18.04.2017, 3783 Zeichen
Das heurige Jahr hat ja einmal sehr angenehm begonnen, möchte man sagen. Die Konjunkturdaten am Globus schlagen konstant die Erwartungen, die Inflation spielt mit, Politik wirkt auch hin und wieder wirtschaftsstimulierend, der Private Konsum ist nach wie vor nicht zu stoppen und die ersten Wahlhürden sind auch einmal geschlagen. Was gerade an den Kapitalmärkten passiert ist, dass die Skeptiker wieder versuchen, die Oberhand zu gewinnen, denn „so gut kann es ja gar nicht weitergehen“.
Gründe und Fakten dafür gäbe es wenig, aber die so genannten Bedrohungen die wachsen in der generellen und allgemeinen Argumentation. Als da sind die Türkei, Frankreich, Nordkorea und seit heute die vorgezogenen Wahlen in UK. Alles mittlerweile schrecklich, furchtbar, unberechenbar und daher extrem gefährlich.
Alles nach der Reihe: Das Ergebnis der Türkei ist, so sehr es auch einem Demokratieverständnis zuwider läuft, den Börsen am liebsten. Denn es bedeutet, dass sich der frischgekürte Herr Sultan einer nahezu 50%igen kritischen Masse gegenüber sieht und gerade deswegen keine aggressive Umsetzung seiner Machtrauschträume erfolgen kann ohne das zu provozieren, was er am meisten fürchtet, einen Putsch.
In Frankreich geht es im ersten Wahlgang eigentlich nur darum, ob Marine le Pen (wäre interessant ob ihr die Bezeichnung „Blaue Füllfeder“ gefallen würde? In Wien Ottakring wäre sie wahrscheinlich weniger schmeichelhaft) im ersten Wahlgang gewinnen kann oder nicht. Im zweiten Wahlgang wird sie verlieren. Das sagen alle Meinungsumfragen und das ist in einem Land mit 2/3 EU-Befürwortern auch nicht anders zu erwarten.
Nordkorea ist spätestens seit seinem letzten Raketentest unberechenbarer geworden. Denn der ging dermaßen in die Hose, dass die Selbstblamage auch intern kaum zu verbergen war. Bleibt zu hoffen, dass die USA intelligenter vorgehen und nicht beweisen, dass sie bessere Raketenbauer sind. Unser Schutzengerl ist aber die Geschichte die in den letzten Jahrzehnten etliche solcher „Gelegenheiten“ aufzeigte und im Abstellkammerl der Außenpolitik wieder verschwinden ließ.
Bleibt das selige vereinte Königreich das jetzt zum Wahl-Halali (klingt fast wie Walhalla … vielleicht deswegen so sensibel interpretiert) bläst. Theresa May will es wissen, sieht die gegnerische Labour Party im Schrumpfmodus, versucht rein innenpolitisch motiviert, Kalkül aus der Schwäche der Anderen zu schlagen und macht Meinungsforschern mit dem Termin 8.6. eine Freude. So schnell geht das. Wieder etwas zu tun. Befürchtungen erreichen natürlich sofort die Kapitalmärkte, dass denn nun der Brexit direkt vor die europäische Haustüre gezerrt würde und Theresa May mit gestärktem Rücken nach der Wahl ganz Euroland vor sich her treiben wird. Allein mir fehlt weniger der Glaube als vielmehr die Fakten. Der Brexit ist schon ausgerufen, der Prozess läuft und daran kann und wird sich auch nichts beschleunigen lassen. Und selbst wenn wird man erkennen, dass die EU, so ungeschickt sie auch nach Innen wirken möge, so fokussiert tritt sie bisher im Falle Brexit auf. Es genügt ja bereits auf EU-Pass-Regelungen in London und auf 60Mrd Euro Schulden von UK in Brüssel zu deuten. In London werden die Häuser billiger werden.
Also alles halb so wild. Die Haut der Börsianer(Innen) wird halt etwas dünner und auch brüchiger mit der Zeit. Pflege ist angesagt. Und die kann man ja mithilfe ausgezeichneter US-Wirtschaftsdaten, Chinas erfolgreichem Weg aus dem Soft-Landing oder Eurolands Gewinnwachstumsraten die so ziemlich jeden Volkswirt positiv überrascht hatten ausüben. Und wer sich noch einen Schuss Balsam antun möchte der möge sich die aktuellen globalen Wachstumsschätzungen des so konservativen IWF gönnen, die mit +3,5% deutlich über jenen +3% von vor 6 Monaten inzwischen liegen.
Wohl bekomm’s.
kapitalmarkt-stimme.at daily voice: Frequentis setzt sich beim Jugendwort des Jahres gegen Andritz und Verbund durch, Schade um 6B47
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