03.10.2021, 4567 Zeichen
Aus dem Wöchentlichen Marktausblick von Raiffeisen Research: "Während in der letzten Woche vor allem die Krise des chinesischen Immobiliengiganten Evergrande im Mittelpunkt stand, scheinen die Marktteilnehmer mittlerweile davon auszugehen, dass es sich hierbei um ein relativ kontrollierbares Ereignis handeln dürfte, das wohl nicht großartig über die Grenzen Chinas hinausgehen wird. Die deutschen Wahlen sind mittlerweile auch seit knapp einer Woche geschlagen und wir wissen aktuell auch nicht viel mehr als am Sonntag. Olaf Scholz (SPD) ist Wahlsieger, liegt aber mit Armin Laschet (CDU/CSU) nicht weit auseinander – weshalb beide den Anspruch auf das Kanzleramt gestellt haben. Für beide Seiten gibt es eine reale Chance eine Drei-Parteien-Koalition mit den Grünen und der FDP einzugehen. Insgesamt reagierten die Investoren auf den Wahlausgang und die Bündnismöglichkeiten beider Seiten sehr gelassen, was auch gut zu unserem Spruch der Woche passt, dass politische Börsen kurze Beine haben.
Nichtsdestotrotz präsentierten sich die internationalen Aktienmärkte im Wochenvergleich aber deutlich schwächer, was durchaus auch an der Unsicherheit bezüglich der ausstehenden Einigung bei der US-Schuldenobergrenze liegen dürfte.
Laut US-Finanzministerin Janet Yellen droht der USA ab dem 18. Oktober ansonsten die Zahlungsunfähigkeit. Immerhin konnte sich der Kongress kurz vor Fristablauf auf einen Übergangshaushalt bis zum 3. Dezember einigen und somit den drohenden Teil-Stillstand der Regierungsgeschäfte vorerst abwenden.
Ungeachtet dessen haben aber die Themenführerschaft wieder die alten Verdächtigen (Inflation, Tapering und steigende Marktzinsen) an sich gerissen. Obwohl die Inflationsthematik nie aus dem Augenmerk der Investoren verschwunden war, ist das Thema nicht zuletzt mit dem Eingeständnis von Fed-Chef Jerome Powell, dass sich die Inflation wohl länger auf einem höheren Stand halten werde als zuvor gedacht, wieder in den Vordergrund gerückt. Zudem hat die US-Notenbank bei ihrer letzten Sitzung bereits signalisiert, dass sie demnächst ihren ultralockeren geldpolitischen Kurs etwas straffen und möglicherweise schon Ende 2022 die Zinsen anheben könnte. Daraufhin stiegen die Renditen der zehnjährigen US-Anleihen sukzessive auf über 1,5 %, was den höchsten Wert seit rund drei Monaten darstellt.
Die Marktteilnehmer haben diesbezüglich eine etwas schizophrene Haltung eingenommen, was sich auch in den zuletzt deutlich schwankenden Kursen widerspiegelte. Denn einerseits unterstreicht die allmähliche Änderung der Zentralbankpolitik den Optimismus hinsichtlich des Wirtschaftswachstums und andererseits belastete aber der daraus resultierende Anstieg der Marktzinsen in den USA das Aktien-Umfeld. Insgesamt konnte sich die Standardwerte besser als die Technologieunternehmen behaupten, zumal diese auch abseits der sich langsam wieder normalisierenden Wachstumsraten eine stärker ausgeprägte Zinsreagibilität aufweisen. Dies unterstreicht auch unser Chart der Woche: Dargestellt ist hier der Verlauf des MSCI World Value sowie des MSCI World Growth über die letzten zwei Wochen. Gut zu erkennen ist hierbei, dass sich nach der relativ „hawkischen“ Zinssitzung der Fed am 22.09. und der daraufhin sukzessiv ansteigenden Renditen der gemeinsame Weg von Value und Growth getrennt hatte. Während die Wachstumstitel ihr Glück in Richtung Süden suchten, konnten sich die Value-Aktien sichtlich besser in diesem Umfeld behaupten.
Abseits von Rendite-Entwicklung und Inflation wird das nächste große Thema die in bereits rund zwei Wochen beginnende US-Berichtssaison sein. Hier wird sich dann zeigen, ob die Gewinnentwicklung, die ihren Basiseffekt bedingten Höhepunkt der Coronakrise überschritten hat, die luftigen Bewertungen (v.a. bei Technologie- Werten) nach wie vor rechtfertigen wird. Wir sind hier zuversichtlich gestimmt und erwarten eine positiv verlaufende Berichtssaison. Zudem gehen wir von einer weiterhin sehr soliden wirtschaftlichen Entwicklung aus, wobei auch die nach wie vor reichlich vorhandene Liquidität und die sehr günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten die hohen Wachstumserwartungen positiv abrunden. Wenngleich die von uns erwartete Schwächephase über die Sommermonate sich bis in den September verzögert hatte, nutzen wir die aktuelle Konsolidierung und heben hiermit unsere Empfehlungen wieder auf „Kauf“. Auch wenn die Risikoaversion unter den Marktteilnehmern kurzfristig noch etwas anhalten könnte, so sehen wir die fundamentalen Rahmenbedingungen bestens geeignet, um auf Jahressicht weiter ansteigende Kurse zu sehen."
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