11.08.2016, 4045 Zeichen
Das WirtschaftsBlatt spielt in der österreichischen Medienlandschaft wieder eine Rolle. Leider nicht als Subjekt, sondern als Objekt. Ins mediale Rollen gebracht haben den Stein die Kollegen vom Horizont: „Mehreren Quellen zufolge gebe es Überlegungen, Stellen zu streichen beziehungsweise das „Wirtschaftsblatt“ vielleicht sogar ganz einzustellen.“
Gerüchte um die einzige landesweit erscheinende Wirtschafts-Tageszeitung des Landes hat es schon länger gegeben. Aus PR- wie Medienkreisen konnte man in den vergangenen Wochen das Worst Case-Szenario hören. Im Konzern selbst gaben sich Personen der höheren Management-Ebene extrem zugeknöpft, wenn sie auf das Blatt angesprochen wurden: „Ich kann dazu wirklich nichts sagen.“ Nicht einmal unter vier Augen, nicht einmal in einem halb-privaten Umfeld.
Die Einschläge
Dass das WirtschaftsBlatt seit Jahren zu kämpfen hat, ist natürlich nicht neu. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es da immer diesen Kampfgeist gab, den redaktionellen Betrieb unter Einhaltung der höchst möglichen qualitativen Standardas aufrecht zu erhalten. Sollte die Styria hier jetzt wirklich die Weiße Flagge hissen, wäre das endlos schade. Und das nicht nur aus sentimentalen Gründen, sondern schlicht, weil ein Verschwinden des Mediums nach der Zusammenlegung von trend und format den zweiten massiven Schlag für den Wirtschaftsjournalismus des Landes darstellt.
Und zwar mittel-, bis langfristig.
Denn was man nicht vergessen darf: Wirtschaftsredaktionen erfüllen neben dem offensichtlichen Zweck der Berichterstattung auch einen zweiten, der sich nicht sofort in nackten und harten Zahlen ausdrückt: Den der Ausbildung neuer, frischer Journalisten. Die neuen FH-Kurse, die sich auf „Wirtschaftsjournalismus“ spezialisieren in allen Ehren – aber den redaktionellen Druck, die Recherche, das Zuspitzen (ja, auch das!), sind Dinge, die man nur „hands on“ lernen kann. Auch das faktische Wissen, ob man psychisch, physisch und emotional für den Job geschaffen ist, erhält man nur, wenn man wirklich in einer Redaktion gesessen ist und regelmäßig den kalten Schweiß des nächsten Abgabedrucks aus den eigenen Achseln – und denen der Kollegen – (ja, ich weiß, dass das ein wenig unappetitlich ist – aber so ist das Leben … schätze ich mal …) gerochen hat, weiß, was es bedeutet, zeitnahe und trotzdem exakt und journalistisch korrekt zu arbeiten.
An dieser Stelle folgt in der Regel der Einwand, dass sich die Medienlandschaft geändert hat, Social Media, Blogging etc ….
Vollkommen richtig. Nur, wer will eine Blog lesen, der nicht anständig recherchiert wurde und deshalb nur an der Oberfläche schwimmt? Der nicht gegengecheckt wurde – und zwar durch einen Autor, der den mächtigen und mit allen Wassern gewaschenen PR-Profis der großen Konzerne auf Augenhöhe begegnen kann, deren Taktiken und Tricks kennt und sie entsprechend einschätzen kann? Auch das braucht Zeit – die man wo bekommt? Genau, in einer Redaktion, die es aushält, einem Redakteur die Zeit zu geben, auch diese Soft Skills zu lernen. Alleine schafft man das nicht. Man hat weder die Zeit, noch die finanziellen Ressourcen, einen Artikel so lange zu verbessern, oder gar zu kippen, wenn man auf „Zeichen inklusive Leerzeichen“ bezahlt wird.
Intellektueller Verlust
Mittelfristig gehen hier also Fertigkeiten und Kenntnisse verloren, das nur sehr schwer und nach langen Jahren wieder aufgebaut werden kann. Steht man auf dem Standpunkt, dass das nun mal der Lauf von Angebot und Nachfrage ist, kann man dem schwerlich etwas entgegen halten. Es stellt sich aber die Frage, ob Journalismus als 4. Säule des Staates nicht auch gesellschaftliche und politische Funktionen erfüllt. Dann wären öffentliche Stützungen – wie man sie auch aus der paradigmatischen Straßenbeleuchtungs-Argumentation kennt – angebracht. Nicht nur für das WirtschaftBlatt, sondern für alle Qualitätsmedien. Zumindest, bis sich herausgestellt hat, wie man im 21. Jahrhundert mit Qualitätsjournalismus online Geld verdienen kann.
Im Original hier erschienen: Eine Lanze für das WirtschaftsBlatt
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