17.04.2024,
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Wien (OTS) - In den letzten 18 Monaten haben chinesische Plattformen
ein neues Geschäftsmodell im grenzüberschreitenden Einzelhandel
durchgesetzt. Entstanden ist dieses während der Pandemie in China:
„Quick-Commerce“-Plattformen hatten die chinesischen Konsument:innen
direkt mit Herstellern und Anbietern von Produkten des täglichen
Bedarfs, insbesondere Nahrungsmitteln, Hygieneprodukten und
Pharmazeutika verbunden und eine Zustellung „on-demand“ organisiert.
Während der Inlandskonsum in der Volksrepublik China nun schwächelt,
wird dieses Modell weltweit ausgerollt.
„Es braucht einen Aktionsplan für Fairness im digitalen Handel.
Der neue Wettbewerb profitiert davon, dass geltendes EU-Recht oft nur
mangelhaft durchgesetzt wird. Gleichzeitig werden Lücken im Zollrecht
bewusst ausgenutzt“, kritisiert Rainer Will, Geschäftsführer des
freiwilligen, unabhängigen und überparteilichen Handelsverbands.
„Leidtragender dieser Entwicklung ist der heimische Handel, der mit
mehr als 700.000 Beschäftigten der wichtigste Arbeitgeber des Landes
ist, und dadurch in weiterer Folge die gesamte österreichische
Bevölkerung.“
Die neuen Quick-Commerce-Plattformen generieren über eine
zentralisierte Kommunikationsplattform Nachfrage nach ihren
Produkten, die Kundenbindung wird durch Spiele, Rabattaktionen und
Social-Media-Tools über Smartphone-Apps unterstützt. Je mehr
Konsumenten die Plattform nutzen, desto besser können
Trend-Vorhersagen getroffen werden. Erst nach Bestellung werden die
angebotenen Produkte endgefertigt. Weder Zwischenlager noch Groß-
oder Zwischenhändler sind nötig, die Logistikketten sind kurz. Die
bestellten Waren werden nach der Produktion direkt verpackt, für die
Flugfracht konsolidiert und per Großraumfrachtflugzeug nach Europa
gebracht. Stand März 2024 sind das 25 bis 35 Flüge pro Tag. All das
zu einem Endkonsumentenpreis (inkl. Versandkosten), der um 30 bis 40
% unter jenem vergleichbarer europäischer Angebote liegt.
Zwtl.: Geltende EU-Regeln werden nicht angewendet
Die EU hat die Regeln für Warensendungen mit geringem Wert (max.
150 EUR) bereits vor etwa zehn Jahren angepasst. Für alle
Warensendungen gilt: Vorabdaten (inkl. klarer Kennung des
Lieferanten, des Empfängers und des Abgabenschuldners) sind Pflicht.
Vom Käufer bzw. der Käuferin muss Einfuhrumsatzsteuer bezahlt werden,
Zoll fällt jedoch erst ab einem Warenwert von 150 Euro an.
Die rechtlichen und regulatorischen Vorgaben wurden von allen 27
EU-Staaten einstimmig beschlossen. Bis 2021 hätten die
EU-Mitgliedsstaaten eine entsprechende Datenaustauschplattform
aufbauen müssen. Tatsächlich funktioniert der Datenaustausch der
Zollbehörden bis heute nur mangelhaft. Den Behörden fehlen Mittel und
Personal, um die gemeldeten Daten zu analysieren und das
entsprechende Risikomanagement beim Import von bis zu 7.000 Tonnen an
Warensendungen pro Monat an den einzelnen Flughäfen zu gewährleisten.
Die Zollbehörden sind überlastet und nicht in der Lage, die
notwendigen Kontrollen zu gewährleisten. Dazu kommen
Fehldeklarierungen, schlechte Datenqualität und Beschwerden wegen
mangelnder Produktsicherheit.
„Nicht die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen, wie
sie das Mehrwertsteuer-eCommerce-Paket der EU vorgegeben hat, sind
schlecht. Es ist die mangelnde Umsetzung in einzelnen
EU-Mitgliedsstaaten die zu Herausforderungen führen“, lautet das
Fazit von Walter Trezek, Gründer und Eigentümer des Logistikberaters
CLS (Commerce Logistics Specialists).
Zwtl.: Zollverfahren und vereinfachte Einfuhrumsatzsteueranmeldung
müssen angeglichen werden
Das neue „Direct-eCommerce“-Geschäftsmodell, das die herkömmlichen
Logistikketten ausschaltet, nutzt dabei ein Schlupfloch im Zollrecht.
Während im Großhandel bei einem Import in die EU Zoll und
Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) anfällt, wird im vereinfachten Verfahren
für B2C-Lieferungen mit geringem Wert (also unter einem Warenwert von
150 Euro) nur die EUSt fällig.
„Während also beim Import von Handelswaren für den Verkauf über
den heimischen Einzelhandel aus Drittstaaten Zoll anfällt, sind
einzelne Warensendungen aus Fernost im Wert von unter 150 Euro vom
Zoll ausgenommen“, verdeutlicht Handelssprecher Rainer Will. „Um
Wettbewerbsgleichheit herzustellen, sollte umgehend die Zollgrenze
von 150 auf 0 Euro abgesenkt werden. Außerdem ist ein europäischer
Zolldatenhub notwendig.“
Zwtl.: Acht-Punkte-Aktionsplan für Fairness im digitalen Handel
Damit der Vollzug des Zollrechts im digitalen Zeitalter ankommt,
sind somit folgende nächste Schritte notwendig:
1. verpflichtende Einführung der Einhebung der Einfuhrumsatzsteuer
für grenzüberschreitende B2C-Warensendungen unter einem Warenwert von
150 Euro bei Kauf über Plattformen (Import-One-Stop-Shop-System
(„IOSS“), inkl. der verpflichtenden IOSS-VAT-Kennung);
2. verpflichtender Vorabversand einer normierten E-Rechnung als
Bestandteil des Datensatzes der verpflichtend mit der elektronischen
Zolleinfuhrerklärung;
3. einheitliche UID-Nummer, um digitale Berichtspflichten in der
gesamten EU für direkte und indirekte Vergebührungen anzupassen;
4. Absenkung der Zollgrenze für B2C-Warensendungen von 150 auf 0
Euro;
5. Vereinfachung der Steuersätze in der EU, um eine zusätzliche
Vereinfachung des grenzüberschreitenden Einzelhandels zu
gewährleisten;
6. datentechnische Harmonisierung von postalischen
Transportdokumenten;
7. digitale Kennung der Betreiber entlang der gesamten
Warenwirtschafts- und Zustellkette;
8. Schaffung der digitalen Zolldatenplattform in der EU, um einen
Datenaustausch in Echtzeit zu Einzelhandelsbewegungen in der Union zu
gewährleisten.
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