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Sparkassenverband warnt: Privatanlegern droht eine neue Bezahlschranke

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Christian Drastil, Jänner 2023, für das Börse Social Magazine. 

Die EU plant ein europaweites Provisionverbot für die Kapitalanlage - ein Modell, das derzeit nur in NL und GB eingesetzt wird und Studien zufolge nicht funktioniert. Denn: Es löst kostenpflichtige Beratungsgespräche aus, die sich vor allem Privatanleger nicht mehr leisten wollen. Diese Paywall gefällt Franz Portisch, Generalsekretär des Österreichischen Sparkassenverbandes gar nicht. Im Interview erklärt er ausführlich das Warum. 

Lieber Herr Portisch, schön, dass wir zum - aus meiner Sicht - heißesten Thema des Monats Jänner noch ein Interview nachlegen können. Kurz zum Hintergrund: Ich hatte für meine Börsepeople-Podcasts mit Ihrem Kollegen vom Sparkassenverband, Thomas Liebich, einen lockeren Plausch angedacht und dann bringt Thomas im Podcast das in der EU umgehende Thema „Provisionsverbot“ in den Talk ein. Freilich folgte der Podcast (Anm: reinhören unter https://audio-cd.at/page/podcast/3829 ) einem anderen Konzept, so konnten wir nur an der Oberfläche bleiben. Ich habe das aber am nächsten Tag im „Wiener Börse Plausch“ eingespielt und es wurde prompt die meistgehörte Folge im Jänner.  Insofern frag ich jetzt im Detail nach. Können Sie den Case bitte für unsere Leser kurz zusammenfassen?

Franz Portisch: Gerne! Aktuell wird von der zuständigen EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion Mairead McGuinness im Rahmen der in Diskussion befindlichen europäischen Retail Investment Strategy (RIS) ein neuer Versuch unternommen, ein europaweites Provisionsverbot umzusetzen. Dieses ist nichts anderes als eine Paywall, die Anlageberatung kostenpflichtig macht - unabhängig von der investierten Summe. Dadurch werden Kleinanleger:innen anteilig wesentlich höher belastet. Dies kann sogar soweit führen, dass damit defacto Kleinanleger:innen nicht von der EU-Kapitalmarktunion profitieren können. Insgesamt wird so der Zugang zum Kapitalmarkt unnötig verteuert, schwieriger und in Folge wieder unattraktiver.

Provisionsverbote gibt es in Europa nur in den Niederlanden und Großbritannien. Alle anderen 26 EU-Staaten setzen stattdessen auf Provisionsmodelle, die bereits strengen gesetzlichen Regelungen unterliegen. Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass sich das von McGuinness vorgeschlagene Modell nicht bewährt hat. So zeigt eine Studie der englischen Finanzaufsicht, dass im Vereinigten Königreich, wo Provisionen 2013 verboten wurden, eine Beratungslücke für Kleinanleger:innen entstanden ist. Es zeigt sich deutlich, dass Beratung erst ab einem größeren Vermögen in Anspruch genommen wird. Sparer:innen mit geringen oder mittleren Anlagebeträgen können oder wollen sich eine Beratung nicht mehr leisten. Ähnlich ist die Situation in den Niederlanden. 

Bereits heute ist die Annahme von Provisionen und sonstigen Anreizen nur erlaubt, wenn dadurch ein Mehrwert, also vor Ort leicht zugängliche, qualitativ hochwertige und regelmäßige Beratung - gewährleistet ist. Die Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, immer im besten Interesse ihrer Kunden zu handeln. Ebenso müssen alle gesetzlich verankerten Transparenzvorgaben – also alle Informationen über Art und Höhe etwaiger Provisionen - erfüllt werden. 

Ist das ein Punkt der für April 2023 von der EU angekündigten „Retail Investment Strategy“? Ich gebe zu, dass mir das wegen der Vorliebe der EU für Gesetzeslawinen Sorge macht. Ist die Sorge berechtigt?

Ja, das ist es. Die EU neigt leider zur Überregulierung. Ziel der Überarbeitung der europäischen RIS war es, die Attraktivität und die Sicherheit der europäischen Kapitalmärkte zu verbessern. Ein Ansinnen, das wir natürlich unterstützen. Ein breiter Review der europäischen Gesetzeslage zum Investorenschutz wurde vorangestellt, das Thema „Ban on Inducement“ – also das Provisionsverbot - ist Teil davon. Das Hochziehen einer Paywall bedeutet aber einen 180°-Schwenk vom bisherigen, ausgewogenen Regulierungsansatz der Kommission. Weder werden damit die aktuell geltende Rechtslage, die enormen Auswirkungen auf Klein(st)anleger:innen, noch die negativen Konsequenzen für 26 nationale Kapital- und Wertpapiermärkte oder die europäische Wirtschaft als Ganzes berücksichtigt. Als Verband ist es uns ein großes Anliegen und wir sehen es als unsere Aufgabe, diese schwerwiegenden Konsequenzen aufzuzeigen. 

Welche Ziele verfolgt der Sparkassenverband mit seinem Engagement in dieser Sache?

Wir sehen unsere Gründungsidee Menschen – ohne Unterschied von Status, Nationalität, Glaube, Geschlecht oder Alter – Zugang zu Wohlstand zu ermöglichen, in Gefahr. Muss Finanzberatung künftig vorab und pro Stunde bezahlt werden, werden insbesondere Anleger:innen, die nur kleinere Beträge investieren wollen oder können, davor zurückschrecken sie in Anspruch zu nehmen. Realistisch ist somit von einer Beratungslücke für Kleinst- und Kleinanleger:innen auszugehen. Damit kommt es zu einer klaren Schieflage und deren Schlechterstellung beim Aufbau von Wohlstand. 

Ich bleibe bei den Wertpapieren: Würde so etwas alle Produktkategorien, zB Aktien, Anleihen, Fonds, Zertifikate oder auch Kryptos gleichermaßen in der Beratung betreffen?

Ja für die meisten, denn aufgrund der angedachten, neuen europäischen Bezahlschranke würde jede Anlageberatungsleistung grundsätzlich kostenpflichtig. Unabhängig davon, ob sie von der Hausbank, oder einem anderen Anbieter erfolgt.

Aktuell kann ein/e Anleger:in – wie zB im Möbelhaus, bei Elektrofach- oder Autohändler:innen – einen oder mehrere Termine vereinbaren, um sich über individuell passende Anlageprodukte beraten zu lassen. Nach aktueller Gesetzeslage können Zuwendungen nicht für die Beratung, sondern nur beim Kauf eines Anlageprodukts (=Mehrwert für Kund:innen) bezahlt werden. Davon müssen Kund:innen (Transparenz) in Kenntnis gesetzt werden. Erfolgt kein Kauf, gibt es für die Beratung auch keine Provision. 

Ich persönlich bin als Beirat des Zertifikate Forum Austria vor allem in dieser Materie verwurzelt und der Meinung, dass man beim Regulativ weit übers Ziel geschossen hat. Die Grenze zwischen Anlegerschutz und Anleger-vor-dem-Anlegen-Angst-Machen verschwimmt für mich. Wie sehen Sie das?

Der Bankensektor ist bereits hoch reguliert, dennoch kommen laufend neue Richtlinien hinzu. Die regulatorische und rechtliche Überregulierung erschwert vor allem kleineren Sparkassen das Arbeiten im Dienste ihrer Kund:innen. 

Wie sieht es insgesamt mit Zeitschienen aus? Wann könnte eine Umsetzung folgen und hätte Österreich hier auch die Möglichkeit zum Gold-Plating, wie leider so oft?

Ein Entwurf ist für das 2. Quartal 2023 zu erwarten, danach folgen abhängig von der gewählten Umsetzungsart die erforderlichen Abstimmungsschritte mit den Mitgliedsstaaten, nationalen Parlamenten sowie dem europäischen Parlament. Eine Beschlussfassung wird von der Kommission sicher noch vor der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament angestrebt. Nachdem diese Maßnahmen allen Bestrebungen der Bundesregierung zur Attraktivierung des Kapitalmarkts zuwiderläuft, ist hier Gold-Plating nicht zu erwarten.

Und wenn ich schon die Gelegenheit habe, mit Ihnen zu plaudern, noch zwei Punkte: Wann, glauben Sie wird das Regierungsprogramm bzgl. der Behaltefrist bei der WP-KESt umgesetzt? Sie sind da sicher näher dran als ich.

Diesem Thema wurde zuletzt Anfang 2022, sowie im Zuge der Debatte über die viel diskutierte KIM-Verordnung wieder mehr Aufmerksamkeit zuteil. Mit dem Ziel der Attraktivierung des österreichischen Kapitalmarkts könnte die Wiedereinführung einer Behaltefrist von einem Jahr zur steuerlichen Entlastung von langfristigem Aktienbesitz durchaus Sinn machen. Insbesondere im aktuellen, volatilen Zinsumfeld macht es Sinn, den Zugang zum Aktienmarkt zu erleichtern und so den Aufbau von Wohlstand zu unterstützen.

Woran scheitert es?

Es sind noch zahlreiche Fragen offen, die vor der Umsetzung noch geklärt werden müssen: Welche Anlageprodukte sollen von einer KESt-Befreiung eingeschlossen sein, also zB Produkte der Alters- oder Pflegevorsorge bzw. nachhaltige Fonds? Die Ausgestaltung des Halte-Zeitrahmens ist auch noch völlig offen.

Und auch die Geschichte mit dem Zurückdrängen des Bargelds interessiert mich aus Sparkassensicht ...

Bargeld ist in Österreich nach wie vor höchst beliebt, während gleichzeitig neue digitale Zahlungsmöglichkeiten für kontaktloses, mobiles Bezahlen, wie Apple oder Google Pay, immer häufiger genutzt werden. Um das europäische Währungs- und Zahlungssystem lokal und global zu stärken arbeitet die Europäische Zentralbank (EZB) an der Ausgabe des digitalen Euros. 

Der künftige digitale Euro soll aber das Bargeld ergänzen, nicht ersetzen. Im 3. Quartal 2023 endet vorerst die zweijährige Untersuchungsphase der EZB, erst danach könnte ein Umsetzungsfahrplan festgelegt werden. Ob der digitale Euro dann tatsächlich schon 2026 Realität wird, bleibt aktuell abzuwarten, denn bis dahin müssen noch sehr viele offene Punkte geklärt werden.

Abschließend bitte ich Sie noch um ein paar Worte zum Sparkassenverband, Herr Portisch.

Der Österreichische Sparkassenverband ist die Interessenvertretung – sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene - aller 49 österreichischen Sparkassen. Wir fungieren als Dachverband der österreichischen Sparkassengruppe, der sowohl der allgemeinen Vertretung nach außen als auch dem internen Interessenausgleich dient. Darüber hinaus erbringen wir für die Sparkassen vielfältige Beratungs- und Serviceleistungen.

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