gabb
Wir Österreicher waren ja mal sehr progressiv, wir haben die Adelstitel samt "von" schon vor rund 100 Jahren abgeschafft, in Deutschland dagegen gibt es heute noch Grafen und Barone. Das "von" eines bundesdeutschen Bürgers bleibt auch erhalten, wenn er in Österreich weilt, nur die hiesigen Adeligen müssen auf ihr "von" verzichten. Im Burgenland ist die Zeit etwas stehen geblieben, dort sagt man heute noch "Graf" zum ehemaligen Graf, in 100 Jahren bzw. 4 oder 5 Generationen ändert sich nicht gar viel. Mit Grafen zu reden ist oft viel angenehmer als mit Emporkömmlingen, denn ein Graf der alten Schule hat es nicht nötig, andere Menschen runterzumachen, man kommuniziert auf Augenhöhe. In der Schule habe ich das erste Mal Bekanntschaft mit einem "Hofrat" gemacht, unser Direktor hieß "HOFRAT ...", der Rest des Namens wurde unbetont gesprochen, das "HOFRAT" war das Wichtigste am Namen, und wehe, das hätte jemand einmal vergessen! Beim Bundesheer war ich fasziniert, wenn ich die mächtigen Vizeleutnante vor den jungen Fähnrichen salutieren sah, die frisch von der Militärakademie kamen. Einmal hatte ich große Angst, dass der Mann mit den vielen Sternen vor mir einen Herzanfall erleidet, weil sein Kopf so rot anlief, nachdem ich "Jawoll Herr Korporal!" zu ihm gesagt hatte. Er war offenbar etwas weit Höheres, meine Worte gefielen ihm gar nicht. In der HAK lernten wir jedenfalls, dass es sehr wichtig sei, Menschen mit dem richtigen Titel anzusprechen oder anzuschreiben, man könne sich damit ein Geschäft schon ganz am Anfang zerstören, wenn man hier einen Fehler begeht, und wirke er auch noch so klein.
Wenn ich den kleinen Bürodiener am Amt nicht mit "Herr Fachoberinspektor Huber", sondern mit "Herr Huber" anrede, wird sich Herr FOI Huber wohl beleidigt fühlen und meinem Anliegen nicht sonderlich wohlwollend gegenüber stehen. "Respekt" vor Titeln, wie vor einigen Tagen hier im Börsebrief erwähnt, ist vielleicht nicht der passende Ausdruck, "Höflichkeit" trifft es eher. Ich verliere nichts, wenn ich den Titel verwende, und mein Gegenüber freut sich, dass ich ihn verwende. Einen Mag.- oder Dr.-Titel hat sich der Träger dieses akademischen Titels einmal verdient, er MUSS sogar seine Personaldokumente um diesen Titel ergänzen, eine Säumnis kann hier tatsächlich zu Strafen führen, wie ich einmal gelesen habe. Ich halte es zwar für relativ sinnfrei, dass das notwendig ist, aber wenn jemand spätberufen zum Träger eines akademischen Titels wird, und sein Name steht bereits unzählige Male im Firmenbuch oder Grundbuch, so müssen alle diese Einträge (kostenpflichtig!) um den akademischen Grad ergänzt werden. Damit die Gerichtsbediensteten etwas zu tun haben.
Wir sollten uns aber davor hüten, dem Vorurteil aufzusitzen, dass Akademiker grundsätzlich fähiger seien als Nichtakademiker, also z.B. Führungsjobs ausschließlich an Akademiker zu vergeben, denn oft genug zeigt das echte Leben, dass nicht jeder, der theoretisch etwas vom Fach versteht, auch praktisch die beste Wahl ist. Es sind sogar schon Wirtschaftsprofessoren und Kommerzialräte pleite gegangen, vor Vorurteilen sollte man sich hier wirklich hüten. Fähigkeiten zeigen sich im Berufsleben, und manchmal wäre der Nichtakademiker besser für die Position geeignet, es kommt wirklich auf den einzelnen Menschen an. Aber die Stelleninserate sind oft so zugeschnitten, dass Nichtakademiker von vornherein ausgeschlossen werden. Selbst für Stellen, die vor wenigen Jahren durchaus noch von Nichtakademikern besetzt worden sind. Fair ist das jedenfalls nicht, sinnvoll auch nur in den wenigsten Fällen, und Arbeitgeber, die nur Akademikern irgendwelche Fähigkeiten zugestehen, bringen sich oft um die Chance, wirklich passende Mitarbeiter zu finden. Gut, ich als Handelsakademiker fühle mich sowieso immer ausdrücklich eingeladen, wenn Akademiker gesucht werden, einen Titel brauche ich nicht.
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